Gletscher schmelzen Deutsche Alpen bald ohne ewiges Eis
Mehr als die Hälfte der Gletscherfläche in Deutschland ist bereits geschmolzen. Bald könnte von den vier Gletschern, die es heute gibt, nichts mehr übrig sein.
Es gibt nur noch vier Gletscher in den deutschen Alpen: Den Nördlichen Schneeferner auf der Zugspitze, den Höllentalferner im Wettersteingebirge, den Watzmanngletscher und den Blaueisgletscher in den Berchtesgadener Alpen. Dem bislang fünften Gletscher - der Südliche Schneeferner - wurde Ende September 2022 nach einem heißen Sommer der Status als Gletscher aberkannt. Der 2. Bayerische Gletscherbericht des bayerischen Umweltministerium beschrieb bereits Ende April 2021 detailliert den Zustand der Alpengletscher.
Dort wo einst die Eiszungen bis hinunter ins Tal reichten, ist nicht mehr viel geblieben. Die deutschen Alpengletscher, von Hause aus eher kleine Exemplare, sind inzwischen auf Reste zusammengeschmolzen. An diesen Resten nagten die Temperaturrekorde vergangener Jahre und auch 2022 ging das Gletscherschmelzen weiter: Das Eis des Blaueisgletschers, des Nördlichen Schneeferners auf der Zugspitze sowie des Höllentalferners ist erneut deutlich zurückgegangen.
Gründe für die Gletscherschmelze
Dabei sind die deutschen Gletscher nicht so sehr dadurch gefährdet, dass es zu wenig schneien würde, sondern durch die hohen Temperaturen im Sommer: In den Bergen ist es bereits um etwa zwei Grad wärmer geworden. Der Winterschnee auf der Zugspitze schmilzt inzwischen innerhalb eines einzigen Sommermonats weg. Und damit hört die Schmelze nicht auf. Vom Nördlichen Schneeferner fließen pro Minute etwa 500 Liter Schmelzwasser ab.
Neben der Sommerhitze setzte den deutschen Alpengletschern 2022 zusätzlich auch der Saharastaub zu, der sich im März als rötliche Schicht auf Schnee- und Eisflächen abgelagert hatte. Die durch den Staub verdunkelte Gletscheroberfläche wurde von der Sonne stärker erwärmt als sonst. Weil dunklere Flächen mehr Energie des Sonnenlichts aufnehmen, beschleunigte das die Eisschmelze.
Gletscherreste von der Größe der Münchner Theresienwiese
Die Gesamtfläche der verbliebenen vier deutschen Gletscher beträgt inzwischen nur noch gut vierzig Hektar. Das entspricht etwa der Fläche der Münchner Theresienwiese. Der Nördliche Schneeferner und der Höllentalferner sind mit jeweils etwa 16 Hektar Fläche die beiden größten Gletscher. Vom Watzmanngletscher und dem Blaueis sind jeweils nur fünf Hektar große Eisflecken geblieben. Für Wissenschaftler ist es allerdings schwierig die genaue Größe des Gletschereises des Watzmanns zu bestimmen, da er in einer Mulde liegt und zum Teil von Geröll bedeckt ist.
Eis über Jahrzehnte stark geschmolzen
Noch Ende des 19. Jahrhunderts waren die deutschen Gletscher viel größer: Allein der Nördliche Schneeferner auf der Zugspitze hatte damals eine Flächenausdehnung von über hundert Hektar - deutlich mehr als doppelt so viel wie die heute verbliebenen vier Gletscherflächen zusammen. Doch das war nicht lange nach der sogenannten Kleinen Eiszeit, die vom 16. Jahrhundert bis etwa 1850 herrschte.
Zur Mitte des 20. Jahrhunderts maß der Gletscher immerhin noch knapp vierzig Hektar - fast doppelt so viel wie 2015. Auch der Südliche Schneeferner - der seinen Gletscherstatus inzwischen verloren hat - bedeckte 1950 noch über zwanzig Hektar. Die steigenden Temperaturen durch den Klimawandel werden selten so deutlich sichtbar wie am nicht mehr ewigen Eis.
