Streiten in der Partnerschaft Wie ihr richtig streitet und Konflikte konstruktiv löst
Zoff, stichelnde Bemerkungen oder mauerndes Schweigen - Streit gibt es in Beziehungen, im Alltag oder am Arbeitsplatz. Hinter banalen Anlässen stecken oft tiefere Konflikte. Wie ihr Streit konstruktiv löst.
Konflikte: Ist Streit normal und warum streiten wir eigentlich?
Schon Kinder streiten: Im freien Spiel und von ihren engsten Bezugspersonen lernen Kinder mit Konfliktsituationen umzugehen.
"Das Spielzeug gehört mir!" "Nein, das ist meins!". Schon Kinder streiten und handeln Spielregeln und Konflikte im freien Spiel aus. Streitereien und Meinungsverschiedenheiten gehören zu menschlichen Interaktionen und Beziehungen dazu. "Kinder reagieren in Konflikten jedoch oft emotional und brauchen Erwachsene, um Gefühle wie Wut und Enttäuschung zu regulieren", sagt Psychologin Diana Boettcher. Wie Erwachsene streiten und mit Konflikten umgehen, geht deshalb darauf zurück, wie sie es im Kindesalter von ihren engsten Bezugspersonen gelernt haben: Werden Kinder mit ihren Emotionen alleine gelassen, wurden Emotionen bagatellisiert oder unterdrückt, tendieren Menschen später im Erwachsenenalter dazu, über Themen zu schweigen oder Streitereien und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Gab es hingegen eine offene Gesprächskultur und wurde Emotionen Raum gegeben, sind Menschen im Erwachsenenalter weniger konfliktscheu und sprechen Streitthemen offener an.
Wie widerstandsfähig wir als Erwachsene im Alltag sind, wie wir mit belastenden Ereignissen und Stress, zum Beispiel Streitereien und Konfliktsituationen, umgehen, wird auch Resilienz genannt. Streit und Konflikte gibt es fast überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen: mit Familienangehörigen, Partnerinnen und Partnern, Freunden, Nachbarn, mit Arbeitskollegen, im Straßenverkehr oder beim Einkaufen. Ein Zank kann in einen ernsthaften Streit münden und sich sogar zu einem nahezu unüberbrückbaren Bruch entwickeln. Aber das muss nicht sein: Es gibt Möglichkeiten, Konflikte durch konstruktives Verhalten zu lösen.
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Anlässe für Streit: Wie Konflikte und Streitereien überhaupt entstehen
Wer hat recht? Streitereien gehören zu zwischenmenschlichen Beziehungen dazu.
"Warum kommst du wieder viel zu spät zu unserer Verabredung?", "Warum musste ich wieder den Müll runterbringen und du denkst nie daran?" oder "Warum regst du dich so auf? Ich räume die Spülmaschine doch später noch aus." Kennt ihr solche Streitereien mit Familienangehörigen, in eurer Partnerschaft oder mit Freunden? Banale Anlässe für Streitereien sind nicht zu unterschätzen: Reagieren wir darauf emotional, geht es oft nicht um die Sache und es können tiefere Konflikte dahinterstecken. "Ist die Kommunikation dabei zu aggressiv, emotional aufgeladen oder zu lax, betrifft das häufig die Beziehungsebene", erklärt die Psychologin Diana Boettcher. Dann sollten wir uns die Bindung zueinander genauer ansehen.
Hinter dem Vorwurf, die Spülmaschine nicht ausgeräumt zu haben, kann beispielsweise das Gefühl stecken, von der anderen Person nicht genug unterstützt zu werden. Regt sich jemand über die Verspätung des besten Freundes auf, kann dahinter die Befürchtung stehen, der anderen Person nicht wichtig zu sein. Aber was, wenn eine Person Konflikte vermeidet? "Dahinter kann die Angst verborgen liegen, die andere Person zu verlieren", erläutert die Paartherapeutin Diana Boettcher. Deshalb sei es wichtig zu fragen, welche Gefühle benannt oder auch nicht benannt werden. "Hat jemand Verlustangst, ist die Person auch weniger autark und dadurch weniger authentisch. Vermeidet man Konflikte und die Kommunikation, lässt man sich daher auch weniger auf die andere Person ein", ergänzt die Psychologin. Das kann aber auch dazu führen, dass Konflikte irgendwann eskalieren. Werden wir uns also über unsere Gefühle hinter dem Ärger nicht klar und kommunizieren sie nicht deutlich und konstruktiv, kann das eine Partnerschaft, Freundschaft oder die Beziehung zu Familienmitgliedern erheblich belasten.
