Kunststoff-Recycling und Müllexporte Plastik: Der Stoff, der unsere Welt verpackt
Kaum ein Material hat im 20. Jahrhundert eine so steile Karriere hingelegt wie Kunststoff. Der große Aufstieg begann in den 1950er-Jahren, als Plastik schick und modern daher kam. Doch heute ist es unser häufigstes Wegwerfprodukt. Und das bereitet große Probleme.
Kunststoff? So ein Müll!
Viele Gegenstände aus Kunststoff haben nur eine kurze Nutzungsdauer, allen voran Verpackungen. Der Abfall, der hier anfällt, ist ein Problem für die Umwelt. Zwar scheint die Recyclingquote stetig zu steigen. Doch Kritiker halten dies für irreführend.
Ex-und-hopp: Soviel Verpackungsmüll aus Plastik produzieren wir
Wir verbrauchen in Deutschland immer mehr Plastikverpackungen. Laut EU-Statistikamt kamen in 2019 auf jeden von uns über 39 Kilogramm Verpackungsmüll aus Kunststoff. Damit liegt Deutschland EU-weit auf Platz 6. Laut Umweltbundesamt hat sich das Aufkommen von Plastikverpackungen von 1995 bis 2018 verdoppelt. Und das lässt die Müllberge in die Höhe wachsen: Eine Studie im Auftrag der Kunststoffindustrie hat ermittelt, dass Verpackungen 59 Prozent der Kunststoffabfälle von privaten und gewerblichen Endverbrauchern ausmachen. Doch warum werfen wir so viel weg? Das liegt unter anderem daran, dass Lebensmittel wie Obst und Gemüse nach wie vor in immer mehr Einwegplastik eingepackt werden und die Quote an Mehrwegflaschen in den vergangenen Jahren stetig gesunken ist.
Fakten: Woher kommt unser Plastikmüll?
Den Großteil des Verpackungsmülls aus Kunststoff verursachen wir Endverbraucher.
Problem für Umwelt und Gesundheit: So schädlich sind Kunststoffe
Die Gesundheits- und Umweltbelastung durch Plastik fängt bereits bei der Produktion an. Die meisten Kunststoffe werden aus fossilen Brennstoffen wie Erdöl und -gas hergestellt. Um sie zu fördern und zu verarbeiten, müssen viel Energie und zum Teil giftige Chemikalien eingesetzt werden. Einige davon sind hormonell wirksam und schädlich für die Gesundheit. Dazu zählen vor allem Weichmacher, die in etlichen Alltagsprodukten aus Plastik enthalten sind. Sie stehen im Verdacht, Krankheiten wie Brustkrebs, Diabetes und Fettleibigkeit zu begünstigen.
Doch nicht nur der direkte Kontakt mit Plastik kann gefährlich sein. Plastik kann auch in unseren Körper gelangen, in Form von Mikroplastik, das wir über die Nahrung aufnehmen. Aber wo kommt das Mikroplastik her? Flüssige Kunststoffe, sogenannte synthetische Polymere wie etwa Silikone, sind in vielen Kosmetikprodukten zu finden, z.B. in Shampoos. Über das Abwasser gelangen sie in die Kläranlagen, wo sie jedoch nicht herausgefiltert werden können. Da Klärschlamm oft als Dünger verwendet wird, landen die Kunststoffe auf unseren Feldern und über die Nahrungsmittel auf unserem Teller.
Duale Systeme: Was passiert mit unseren Plastikverpackungen?
Plastikverpackungen müssen im Gelben Sack entsorgt werden. Den stellen die dualen Systeme zur Verfügung.
Um die Umweltschädlichkeit von Kunststoff zu reduzieren, sollte möglichst viel davon nach Gebrauch wiederverwertet werden. Das funktioniert mit vielen Plastiksorten, solange sie möglichst sortenrein vorliegen. Um das zu gewährleisten, zieht das deutsche Verpackungsgesetz Handel und Hersteller von Kunststoffen zur Verantwortung, Verpackungsmüll zu sammeln, zu trennen und der Wiederverwertung zuzuführen.
Für die fachgerechte Mülltrennung sind die sogenannten dualen Systeme zuständig. Dabei handelt es sich um derzeit zehn Dienstleister, die im Auftrag von Herstellern und Handel die Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verpackungen durchführen. Deshalb müssen wir als Verbraucher unseren Verpackungsmüll vom Restmüll getrennt sammeln, je nach Gegend in der Gelben Tonne, im Gelben Sack oder bei zentralen Sammelstellen.