Wissenswertes über Alpengletscher
Definition
Was sind Gletscher eigentlich?
Ein Gletscher ist ein Eisfeld, das vor allem aus verdichtetem Schnee besteht. Gletscher bilden sich dort, wo jährlich mehr gefrorener Niederschlag fällt als schmilzt. Gletscher werden durch Schneefall genährt, in Sommermonaten zehrt dagegen die Schmelze am Eis.
Vorkommen
Gletschervorkommen
Bei uns gibt es Gletscher nur in großen Höhen in den Alpen. In sehr kalten Regionen wie in Grönland oder am Südpol reichen Gletscher aber auch ins Flachland bis ans Meer.
Eiszeit
Dichte Eisschichten in der Eiszeit
Während der Eiszeiten waren die Alpen fast vollständig vergletschert. Einzelne Eismassen erreichten dabei Dicken von über einem Kilometer. Heute finden sich nur noch einzelne Gletscher, und die leiden unter dem Klimawandel.
im Fluss
Gletscher im Fluss
Die Gletscher der Alpen bewegen sich fortlaufend talwärts und formen dabei im Verlauf von Jahrtausenden die Landschaft.
Ferner
"Gletscher" oder "Ferner"
Der Begriff "Gletscher" stammt vom lateinischen "glacies" (Eis) ab. In Österreich und Bayern heißt der Gletscher oft "Ferner", was vom "Firn" abstammt, dem "vorjährigen" Schnee.
Deutschland
Die vier deutschen Gletscher
In Deutschland gibt es heute noch vier Gletscher: Den Nördlichen Schneeferner auf der Zugspitze, den Höllentalferner im Wettersteingebirge, den Watzmanngletscher und den Blaueisgletscher in den Berchtesgadener Alpen. Dem Südlichen Schneeferner wurde im September 2022 der Status "Gletscher" mangels Masse entzogen.
Gletscher verlieren nicht nur Fläche, sondern vor allem auch Volumen
Der Blick auf die schrumpfenden Flächen der Gletscher in den bayerischen Alpen ist buchstäblich nur oberflächlich, denn das Eis wird vor allem auch immer dünner: Das Volumen der Gletscher sinkt seit Jahrzehnten rapide. So hatte der Nördliche Schneeferner 2015 nur noch ein Viertel der Eismenge von 1950, der Südliche sogar nur noch sechs Prozent der einstigen Eismassen. Vom Blaueis waren 2015 nur noch 15 Prozent des Eisvolumens von 1950 geblieben, vom Höllentalferner immerhin noch fast vierzig Prozent.
Einzig der Watzmanngletscher hat seit 1959 kaum an Volumen eingebüßt: 92 Prozent waren 2015 noch übrig. Aber dieser Gletscher gilt unter Glaziologen als eigentlich schon nicht mehr existent, so wenig Eis ist noch da. Nach der Definition ist ein Gletscher ein fließender Eisstrom, der Watzmanngletscher liegt allerdings in einer Mulde und bewegt sich daher kaum.
Rasante Schmelze
Dreiviertel der Gletschermassen in Deutschland sind in den vergangenen 200 Jahren verschwunden, und die Schmelze legt noch einen Zahn zu: Denn in den Alpen vollzieht sich der Klimawandel noch rascher als anderswo. Hier steigt die Temperatur doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt. Bis zum Jahr 2100 könnte es um weitere drei bis sechs Grad wärmer werden. Kaum eine Chance für die Gletscher. Am längsten könnte noch der Höllentalferner überleben, da er Richtung Nordost liegt und vor Sonneneinstrahlung besser geschützt ist.
"Der Höllentalferner hat eigentlich die besten Aussichten, weil der von sehr großen Felswänden umgeben ist, die spenden Schatten und spielen ihm viel mehr Schnee in Form von Lawinen zu. Er wird wohl der einzige Gletscher in Bayern sein, der in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts noch existiert."
Wilfried Hagg, Ludwig-Maximilians-Universität, München
Gletscherschmelze bei Schneeferner, Blaueis & Co.