Streit kann aber auch im Alltag wie im Straßenverkehr oder beim Einkaufen durch banale Anlässe entstehen. Gereiztheit ist oft die Folge von Überlastung und Erschöpfung oder hängt damit zusammen, dass es Menschen nicht gut geht. Eine Studie der Anglia Ruskin University (ARU) in Großbritannien kam 2022 zu dem Ergebnis, dass es auch einen Zusammenhang zwischen Hunger und negativen Gefühlen wie Ärger gibt. Bereits im Jahr 2001 wurde auch ein Zusammenhang zwischen Hitze und Aggressionen von der Universität Iowa in den USA nachgewiesen.
Audio: Wie ihr Konflikte angehen könnt
Das Eisberg-Modell: Kommunikation hat zwei Ebenen
Kommunikation hat eine bewusste und eine unbewusste Ebene, was oft zu Missverständnissen führt.
Das Eisberg-Modell zeigt, warum es so oft zu Missverständnissen und Streit kommt, wenn wir miteinander reden. Wie ein Eisberg hat Kommunikation zwei Ebenen, eine bewusste und eine unbewusste. Auf der sogenannten Sachebene tauschen wir per Sprache bewusst Informationen aus. Das ist vergleichbar mit der Spitze eines Eisberges, die aus dem Wasser ragt. Auf der Beziehungsebene tauschen wir unbewusst Gefühle, Erfahrungen, Traumata, Instinkte und Werte aus, was sich auch in unserer Körpersprache (Gestik, Mimik, Tonfall) widerspiegelt. Die Beziehungsebene entspricht dem größeren Teil des Eisbergs, der unsichtbar unter der Wasseroberfläche liegt. 20 Prozent der Kommunikation findet auf der Sachebene statt, 80 Prozent auf der Beziehungsebene. Weil wir das Verhalten anderer gefiltert durch unsere Brille wahrnehmen, kann es zu Fehlinterpretationen und Streit kommen. Das Eisberg-Modell beruht unter anderem auf den Erkenntnissen des Psychoanalytikers Sigmund Freud.
Gesundheit: Warum uns Streit und Ärger schaden
Streitereien haben negative Folgen für die Gesundheit. Aber auch, wenn ihr Ärger unterdrückt, kann das eurer Gesundheit schaden.
Klopft euer Herz beim Streiten schneller, rast euer Puls vor Ärger und schnellt euer Adrenalin-Spiegel in die Höhe? Studien zeigen tatsächlich, dass Streit ein Stressfaktor ist und sich negativ auf die Gesundheit auswirkt: Forscher in den USA kamen in einer Studie aus dem Jahr 2014 zu dem Ergebnis, dass anstrengende zwischenmenschliche Beziehungen das Risiko für einen Herzinfarkt steigen lassen. Eine Studie von der Universität Kopenhagen aus dem Jahr 2014 kam sogar zu dem Schluss, dass das Sterberisiko selbst bei Streit in Beziehungen jeder Art zwei- bis dreifach erhöht ist. Aber auch falsche Harmonie und das Unterdrücken von Konflikten kann gesundheitliche Folgen haben: In einer Langzeitstudie fanden Forschende der Universität Stockholm 2011 heraus, dass Mitarbeiter, die sich am Arbeitsplatz unfair behandelt fühlen und dies nicht zeigen, häufiger Herzerkrankungen erlitten. Eine weitere Studie der Universität Frankfurt am Main aus dem Jahr 2010 zeigte außerdem, dass der Blutdruck von Call-Center-Mitarbeitern, die positive Emotionen wie Lächeln vortäuschen mussten, anstieg. Auch deshalb ist es wichtig, Ärger nicht zu unterdrücken, Emotionen nicht zu bagatellisieren, sie zu benennen und Konflikte konstruktiv zu lösen.
Eskalationsspirale: So spitzen sich Konflikte zu
Ein Konflikt kann sich immer weiter zuspitzen. Deshalb ist es wichtig, dass ihr die Eskalationsspirale rechtzeitig durchbrecht.
