Positiv denken Wie ihr Optimismus lernt und wann er toxisch wird

Von: Delia Friess

Stand: 09.09.2024

Positiv denken und optimistisch bleiben: Laut der Positiven Psychologie können wir Optimismus lernen. Wann sind Tipps für mehr Zuversicht hilfreich und wann wird positives Denken toxisch?

Junger Mann mit einem traurigen und einem fröhlichen Gesicht. Positiv denken und optimistisch bleiben: Laut der Positiven Psychologie können wir Optimismus lernen. Wann sind Tipps für mehr Zuversicht wirklich hilfreich und wann wird positives Denken toxisch? | Bild: picture-alliance/dpa

"Du kannst nicht negativ denken und Positives erwarten!" oder "Es kommt nur auf deine Einstellung an": Ratgeber, Coachs, Influencer und Influencerinnen versprechen, dass ihr mithilfe des positiven Denkens den Weg zu Zufriedenheit, Weisheit und Glück findet. Was ist dran an der Kraft des positiven Denkens? Können wir Zuversicht lernen oder ist es genetisch bedingt, ob wir ein Optimist oder ein Pessimist sind?

POSITIV DENKEN: Glück und Wohlbefinden durch Optimismus?

Post-its mit Smileys. Positiv denken und optimistisch bleiben: Laut der Positiven Psychologie können wir Optimismus lernen. Wann sind Tipps für mehr Zuversicht wirklich hilfreich und wann wird positives Denken toxisch? | Bild: picture-alliance/dpa

In der Positiven Psychologie geht man davon aus, dass wir Optimismus lernen können.

Woran liegt es, ob wir eher Pessimisten oder Optimisten sind? In der Forschung geht man davon aus, dass rund 50 Prozent unserer Grundhaltung genetisch bedingt sind. Der andere Teil hängt von unserer Umwelt ab, ist erlernt und lässt sich verändern. Der US-Psychologe Martin Seligman, der als Begründer der Positiven Psychologie gilt, verwendet in diesem Zusammenhang den englischen Begriff "Flourishing", auf Deutsch "Aufblühen". Zum Aufblühen eines Menschen trägt das bei, was seine Talente, Stärken, positiven Emotionen und zwischenmenschlichen Beziehungen zum Erblühen bringt. Vor allem steht die Handlungsfähigkeit im Fokus: Wir haben unser Aufblühen selbst in der Hand. Zum Teil ist es individuell verschieden, was unseren Optimismus fördert. Durch Untersuchungen haben Seligman und andere jedoch herausgefunden, dass fünf Elemente zu mehr Wohlbefinden führen. Der Psychologe nennt dies das PERMA-Schema nach den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe Positive Emotions, Engagement, Relationship, Meaning, Accomplishment. Darum geht es:

