Recycling in Rekordtempo Enzym zersetzt Plastik in Stunden
Forschende der Universität Leipzig haben ein Enzym entdeckt, das PET in bisher unerreichter Geschwindigkeit zerfressen kann. Und da der Kunststoff beim Recyceln auch noch schonend in seine Bestandteile zersetzt wird, entsteht ein Kreislauf.
Die Recycling-Quote in Deutschland konnte kontinuierlich gesteigert werden. Schaut man genau hin, täuschen die Zahlen jedoch, sagen Experten vom WWF: Nicht alles, was in der Recyclingquote genannt wird, fließt auch wieder in Produkte zurück. Hinzu kommt, dass sich das Aufkommen von Plastikverpackungen laut Umweltbundesamt von 1995 bis 2018 auch noch verdoppelt hat. Trotz Recycling ist Plastikmüll also ein Problem für die Umwelt.
Enzym PHL7: ein PET-Kunststoff-Fresser
Bereits seit einigen Jahren wird an "plastikfressenden Enzymen" geforscht. Das bisher leistungsfähigste Enzym schaffte innerhalb von 16 Stunden einen Abbau von 45 Prozent. Das neu entdeckte Enzym namens "PHL7" arbeitet deutlich schneller: Es frisst PET-Kunststoff innerhalb von 16 Stunden und zersetzt es zu 90 Prozent. Entdeckt haben den Vielfraß Forschende der Universität Leipzig. Es laufen auch noch andere Projekte, die eine Lösung für unser Plastikproblem suchen.
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Wieso das Enzym PHL7 schneller arbeitet
Von der PET-Schale (links) bleiben nach dem Enzym-Recycling lediglich Farbstoff und Reste von Schnittkanten zurück.
PHL7 kann nach Angaben der Leipziger Forscher eine Supermarkt-Kunststoffschale für Weintrauben in weniger als 24 Stunden zersetzen. Für das schnelle Ergebnis sei nur ein einziger veränderter Baustein des Enzyms verantwortlich: ein sogenanntes Leucin. Dabei handelt es sich um eine Aminosäure. In einer wässrigen Umgebung und bei einer Temperatur von 65 bis 70 Grad Celsius kann das Enzym dann den Kunststoff auffressen, also in seine Bestandteile Terephthalsäure und Ethylenglycol zersetzen.
Energiesparender Kreislauf: Vorteile des Enzym-Recyclings
Der biologische Abbau von Plastik mit Enzymen wie PHL7 hat Vorteile gegenüber herkömmlichen Methoden wie Schmelzen. Dr. Christian Sonnendecker, analytischer Chemiker an der Universität Leipzig, sieht diese unter anderem im Kreislauf-Gedanken und bei der Energiebilanz: "Der Schmelzvorgang benötigt einen hohen Energieverbrauch. Da ist es unausweichlich, dass das Polymer Kettenbrüche erleidet. Das PET verliert bei jedem Schmelzvorgang an Qualität. Unser Verfahren benötigt deutlich weniger Energie. Wir können das Material komplett in seine Grundbausteine zerlegen. Die Produktqualität des recycelten Plastiks bleibt dann immer auf höchstem Niveau. Es kann theoretisch immer wieder im Kreislauf geführt werden."
Laut Christian Sonnendecker lohnt es sich, die Enzyme weiter zu optimieren, zum Beispiel per Protein-Engineering. Dabei handelt es sich um ein Teilgebiet der Biochemie und Biotechnologie. Nicht nur die Enzymaktivitität soll dadurch verbessert werden, sondern auch die Stabilität, sodass die Enzyme über einen langen Zeitraum hinweg wirken können.
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Recycling treibt Erdöl-Unabhängigkeit voran
Auch andere Forschungprojekte, in denen Machine Learning genutzt wird, können Fortschritte vermelden. Das wäre dann auch für die Industrie interessant und eine Alternative in Zeiten des Ukraine-Krieges, in denen Rohstoffe wie Erdöl knapper werden könnten.
"Solange es günstiger ist, PET aus Erdöl herzustellen, wird sich hier nichts tun. Wird es aber günstiger, das alte PET zu recyceln, dann hätten wir einen großen Vorteil, weil die Industrie von sich aus Interesse hätte, solche Technologien anzuwenden. Deswegen versuchen wir, diesen Prozess hoffentlich in ein paar Jahren so gut hinzubekommen, dass wir großflächig PET mit biologischen Verfahren recyceln können."
Dr. Christian Sonnendecker, analytischer Chemiker von der Uni Leipzig.
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