Gletscher und Toteis
Gletscherforscher Hans-Peter Schmid vom KIT-Campus Alpin, bezeichnet schon heutzutage den Höllentalgletscher als einzigen echten Gletscher in Bayern, weil sein Eis noch genährt wird. Die drei anderen in Bayern sind für ihn nur Toteis: Ihr Eis bewegt und nährt sich nicht mehr und schmilzt einfach nur noch ab, so der Glaziologe. So zum Beispiel der Zugspitzgletscher, bestehend aus dem Nördlichen und dem Südlichen Schneeferner, der nun kein Gletscher mehr ist. Sein Eis hat aufgehört talwärts zu wandern. Es schwindet einfach mit jedem Sommer etwas mehr, weil es wegschmilzt. Um das aufzuhalten, versuchte man über Jahre, die Schmelze etwas zu verzögern.
Interaktive Karte - es werden keine Daten von Google Maps geladen.
Gletscher in Deutschland: Wo noch ewiges Eis zu finden ist
Abdeckung des Schneeferner-Gletschers
Im Frühjahr verteilen Pistenraupen den vom Winter verbliebenen Schnee auf dem Zugspitz-Gletscher. Der Schnee dient als natürliche Schutzschicht gegen die Sonneneinstrahlung. Von 1993 bis 2012 deckte die Bayerische Zugspitzbahn den Nördlichen Schneeferner zusätzlich mit großen, weißen Plastikplanen ab. Sie sollten besonders diejenigen Zonen schützen, die für den Skibetrieb wichtig sind. In den letzten Jahren schritt die Gletscherschmelze allerdings so schnell voran, dass das Abdecken nicht mehr den gewünschten Effekt hatte. 2013 wurde es daher eingestellt.
Drohender Durst
Rund 5.000 Gletscher gibt es in den Alpen insgesamt. Doch in zwei Jahrzehnten dürfte sich ihre Anzahl halbiert haben. Bis 2100 sagen Forscher der Universität Zürich in einer Studie vom April 2019 sogar einen noch stärkeren Rückgang voraus: Zwei Drittel aller Alpengletscher sollen dann geschmolzen sein. Das träfe aber nur zu, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel einhalten. Erwärmt sich das Klima stärker, dann verschwinden neunzig Prozent der Gletscher in den Alpen.
Schon vorher wird es empfindliche Einbrüche in der Wasserversorgung geben. Denn drei Viertel unserer Süßwasserreserven bestehen aus Eis und Schnee, nur ein Viertel erhalten wir durch Grundwasser, Seen, Flüsse und Niederschläge.
Wenn die Gletscher vermehrt abschmelzen, herrscht zunächst ein Überangebot an Wasser. Doch danach folgt Wasserknappheit: Flussbetten trocknen aus und der Grundwasserpegel sinkt. Mit den Gletschern verlieren wir einen wichtigen Teil unserer Süßwasserreserven.
Das Eis ist nicht immer so pur und rein
Im Schmelzwasser der Gletscher drohen aber auch unsichtbare Gefahren: Durch das Abschmelzen der Gletscher werden Umweltgifte frei, die zwar längst verboten sind, aber über Jahrzehnte im Eis eingeschlossen und damit konserviert waren. So haben Schweizer Forscher in Sedimentbohrkernen des zugefrorenen Oberaarsees im Kanton Bern zahlreiche schwer abbaubare Umweltgifte wie das Insektizid DDT entdeckt. Schmilzt das Eis, werden diese Gifte wieder in Umlauf gebracht.