Der gesammelte Verpackungsmüll kommt in Sortieranlagen, wo er nach verschiedenen Sorten aufgetrennt und zerkleinert wird. Am Ende des Prozesses entstehen große Ballen aus möglichst sortenreinem Plastik, das weiterverwertet werden kann.
Wiederverwertung: Was sagt die Recyclingquote aus?
Ein Teil der Kunststoffabfälle wird recycelt. Doch die gesetzlich vorgeschrieben Recyclingquote wird noch nicht erreicht.
Bei der Verwertung von Plastikverpackungen müssen bestimmte Quoten eingehalten werden, die im Verpackungsgesetz festgeschrieben sind. Seit 2019 muss die jährliche Recyclingquote mindestens 58,5 Prozent betragen. Doch schon in erstem Jahr wurde das Ziel verfehlt. Wie die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung GVM errechnet hat, betrug die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen nur 55,2 Prozent.
Doch was genau wird als Recyclingquote definiert? Gemeint ist damit jener Anteil des Kunststoffes, der stofflich verwertet wird. Dazu wird er nach der Sortierung eingeschmolzen und zu Granulat, dem sogenannten Rezyklat, verarbeitet. Das wiederum dient als Rohstoff für neue Produkte. Der restliche Teil wird energetisch verwertet, also zur Strom- oder Wärmeerzeugung verbrannt.
Recycling: Wie viel Rezyklat landet in neuen Produkten?
Werden also zumindest aus der Hälfte des Plastikmülls neue, hochwertige Kunststoffprodukte? Leider nein! Denn die gemessene Recyclingquote ist eine sogenannte inputorientierte Quote. Diese sagt aus, wie viel Prozent des Kunststoffabfalls nach der Sortierung übrig sind und in Recycling-Prozesse übergehen. Doch das entspricht nicht dem Output, also dem Anteil des Plastikmülls, der zu Rezyklat und schließlich zu neuen Produkten wird.
Laut Umweltbundesamt wurden 2017 nur rund 30 Prozent des angefallenen Abfalls zu Rezyklat verarbeitet. Der Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung spricht für 2016 gar nur von 15,6 Prozent. Grund dafür ist, dass in der Sortieranlage viel Ausschuss anfällt, etwa durch Verschmutzung oder Verpackungen aus Verbundplastik. Dabei sind verschiedene Kunststoffsorten fest miteinander verklebt, können nicht sortenrein getrennt werden und wandern deshalb schließlich auch in die Verbrennung.
Und selbst wenn Plastikmüll zu Rezyklat verarbeitet wird, verliert der Kunststoff meist an Qualität. Das heißt, es können häufig nur minderwertigere Produkte wie Parkbänke, Rohre oder Standfüße für Straßenschilder daraus hergestellt werden, sogenanntes „Downcycling“. Tatsächlich lag 2019 der Anteil der Verpackungen aus Rezyklat bei nur elf Prozent.
Gesagt: „Die Recyclingquote ist irreführend!“
"Die Recyclingquote ist derzeit irreführend, wenn man nicht auch eine Rezyklateinsatzquote mit betrachtet. Sonst bekommt man den Eindruck, dass alles, was in der Recyclingquote genannt wird, wieder zurück in die Produkte fließt, was definitiv nicht so ist."
Laura Griestop, Expertin für Plastikmüll und Kreislaufwirtschaft beim WWF
Müll-Export: Wo landet deutscher Plastikmüll?
Export-Container, gefüllt mit Plastikmüll, im Hafen von Port Klang, Malaysia
Plastiktüten, Obstverpackung, Shampooflaschen: Plastikmüll aus Deutschland landet auch in Fernost. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2018 rund eine Millionen Tonnen Kunststoffabfall vor allem nach Malaysia und, als Transitland, in die Niederlande exportiert. Und obwohl die Müllexportquote seit ein paar Jahren sinkt, ist der Abfall im Ausland laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) ein Problem. Denn wenn Plastikmüll an zertifizierte Anlagen im Ausland geliefert wird, kann er der deutschen Recyclingquote zugerechnet werden. Wie und wo der Müll tatsächlich weiterverarbeitet wird, kann aber oft nicht richtig kontrolliert werden, kritisiert der NABU.
Laut Plastikatlas werden in Malaysia immer wieder illegale Recyclinganlagen errichtet, durch die Schadstoffe in die Umwelt gelangen. Nicht fachgerecht entsorgter Kunststoffmüll landet zudem als Mikroplastik in den Meeren – auch Müll aus Deutschland.