  • Positive Emotionen: Lenken wir im Alltag unsere Aufmerksamkeit stärker auf positive Emotionen, führt das laut Seligman zu mehr Wohlbefinden. Positive Emotionen können sich auf die Vergangenheit, Gegenwart und auf die Zukunft beziehen: Tätigkeiten, die in dem Moment keine Freude machen, können im Nachhinein positive Emotionen wie Stolz auslösen. Flüchtige Momente des Spaßes, aber auch kleinere Ereignisse, die uns erfreuen und auf die wir stärker unsere Aufmerksamkeit richten, können zu mehr Wohlbefinden beitragen. Das können scheinbar belanglose Momente wie ein Vogelzwitschern oder ein Sonnenuntergang sein. Auch auf die Zukunft gerichtete positive Emotionen können zu mehr Optimismus verhelfen, zum Beispiel wenn wir Vorfreude auf etwas empfinden. Laut der US-Psychologin Barbara Fredrickson kann der Fokus auf positive Emotionen sowohl die Wahrnehmung erweitern, als auch eine Aufwärtsspirale zur Folge haben. Das bedeutet: Fokussiert ihr eure Aufmerksamkeit häufiger auf positive Emotionen im Hier und Jetzt, kann euch das auch in der Zukunft zufriedener und resilienter machen. Eine Studie der Universität Trier aus dem Jahr 2020 zeigte, dass positive Emotionen nachweislich das Wohlbefinden verbessern und sogar das Stresslevel und Risiko für Burn-out sinken lassen können.
  • Engagement: Damit ist eine Tätigkeit gemeint, in der ihr völlig aufgeht und bei der die Zeit verfliegt. Dieser Zustand wird als "Flow"-Erfahrung bezeichnet. Welche Tätigkeit zu einer "Flow"-Erfahrung führt, ist individuell verschieden: Es kann sein, dass ihr beim Spielen eines Instruments, während des Sporttrainings oder beim Basteln völlig abschalten könnt. Die Tätigkeit sollte euch allerdings nicht unterfordern und auch nicht überfordern.
  • Soziale Beziehungen: Freundschaften, Beziehungen und soziale Interaktionen sind entscheidend für unser Wohlbefinden und mindern sogar das Risiko an Depressionen zu erkranken. Auch die Glücksforschung geht davon aus, dass vor allem intakte Beziehungen, zum Beispiel zu euren Eltern, Kindern und Partnerinnen und Partnern, zu mehr Zufriedenheit führen.
  • Sinn-Erleben: Sinn-Erleben bezieht sich auf etwas, das euch mit Sinn erfüllt und das eine größere Bedeutung hat als ihr selbst. Das kann zum Beispiel die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder eine Tätigkeit sein, aus der ihr Sinn zieht. Es kann sich aber auch um Werte handeln, die ihr lebt.
  • Leistung: Damit sind Erfolgserlebnisse gemeint. Leistung bezieht sich dabei nicht nur auf Erfolge im Arbeitsleben und Bildungswesen: Auch wenn ihr kleinere Ziele erreicht oder Einheiten abschließt, kann sich ein Gefühl von Wohlbefinden und Zufriedenheit einstellen. Habt ihr zum Beispiel eure Garage endlich aufgeräumt oder den Abwasch erledigt, kann das ein positives Gefühl auslösen. Übrigens: Sobald Grundbedürfnisse wie Essen oder Wohnen erfüllt sind, führt Geld nicht zu mehr Zufriedenheit im Leben.

Video: Was kann positives Denken bewirken?

Positives Denken: Ein einfacher Weg zu mehr Zufriedenheit?

Definition: Unterschied Positives Denken und Positive Psychologie

Die Begriffe "Positives Denken" und "Positive Psychologie" sind nicht das gleiche. Positives Denken ist ein kleiner Teil der Positiven Psychologie. Die Positive Psychologie als "Wissenschaft des gelingenden Lebens" beruht auf empirischen Untersuchungen. Sie geht davon aus, dass wir im Laufe der Evolution gelernt haben, negativ zu denken, um Gefahren vorauszusehen und zu überleben. Mithilfe der Positiven Psychologie sollen wir den Fokus wieder stärker auf positive Gedanken und Emotionen lenken, ohne negative Gedanken und Gefühle auszuschließen. Es geht darum, eine Balance zwischen positiven und negativen Gefühlen herzustellen. Positives Denken kann in schwierigen Situationen wie Lampenfieber durchaus helfen. In der Positiven Psychologie ist positives Denken aber nicht dogmatisch. Glaubenssätze wie 'Don't worry, be happy' oder 'positive Gedanken an das Universum' sind wissenschaftlich nicht haltbar.

Zitat: Positive Psychologie richtet sich nur an gesunde Menschen

"Die Hinweise aus der Positiven Psychologie richten sich an gesunde und nicht an psychisch erkrankte Menschen. Bei gesunden Menschen können sie ein höheres Maß an Wohlbefinden hervorbringen. Bei Lebenskrisen, schweren Erkrankungen und Schicksalsschlägen sollten die Betroffenen sich in professionelle Behandlung begeben."

Michaela Brohm-Badry, Lernforscherin mit den Schwerpunkten Motivation und Positive Psychologie, Universität Trier

Zuversicht trainieren: Was bringen Tipps zum positiven Denken?