Der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Glasl hat analysiert, wie Konflikte eskalieren können. In seinem Modell "Treppe des Abgrundes" hat er neun Eskalationsstufen und drei Ebenen in einem Konflikt dargelegt. In der ersten Stufe sind beide Parteien noch in einer Win-Win-Situation: Erste Meinungsverschiedenheiten verhärten sich, Debatten bleiben erfolglos und Handlungen werden provoziert. Beide Seiten können noch gewinnen und der Konflikt kann noch gelöst werden. Auf der zweiten Ebene handelt es sich bereits um eine Win-Lose-Situation, in der eine Seite im Vorteil ist. In dieser Phase des Konfliktes werden Verbündete gesucht, die jeweils andere Seite wird abgewertet und diskreditiert. Hier kann schon Hilfe von außen nötig werden. Auf der dritten Ebene wird eine Lose-Lose-Situation erreicht: Dabei kommt es zur direkten Konfrontation. Ab dieser Stufe muss durch Dritte interveniert werden.
Die "Treppe des Abgrundes" nach Glasl beschreibt, wie sich Konflikte in verschiedenen Stufen verschärfen und schließlich eskalieren können.
Das Modell wurde für das Konfliktmanagement in Unternehmen entwickelt, kann aber auch auf zwischenmenschliche Beziehungen und internationale Konflikte angewendet werden.
Kompromisse finden: Streiten hat auch etwas Positives
Meinungsverschiedenheiten können auch positiv sein: Ihr lernt andere Standpunkte und verschiedene Perspektiven kennen.
Nicht immer aber sind Streitereien, Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten schlecht: "Wenn wir Konflikte austragen, kann auch deutlich werden, dass jemand nicht mehr den gleichen Weg geht", sagt Psychologin Diana Boettcher. Das kann sowohl zwischenmenschliche Beziehungen mit Freunden oder Bekannten als auch Partnerschaften betreffen. Durch Streit und Debatten mit anderen Menschen lernen wir aber auch Perspektiven und andere Standpunkte kennen und können vielleicht von etwas überzeugt werden oder selbst jemanden überzeugen. Auch eine Demokratie lebt davon, verschiedene Meinungen und Positionen zuzulassen und sich um Mehrheiten und Kompromisse zu bemühen. Die Streit- und Debattenkultur ist in den letzten Jahren allerdings deutlich aggressiver geworden: Dem Forum für Streitkultur zufolge ist die Sprache sowohl im Netz als auch auf der Straße und in politischen Debatten roher und polarisierter als noch vor einigen Jahren. Eine dänische Studie kam bereits 2015 zu dem Ergebnis, dass junge Menschen Debatten mit Familienmitgliedern oder Freunden eher vermeiden, wenn diese eine andere politische Meinung als sie selbst vertreten. Um wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, ist es deshalb wichtig, respektvoll zu debattieren, zu diskutieren oder zu streiten.
Konstruktiv Streiten: Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg
Im Fokus der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg steht das Verständnis füreinander.
Marshall B. Rosenberg (1934-2015) studierte zunächst an der Universität von Wisconsin, bevor er 1984 das "The Center for Nonviolent Communication" gründete. Der US-amerikanische Psychologe ging davon aus, dass der Hang zu Gewalt nicht angeboren, sondern im Zuge des Menschheitsgeschichte anerzogen ist. Mit der gewaltfreien Kommunikation entwickelte Rosenberg Techniken, durch die Menschen durch ihre Art des Denkens, Sprechens und des Handelns mehr Verständnis füreinander gewinnen sollen. Im Fokus stehen die Kommunikation im Alltag von Menschen und in zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere von Familien, zwischen Freunden und Paaren, aber auch Konflikte zwischen größeren Gruppen. Die zwei Fragen, die wir uns stellen sollen, lauten: "Was ist in dir lebendig?". Und: "Was kann ich tun, um das Leben für dich schöner zu machen?". Im Zentrum stehen dabei das Zuhören und das Beobachten - ohne einander zu beurteilen. Außerdem sollen wir lernen, Kenntnisse über unsere Gefühle und Bedürfnisse zu entwickeln und Bitten statt Forderungen zu formulieren. "In der gewaltfreien Kommunikation geht es nicht darum, dass jeder seine Wünsche und Bedürfnisse durchsetzt oder wir immer Kompromisse finden. Es geht darum, einander zu verstehen und miteinander zu kooperieren. Allerdings kann einer alleine nicht dazu beitragen. Die andere Seite muss ebenfalls mitmachen, sonst hat gewaltfreie Kommunikation wenig Aussicht auf Erfolg", erläutert Psychologin Diana Boettcher.