Das Permafrost der Alpen taut
Nicht nur die weißen Gletscher verschwinden, auch die Permafrostböden in den Alpen tauen mancherorts auf. Der Permafrost hält im Hochgebirge, oberhalb des schützenden Bergwalds, ganze Hänge mit ihren riesigen Mengen an Geröll seit Jahrhunderten in Kältestarre. Sobald die Permafrostböden auftauen, könnten sie ins Rutschen kommen und zu Tal stürzen. Ohne Permafrost beginnen die Alpen an vielen Stellen zu bröckeln. Eine dieser Zeitbomben ist unser größter Berg, die Zugspitze:
Zugspitze - Risikogebiet für Bergstürze
Der große Knall
Die Zugspitze ist mit mehr als 2.900 Metern Deutschlands höchster Berg. Früher war er noch höher - bis vor etwa 3.700 Jahren rund 300 Millionen Kubikmeter Gestein vom Gipfel stürzten. Auf 15 Quadratkilometern verteilten sie sich, bis zum heutigen Garmisch-Partenkirchen. Die Felsblöcke pflügten das Tal um, unter der Grasnarbe stapeln sie sich heute bis zu 50 Meter hoch. "Der Zugspitz-Bergsturz setzt beim Herunterfallen eine riesige Energie frei von Hunderten von Hiroshima-Bomben", meint der Geologe Prof. Michael Krautblatter, der mit seinem Team von der TU München der Zugspitze seit Jahren "auf den Zahn" fühlt, in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk im Jahr 2014.
Permafrost
Ein solcher Bergsturz könnte bei der Zugspitze wieder vorkommen, denn der Klimawandel macht das Hochgebirge instabil: Nicht nur das Eis der Gletscher schmilzt, sondern auch das Eis im Inneren der Berge, der Permafrost. Ein ehemaliger Versorgungsstollen durch den Gipfel war zum Beispiel zum Ende des 20. Jahrhunderts noch komplett vereist, heute ist der Permafrost fast verschwunden. Doch das Eis hält die Felsmassen zusammen wie Mörtel eine Mauer. Schmilzt das Eis, zerfällt der Fels.
Sprengkraft
Schmelz- und Regenwasser können in die eisfreien Klüfte eindringen. Wenn sich die Wassermassen im Fels stauen und hohen Druck aufbauen, könnten ganze Bergflanken abgesprengt werden. Mithilfe eines Gravimeters bestimmen die Wissenschaftler der TU München seit einigen Jahren die Masse der Zugspitze. Ihre Untersuchungen zeigen, dass diese schwankt: Bei Schnee- und Eisschmelze wird die Zugspitze leichter, bei Starkniederschlägen nimmt sie Wasser auf und wird schwerer.
Was die Forscher beim Vergleichen der Daten erschreckt: Insgesamt wird die Zugspitze immer schwerer. Irgendwo im Gipfelbereich scheint sich das Wasser zu stauen. Die Forscher gehen davon aus, dass die hohen Drücke den Fels unter Stress setzen.
Schmiermittel
Die Felslawine vor rund 3.700 Jahren verbreitete sich viel weiter, als sich durch einen normalen Steinschlag erklären ließe. Irgendetwas hat einen Teil des herabstürzenden Gesteins so sehr mobilisiert, dass es bis nach Garmisch gelangte. "Wir denken, ein Grund für diese Mobilisierung könnten Wasser und Schlamm sein, die er aufgenommen hat", vermutet Michael Krautblatter.
Wasser wirkt als Schmiermittel für Erde, Sand und Gestein. Hänge können deshalb nach starken Regengüssen zu einer hochmobilen und zerstörerischen Masse werden. Mit Stromimpulsen, die bis zu 70 Meter tief und mehrere Kilometer weit reichen, "durchleuchten" die Forscher den Boden. Tatsächlich entdeckten sie Hinweise auf Schlamm und Seesedimente im Untergrund, die das Ausmaß des Bergsturzes von einst erklären könnten. Michael Krautblatter und seine Kollegen vermuten: "Es gab hier vielleicht einen Paläo-Eibsee früher. In den ist der Bergsturz gefallen, hat viel Wasser und Schlamm aufgenommen und konnte sich dadurch so gut und so weit bewegen."
Warnsystem
Die Forscher werden ihre Untersuchungen ausweiten. Ziel ist es, ein Überwachungs- und Frühwarnsystem zu schaffen, das einen erneuten Bergsturz vorhersagen kann. Falls ein derart großes Ereignis drohen würde, müssten Tausende von Menschen in Sicherheit gebracht werden. Bislang haben die Forscher keine Hinweise darauf. Kleinere Felspartien könnten sich in nächster Zeit sehr wohl ablösen. Die Zugspitze bleibt unter Beobachtung.