Laut der Positiven Psychologie sollen bestimmte Routinen und Übungen helfen, dass wir glücklicher werden. Die Studienlage ist jedoch nicht eindeutig: Es gibt zwar Hinweise, dass die Methoden zufriedener machen, aber auch Kritik aufgrund unzureichender Belege und der Methodik einiger Studien.

Lenkt eure Aufmerksamkeit auf positive Emotionen: Der Positiven Psychologie zufolge könnt ihr dafür sorgen, häufiger und bewusster positive Emotionen zu erleben. Wenn ihr öfter etwas unternehmt, das euch Freude bereitet oder euch interessiert, kann das positive Emotionen auslösen. Laut der US-Psychologin Barbara Fredrickson, die zu positiven Emotionen geforscht hat, geht es aber nicht darum, das Leben komplett auf positive Emotionen auszurichten oder Spaß zu suchen. Selbst einen Tag permanent positiv zu denken, sei schwierig. Stattdessen soll man seine Aufmerksamkeit bewusst auf positive Emotionen lenken, die man in kleinen Momenten erlebt. Das ist individuell unterschiedlich: Das können eine Kaffeepause oder auch mehrere bewusste Atemzüge an der frischen Luft sein. Fredrickson zufolge lohne es sich, positive Emotionen zu kultivieren, weil sie auch langfristig zu psychologischem Wachstum und Wohlbefinden führen können.

Ist es sinnvoll, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen? Ein Dankbarkeitstagebuch ist dazu da, dass ihr euch notiert, was euch an einem Tag gefallen hat und wofür ihr dankbar seid. Das müssen nicht immer große Highlights, sondern können Kleinigkeiten sein, die ihr positiv in Erinnerung habt. Psychologe Prof. Ottmar Braun von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern-Landau empfiehlt außerdem, euch zu überlegen: Welche eurer Stärken haben euch dabei geholfen, dass ihr etwas Positives erlebt habt? Untersuchungen des Psychologen Robert A. Emmons von der Universität Kalifornien zeigten, dass es Hinweise auf positive Effekte eines Dankbarkeitstagebuches gibt: Menschen blickten optimistischer auf Situationen oder in die Zukunft und fühlten sich insgesamt wohler. Allerdings sind die positiven Effekte eines Dankbarkeitstagebuches noch nicht umfassend belegt.

Notiert euch positive Ziele für den Tag: Die Übung nennt sich "positiver Tagesausblick". Notiert euch dafür morgens schöne und positive Momente, die ihr an diesem Tag erleben wollt. Außerdem solltet ihr aufschreiben, was ihr selbst dazu beitragen könnt.

Plant euch bestimmte Tage für bestimmte Themen ein: Eine Übung aus der Positiven Psychologie sieht bestimmte Themen an bestimmten Wochentagen vor. Ihr könnt euch den Montag für Achtsamkeitsübungen reservieren und euch an anderen Wochentagen Zeit für Wellness oder Sport einplanen. Der Freitag ist dafür vorgesehen, jemand anderem eine Freude zu bereiten: Eine nette Geste, ein Besuch oder eine Spende zeigen Mitgefühl und stärken eure sozialen Beziehungen.

Akzeptiert Gefühle und findet heraus, was euch guttut: Ist ein negatives Gefühl da, hat es erstmal seine Berechtigung. Habt ihr Gefühle wie Ärger oder Wut, solltet ihr diese Emotionen nicht verdrängen. Beherrschen euch solche negativen Emotionen, führen sie häufig zu Streit und Unwohlsein. Findet stattdessen heraus, warum ihr negative Gefühle habt und was ihr ändern könnt, um zu mehr Wohlbefinden zu gelangen.

Hilft Lächeln beim Glücklichsein? Wenn ihr lacht, wird der Stoffwechsel angeregt und Glückshormone werden freigesetzt. Lachen ist also nachweislich gesund. Ein angenehmer Nebeneffekt: Auf ein Lächeln bekommt ihr fast immer eine positive Reaktion. Es geht aber nicht darum, sich etwas schönzureden oder zu lügen. Seligman weist in diesem Zusammenhang auf eine Studie der US-Universität Berkeley aus dem Jahr 2001 hin, für die Forscherinnen und Forscher Frauen auf Fotos in einem Jahrbuch Jahrzehnte später über ihre Zufriedenheit im Leben befragten. Die Frauen mit einem authentischen Lächeln, das bis zu den Augen reicht, waren laut Selbstauskunft zufriedener und öfter in langen Ehen als Frauen, deren Lächeln die Forscher als künstlich identifizierten.