Video: Wie ihr Konflikte ohne Streit friedlich löst
Streit zwischen Paaren: Wie Konflikte in Beziehungen eskalieren können
Streitereien und Zoff in Paarbeziehungen kreisen oft um Alltagsthemen. Dahinter können aber auch tiefere Konflikte liegen.
Einer Online-Umfrage von Statista zufolge streiten Paare in Deutschland hauptsächlich über vordergründig banale Themen wie "Unordnung", "zu viel Zeit am Smartphone" und "Unpünktlichkeit". Erst danach werden schwerere Streitpunkte wie "zu wenig Austausch" oder "Eifersucht" genannt. Der US-amerikanische Mathematiker und Psychologe John M. Gottman (* 1942) von der Universität Washington und seine Ehefrau, die Psychologin Julie Schwartz Gottman, untersuchten zahlreiche Paare in Langzeitstudien. Anders als Marshall B. Rosenberg mit seiner Methode der gewaltfreien Kommunikation ist Gottman nicht der Meinung, dass Zuhören und streitfreie Harmonie entscheidend für lange Beziehungen sind. Dem bekannten Paartherapeuten zufolge kann auch in glücklichen Beziehungen sowohl ab und zu gestritten, als auch ein Konflikt unter den Teppich gekehrt werden. Das sei nicht ausschlaggebend, wie lange eine Beziehung hält.
Auf seinen Langzeitstudien mit Paaren aufbauend, hat Gottman vier Aspekte herausgearbeitet, die das Ende einer Beziehung nach sich ziehen können: die sogenannten vier apokalyptischen Reiter. Befindet sich ein Paar in dieser Spirale, sei es Gottman zufolge schwierig, sich wieder einander zuzuwenden.
- Als ersten apokalyptischen Reiter nennt Gottman die Kritik: Anders als eine Beschwerde ziele Kritik nicht auf eine Handlung ab, sondern kritisiere die gesamte Person.
- Der zweite Reiter ist nach Gottman die Verachtung, die Handlungen wie sarkastische und zynische Bemerkungen, Augenrollen und respektlosen Humor miteinschließe.
- Der dritte Reiter stellt die Rechtfertigung dar, mit der man das Problem dem Partner lediglich zurückspielt.
- Als vierten Reiter bezeichnet Gottman das Mauern eines Partners, das unter Männern stärker verbreitet sei. Unklar ist dabei, ob dies auf stereotype Rollenbilder und Erziehung zurückzuführen ist, oder ob es auch eine biologische Komponente gibt. Beim Mauern ziehe sich der andere zurück und entfliehe so einem Konflikt.
Glückliche Paare sorgen dafür, dass die Spirale aus Negativität nicht außer Kontrolle gerät und zeigen sich häufiger ihre Bewunderung.
Die Basis einer guten Beziehung sei laut Gottman Freundschaft. Der Psychologe empfiehlt, Negativität in der Kommunikation nicht Oberhand gewinnen zu lassen. Eine geheime Waffe von glücklichen Paaren sei jede Botschaft und Handlung, und sei sie noch so albern, die verhindert, dass die Negativität außer Kontrolle gerät. Der Psychologe empfiehlt außerdem, sich selbst und den anderen durch gezielte Fragen besser kennenzulernen, Zuneigung und Bewunderung für den anderen auszudrücken und sich zunächst den lösbaren Konflikten zuzuwenden. "Nachdem die Gottmans ihre Forschung betrieben und veröffentlicht haben, haben andere Forscher wie Sue Johnson den Fokus auf die Bindungsbeziehung in einer Partnerschaft gelegt", erklärt Paartherapeutin Diana Boettcher. Das Mauern kann beispielsweise auch auf unsichere Bindungsmuster zurückzuführen sein, die sich durch äußere Faktoren wie Stress verstärken.
Video: Wie streitet man in der Partnerschaft richtig?
Tipps: Wie ihr konstruktiv mit anderen Menschen streitet
Vor oder nach dem Streit:
- Wenn ihr Ärger und Wut verdrängt, können Konflikte leichter eskalieren. Um ins Gespräch miteinander zu kommen, solltet ihr deshalb zunächst die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und sie kommunizieren.