2018 hat China den Import von Kunstoffabfällen gestoppt. Seit 1992 hatte man hier 45 Prozent des weltweiten und sogar 85 Prozent des europäischen Plastikmülls importiert. Seit dem chinesischen Importstopp boomt allerdings der legale und illegale Plastikmüllhandel mit anderen asiatischen Ländern. Nach einem Interpol-Bericht aus dem Jahr 2020 werden Plastikmüll-Exporte vor allem nach Süd- und Südostasien umgeleitet und dort nicht fachgerecht entsorgt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auf illegalen Mülldeponien abgeladen oder verbrannt. Dem Interpol-Report zufolge wird in Vietnam beispielsweise 88 Prozent des Mülls nicht fachgerecht entsorgt, in Indonesien 83 Prozent.
Der Plastikverbrauch ist laut Berechnungen von Interpol in den letzten zehn Jahren explodiert, allein im Jahr 2018 seien etwa 360 Millionen Tonnen Kunststoff-Abfall erzeugt worden. Mindestens acht Millionen Tonnen Plastik landen davon nach Schätzungen jedes Jahr in den Ozeanen.
-> Podcast "Grünphase" hören: Plastikmüll - Abfall und Verpackungen (selbst) recyceln
So geht's: Plastik richtig entsorgen
1. Die korrekte Tonne nutzen
Nur, wenn unsere Verpackungen im richtigen Mülleimer landen, haben sie eine Chance, in den Recyclingkreislauf zu gelangen. Plastik, das in den Restmüll geworfen wird, wird auf jeden Fall verbrannt. Genauso sorgen sogenannte "Fehlwürfe", also in der falschen Tonne entsorgter Müll, oder stark verschmutzte Verpackungen im Gelben Sack oder der Gelben Tonne dafür, dass weniger Kunststoff sortenrein getrennt und weiterverarbeitet werden kann.
2. Das Richtige in die Gelbe Tonne werfen
In die Gelbe Tonne oder den Gelben Sack gehören nur restentleerte Verpackungen aus Kunststoff, aber auch aus Weißblech, Aluminium und Verbundverpackungen wie Getränkekartons. In manchen Kommunen darf auch anderer Müll eingeworfen werden, etwa lose Alufolie oder Kunststoffprodukte, die keine Verpackungen sind, z.B. gebrauchte Zahnbürsten. Das variiert aber je nach Wohnort. Auskunft können hier die kommunalen Abfallberatungen geben.
3. Plastikmüll muss nicht völlig sauber sein
Das hartnäckige Gerücht, man müsse jeden leeren Joghurtbecher sorgfältig ausspülen, stimmt nicht. Komplett auskratzen und den Aluminiumdeckel abtrennen reicht aus.
4. Plastikmüll erst gar nicht entstehen lassen
Wie viel Kunststoff recycelt werden muss, beeinflussen in großem Maße wir Verbraucher durch unser Konsumverhalten. Deshalb lohnt es sich, beim Einkauf auf möglichst wenig verpackte Produkte zu setzen.
5. Augen auf bei Bio- und Mikroplastik
Bioplastik ist keine umweltschonende Alternative für Plastikprodukte. Denn biobasierte Kunststoffe sind größtenteils überhaupt nicht biologisch abbaubar und gehören daher weder auf den Kompost noch in die Biotonne. Zudem sollte man darauf achten, Shampoos und Kosmetika ohne Mikroplastik und synthetische Polymere zu kaufen. Der BUND gibt einen Einkaufsratgeber heraus, in dem die kritischsten Stoffe und Produkte aufgelistet werden.
Mehr Wissen: Quellen und andere Infos
- Plastikatlas von Heinrich-Böll-Stiftung und BUND
- BR Wissen: Wie aus Müll Rohstoffe werden
- Statistisches Bundesamt: Mehrweganteil bei Getränken nimmt ab
- Initiative der Dualen Systeme: Was in den Gelben Sack gehört
- Interpol: Emerging criminal trends in the global plastic waste market
- Naturschutzbund Deuschland (NABU): Export von Plastikabfällen
- Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt: Instrumente zur Steigerung des Rezyklatanteils in Kunststoffverpackungen
- Bundesumweltministerium: Thema Plastikrecycling
- Bundesamt für Justiz: Deutsches Verpackungsgesetz
- eurostat: Verpackungsabfälle nach Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen
- Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung: Recyclingbilanz für Verpackungen 2019
- Puls Reportage: Wie viel Mikroplastik steckt in unseren Kosmetika und Flüssen!?