Blickt optimistisch, aber nicht naiv in die Zukunft: Zunächst ist es zum Erreichen eines Zieles sinnvoll, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Untersuchungen der Universität Hamburg aus dem Jahr 2018 zeigten jedoch, dass Optimismus nicht reicht, wenn ihr eure Ziele tatsächlich umsetzen möchtet: Ihr solltet auch immer mögliche Hürden bedenken, um vorbereitet zu sein und dann flexibel reagieren zu können.

Führen Achtsamkeitsübungen zu mehr Zuversicht? Achtsamkeitsübungen können euch dabei helfen, optimistischer in die Zukunft zu blicken. Zu diesem Ergebnis kamen 2018 auch Wissenschaftler der Universität Pittsburg in den USA. Auch wenn ihr häufig grübelt oder ihr euch durch Multitasking gestresst fühlt, können Meditation und Atemübungen sinnvoll sein. Spaziergänge in der Natur können euch helfen, Stress zu reduzieren. Diese Übung heißt "Pleasant Walking". Achtet dabei bewusst darauf, was ihr beim Spazierengehen riecht, fühlt, seht und hört. Aber Vorsicht: Achtsamkeitsübungen können auch negative Effekte haben. Eine Studie der Universität Colorado in den USA aus dem Jahr 2021 zeigte, dass Achtsamkeitsübungen bei Personen, die ohnehin Einzelgänger waren, zu mehr Egoismus führen können. Leidet ihr an einer psychischen Erkrankung, solltet ihr die Anwendung von Achtsamkeitsübungen zuvor mit eurem Arzt oder Psychologen besprechen.

Lenkt eure Aufmerksamkeit auf eure Sinne: Ein weiterer Ansatz in der Positiven Psychologie ist die Sinnlichkeit. Das bedeutet: Wir sollen das Leben mit allen Sinnen genießen. Nehmt euch dafür Zeit beim Essen und Trinken. Integriert Auszeiten mit Kunst, Musik und Literatur, die ihr gerne mögt, in euren Alltag. Auch Liebe, Verliebtsein und Sexualität können zu mehr Wohlbefinden und Vitalität beitragen.

Verändert euren Blickwinkel und den Umgang mit schwierigen Situationen: Laut der Lernforscherin Michaela Brohm-Badry könnt ihr euch überlegen, ob eine schwierige Situation auch einen positiven Aspekt hat. Ihr könnt euch auch fragen: "Was würde ich beim nächsten Mal anders machen?"

Bei Krankheiten und Schicksalsschlägen:
Manche Situationen wie schwere körperliche Erkrankungen oder ein Schicksalsschlag lassen sich nicht ändern. Aber ihr könnt euren Umgang mit der Situation verändern. Lasst euch dabei von Fachleuten wie Psychotherapeuten oder in Beratungsstellen unterstützen und sucht euch frühzeitig Hilfe.

Übungen zum Positiven Denken: Für mehr Optimismus in eurem Leben

Zitat: Positive Psychologie geht davon aus, dass jeder Mensch etwas bewegen kann

"Die Positive Psychologie spielt auch in der Bildung eine große Rolle. Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch in seinem Handlungsradius, auch wenn er noch so klein ist, die Möglichkeit hat, etwas zu bewegen und handlungsfähig zu sein. Ein Beispiel sind Bildungsprojekte an Brennpunktschulen. Das schließt aber nicht aus, dass die Startbedingungen von Schülerinnen und Schülern unterschiedlich sein können. Es geht darum, sie darin zu bestärken, ihr Leben in die Hand zu nehmen und es richtig gut zu gestalten."