- Achtsamkeits- und Atemübungen können helfen, Emotionen und Ärger zu entschärfen: Beispielsweise könnt ihr vor einer Konfrontation oder Aussprache einige Male tief durchatmen.
- Empathie kann Streit verhindern: Wenn ihr euch vorher überlegt, was die andere Person fühlt und braucht, bildet ihr euch nicht sofort eine Meinung über sie. Wechselt dafür mal die Perspektive: Verstehen wir die Gründe für das Verhalten einer Person, kann der Ärger darüber verdampfen.
- Verspürt ihr Wut, solltet ihr darüber nachdenken, welches Bedürfnis nicht erfüllt ist, statt dem Ärger gleich Luft zu machen.
- Denkt jeden Tag einige Minuten darüber nach, wie ihr mit euch selbst und anderen Menschen umgehen möchtet.
- Hinterfragt, ob ihr genauso daran interessiert seid, die Wünsche anderer zu erfüllen wie eure eigenen.
- Könnt ihr die Schwächen von anderen akzeptieren, nennt sich das resignative Reife. Niemand ist perfekt. Wir alle haben Fehler und scheitern manchmal. Das kann auch eine Chance sein, daraus zu lernen.
- Der Psychologin Diana Boettcher zufolge können auch Pausen helfen, einen Streit zu deeskalieren. Vertagen wir einen Konflikt, bedeutet das nicht, sich aus dem Konflikt rauszuziehen. Das sollte man auch deutlich kommunizieren und der anderen Person eine Rückversicherung geben. Zum Beispiel könnt ihr sagen: "Du bist mir wichtig, aber wir reagieren gerade emotional. Lass uns später noch einmal darüber sprechen."
Im Streit:
- Statt zu sagen, was ihr nicht wollt, könnt ihr sagen, was ihr euch von einer Person wünscht. Wenn ihr eine Bitte statt eine Forderung formuliert, fällt es der anderen Person oft leichter, eurem Wunsch nachzukommen. Denkt auch darüber nach, was euch daran hindert, auf eine Bitte mit "Ja" statt mit "Nein" zu reagieren.
- Vermeidet es, im Streit persönlich zu werden und zu pauschalisieren: Dafür ist es sinnvoll, zwischen einer Person und ihrer Handlung zu unterscheiden.
- Wenn ihr alte Konflikte im Streit wieder hervorholt und Vorwürfe macht, kann das den Konflikt verschärfen. Deshalb solltet ihr dies eher vermeiden, es sei denn, etwas Wichtiges muss noch einmal gesagt werden. Auch solltet ihr in einer Debatte beim Thema bleiben und nicht noch andere Streitpunkte aufgreifen.
- Um sicher zu sein, dass ihr jemanden richtig verstanden habt, könnt ihr wichtige Punkte zusammenfassen, indem ihr sagt: "Wenn ich dich richtig verstanden habe, sorgst du dich, weil ... ."
- Belehrt euer Gegenüber nicht, sondern versucht, euren Standpunkt mit Argumenten zu begründen. Stürzt euch dabei nicht auf die Schwächen in der Argumentation des anderen, sondern weist auf widersprüchliche Stellen sachlich hin.
- Wichtig ist es, in einem Streit, die eigenen Grenzen oder die eines anderen, auch für die Lösung eines Konfliktes, nicht zu übergehen.
- Ihr könnt die Ernsthaftigkeit eines Streites etwas entschärfen, indem ihr Witze einstreut oder auch ansprecht, dass ihr gerade sehr aufgebracht seid.
Quellen: Center for Nonviolent Communication (CNVC) / Forum für Streitkultur
Zitat: Genauer hinschauen, warum wir so emotional reagieren
"Es gibt zwar Theorien, wie man gut streitet, aber sie helfen oft nicht bei der emotionalen Regulierung. Dabei können Techniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung hilfreich sein. Emotionale Muster können sich jedoch bereits stark verfestigt haben. In Streit- und Stresssituationen merken viele Menschen dann, dass sie immer wieder emotional und verletzlich reagieren. Dann macht es Sinn, in einer Therapie genauer auf die Gefühle und Muster dahinter zu schauen."