Michaela Brohm-Badry, Lernforscherin mit den Schwerpunkten Motivation und Positive Psychologie, Universität Trier

Audio: Warum Zuversicht im Leben wichtig ist

Wie wir ticken: Positiv denken - Die Kraft der Zuversicht

Toxische Positivität: Wann kann positives Denken schaden?

Junge Menschen im Hippie-Look machen ein Selfie vor einem VW-Bus. Positiv denken und optimistisch bleiben: Laut der Positiven Psychologie können wir Optimismus lernen. Wann sind Tipps für mehr Zuversicht wirklich hilfreich und wann wird positives Denken toxisch? | Bild: colourbox.com

Positivität kann auch toxisch sein: Studien zufolge verursacht die Selbspräsentation auf Social Media bei Jugendlichen negative Gefühle.

  • Positives zieht uns an. Viele von uns verbinden damit Erfolg, Schönheit und Anerkennung. Die Folgen sind jedoch nicht nur positiv, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfanden: Studien zeigen, dass die Selbstpräsentation auf Social Media Jugendliche unter Druck setzt und negative Gefühle verursacht.
  • Micki McElya, Professorin für Geschichte an der Universität Connecticut in den USA, kritisiert, dass im Konzept der Positiven Psychologie Lebensumstände, die mit Geschlechterungerechtigkeiten, Rassismus und Diskriminierung sowie den Rechten der LGBTQ+-Gemeinschaft verbunden sind, zu wenig berücksichtigt werden. Zudem sei die Forschung von Martin Seligman von religiösen Stiftungen und Organisationen mitfinanziert worden.
  • In der Positiven Psychologie liegt die Verantwortung für das eigene Wohlbefinden stark bei dem Einzelnen: Gesellschaftliche oder soziale Gründe werden weniger berücksichtigt. Laut Kritikern wie Politikwissenschaftler Georg Steinmeyer sei das Konzept der Positiven Psychologie daher auch ideologisch und instrumentalisierbar. In die Kritik geriet die Positive Psychologie auch aufgrund des Leistungsprinzips: Die Optimierung von Menschen und ihrer Arbeitskraft stehe zu stark im Mittelpunkt. Stress und Erschöpfung durch zu hohe Arbeitsbelastung oder Mental Load durch Geschlechterungerechtigkeit komme in dem Konzept zu kurz. Es gibt jedoch Ansätze, die die Definition von "Leistung" im PERMA-Schema nachbessern möchten: Lernforscherin Michaela Brohm-Badry von der Universität Trier plädiert für eine Neuausrichtung des Verständnisses "Leistung" im PERMA-Schema, da es nach dem bisherigen Verständnis den Wettbewerbsaspekt verstärkt und das Risiko für Burn-out und Depressionen erhöht. In der Forschung setzt man sich daher dafür ein, in der Definition von Leistung auch den Aspekt "Wohlbefinden durch Zeit" stärker zu berücksichtigen.
  • Der Aspekt Vitalität, also Bewegung und Körperbewusstsein, wird in neueren Ansätzen im PERMA-Schema ergänzt.
  • Einerseits hat eine optimistische Grundhaltung nachweislich einen positiven Effekt auf die Gesundheit: Optimisten haben auch eine höhere Lebenserwartung. Andererseits hat die Positive Psychologie auch ihre Grenzen: Auf keinen Fall kann die Positive Psychologie ein Ersatz für die Behandlung von körperlichen oder psychischen Erkrankungen sein. In der Forschung spricht man von einem "optimistischem Fehlschluss" oder "naivem Optimismus", wenn Menschen ihr gesundheitliches Risiko geringer als das anderer Menschen einschätzen. Gesundheitsprävention und Vorsorgeuntersuchungen sowie eine ausgewogene Ernährung sind wichtig, wenn ihr gesund bleiben wollt.
  • Kritikerinnen und Kritiker führen an, dass nicht nur positive Emotionen zu psychologischem Wachstum führen können. Auch Frustration und Stress können uns resilienter machen.
  • Macht euch klar, dass Influencerinnen und Influencer, die vermeintliche Lebensweisheiten auf Social Media vermitteln, oft nur Laien sind. Es besteht außerdem die Gefahr, dass empirisch nachgewiesene Methoden aus der Positiven Psychologie mit unwissenschaftlichen Glaubensansätzen vermischt werden.

POSITIV DENKEN: Wo kommt das Konzept der Positiven Psychologie her?

Frau meditiert lachend. Positiv denken und optimistisch bleiben: Laut der Positiven Psychologie können wir Optimismus lernen. Wann sind Tipps für mehr Zuversicht wirklich hilfreich und wann wird positives Denken toxisch? | Bild: picture-alliance/dpa

Die Positive Psychologie ist eine Ergänzung zur klinischen Psychologie und soll gesunden Menschen zu mehr Wohlbefinden verhelfen.

Der US-Psychologe Martin Seligman entwickelte das Konzept der Positiven Psychologie. Er leitete es von Versuchen mit Hunden ab, die er in den 1960er-Jahren durchführte. Seligman versetzte dafür zwei Gruppen von Hunden Stromstößen. In der ersten Gruppe gab er den Hunden die Möglichkeit, sich selbst von den Stromstößen zu befreien. In der zweiten Gruppe hatten die Hunde diese Option nicht. Im Anschluss wurden beide Gruppen von Hunden erneut starken Reizen ausgesetzt. Diesmal hatten beiden Gruppen die Möglichkeit, sich selbst aus der Misere zu befreien. In der ersten Gruppe taten dies die Hunde, wie im ersten Versuch, auch. Die zweite Gruppe von Hunden, die zuvor diese Option nicht gehabt hatte, ergab sich auch diesmal jaulend ihrem Schicksal.

Martin Seligman schloss daraus: Durch Konditionierung lernen Hunde entweder, ihre Situation zu ändern oder passiv zu ertragen. Nach weiteren Untersuchungen kam Seligman zu dem Schluss, dass Menschen sich ähnlich verhalten: Die Erfahrung von Hilflosigkeit führe zum Gefühl von Kontrollverlust und schließlich zum Annehmen der Situation. Der Psychologe nennt dieses Verhalten "erlernte Hilflosigkeit". Michaela Brohm-Badry, Lernforscherin mit den Schwerpunkten Motivation und Positive Psychologie an der Universität Trier, erklärt: "Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit stellt die Frage nach der Freiheit - also die Autonomie eines Lebewesens - in den Mittelpunkt. Und damit eben auch die Dominanz von Eltern, Partnerinnen und Partnern, Chefinnen oder Chefs: Haben wir eine dominante Chefin oder sind in einer Partnerschaft Dominanz ausgesetzt, können wir uns nicht frei entfalten. Motivation ist ein Kind der Freiheit - wenn wir frei entscheiden können, sind wir motivierter und haben mehr Wohlbefinden." Martin Seligman stellte das Konzept der Positiven Psychologie 1998 bei der American Psychological Association (APA) vor. Er kritisierte, dass in der bis dahin verbreiteten klinischen Psychologie ausschließlich die Diagnose und Behandlung von psychischen Erkankungen im Mittelpunkt stand.

Zitat: In der Positiven Psychologie geht es nicht darum, permanent positiv zu denken

"In der Positiven Psychologie geht es nicht darum, permanent positiv zu denken. Evolutionär haben wir gelernt, uns primär auf das Negative zu fokussieren, um mögliche Gefahren vorauszusehen. Wir bezeichnen das als 'negativity bias', also als negative Verzerrung in der Wahrnehmung. Es geht in der Positiven Psychologie darum, den Fokus auch auf positive Aspekte im Leben zu richten und eine Balance zwischen negativen und positiven Emotionen herzustellen und zu halten. Die Positive Psychologie hat nichts mit Esoterik zu tun. In der Esoterik steht der Glaube an etwas im Mittelpunkt, in der Wissenschaft das Wissen. Die Positive Psychologie ist die Wissenschaft dessen, was Menschen, Organisationen und Gesellschaften befähigt, sich bestmöglichst zu entwickeln und aufzublühen. Es geht also um das gelingende Leben auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen."

Michaela Brohm-Badry, Lernforscherin mit den Schwerpunkten Motivation und Positive Psychologie, Universität Trier

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