Diana Boettcher, Psychologin und Paartherapeutin, Berlin
Konfliktforschung: Kann man richtiges Streiten lernen?
Streitereien können belastend sein: Aber wir können richtiges Streiten und einen konstruktiven Umgang mit Konflikten lernen.
Zwar gibt es theoretische Tipps für richtiges Streiten wie die gewaltfreie Kommunikation von Marshall B. Rosenberg und zahlreiche Beziehungsratgeber. Im echten Leben können die Situationen aber oft festgefahren sein: Wenn es zu Zoff in Familien, mit Partnerinnen und Partnern, in Freundschaften oder am Arbeitsplatz kommt, hilft es dann oft, einen neutralen Konfliktberater hinzuzuziehen. Hilfe findet ihr beispielsweise bei Familienberatungen, Paartherapeuten oder in Rahmen von Coachings. "Beratungsprozesse wie diese können uns unter anderem auch dabei helfen, herauszufinden, ob es Sinn für uns macht, eine problematische Beziehung zeitweise oder langfristig aufzulösen", erklärt die Psychologin Diana Boettcher.
Wollt ihr hingegen in (politischen) Diskussionen besser argumentieren, könnt ihr in einem Debattierclub Argumentationstechniken lernen und in Debatten anwenden.
Quellen und Sendungen: Mehr zum Thema Streitkultur und Konfliktlösung
- "Schöner streiten - funktioniert gewaltfreie Kommunikation?": ARD alpha, 06.11.2024, 15.00 Uhr
- "Zwischen Wut und Liebe: Wie streiten wir richtig?": alpha-thema: Konfliktforschung, ARD alpha, 28.05.2024, 09.45 Uhr
- "Streiten lernen: So löst Du Konflikte im Job": Dreimal besser - der konstruktive Info-Podcast von BR24, 11.11.2023, 14.05 Uhr
- "Gut streiten - Was hilft, wenn‘s eng wird?": Wie wir ticken - Euer Psychologie-Podcast, SWR, 04.10.2023
- "Spezial: Streiten - Es kann so schief laufen!": Quarks Daily - Dein täglicher Wissenspodcast, WDR, 10.06.2023
- "Konflikte - Wie wir achtsam streiten": Achtsam - Deutschlandfunk Nova, 01.06.2023
- "Richtig Streiten - wie funktioniert gewaltfreie Kommunikation": alles wissen, HR, 13.04.2023, 20.15 Uhr
- "Richtig Streiten - warum ist das so schwierig?": alles wissen, HR, 13.04.2023, 20.15 Uhr
- "Konflikte: Wie wir richtig streiten": Deutschlandfunk Kultur, 15.07.2021
- "Gewaltfreie Kommunikation - Gute Idee, wenig Wirkung?": SWR2 Wissen, 04.01.2020
- Studie: Der Zusammenhang zwischen Hunger und negativen Gefühlen (Anglia Ruskin University, Großbritannien 2022)
- Studie: Hitze verursacht Aggressionen (Iowa State University, USA 2001)
- Studie: Konflikte haben Herzprobleme zur Folge (Carnegie Mello Universität, USA 2014)
- Studie: Schwierige Beziehungen führen zu einer erhöhten Sterblichkeitsrate (Universität Kopenhagen, Dänemark 2014)
- Studie: Konflikte am Arbeitsplatz und Gesundheitsrisiken (Universität Stockholm, Schweden 2011)
- Studie: Unterdrückter Ärger und Gesundheitsrisiken (Goethe-Universität Frankfurt am Main 2010)
- Forum für Streitkultur (forum-streitkultur.de)
- Studie: Junge Menschen scheuen Debatten mit andersdenkenden Familienmitgliedern oder Freunden (University of Southern Denmark, Dänemark 2015)
- "Marshall B. Rosenberg: The Center for Nonviolent Communication" (cnvc.org)
- "Online-Umfrage: Streitthemen unter Paaren" (statista.com)
- "The Gottman Institute" (gottman.com/about/the-gottman-method/)
- Gottman, John M.: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. Econ Ullstein Verlag GmbH & Co. KG, München 1999.
- Rosenberg, Marshall B.: Die Sprache des Friedens sprechen - in einer konfliktreichen Welt. Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 2006.
- Seifert, Josef W.: Konfliktmoderation. Ein Leitfaden zur Konfliktklärung. GABAL Verlag, Offenbach 2018.