New Horizons Jenseits von Pluto
Die erste Sonde, die Pluto wirklich nahe kam, war New Horizons: 2015 flog sie mit nur 12.500 Kilometern Abstand an dem fernen Zwergplaneten vorbei und nahm ihn unter die Lupe. Was wir seitdem gelernt haben, ist erstaunlich.
Fast ein Jahrzehnt war New Horizons nach dem Start am 19. Januar 2006 unterwegs, um ihr fernes Ziel am Rande des Sonnensystems zu erreichen: Pluto. Es war nur eine kurze Stippvisite, als die Sonde dann am 14. Juli 2015 mit hoher Geschwindigkeit an Pluto vorbeirauschte.
Die Sonde war nur 12.500 Kilometer von der Oberfläche entfernt und sammelte eifrig Messergebnisse und machte viele Aufnahmen von dem Zwergplaneten und seinen Monden. Es dauerte 15 Monate, bis die Raumsonde am 25. Oktober 2016 alle Daten über eine Distanz von mehr als fünf Milliarden Kilometer zur Erde gesendet hatte.
Fünf Jahre später haben die Forscherinnen und Forscher zahlreiche dieser Daten ausgewertet und unser Bild von Pluto revolutioniert.
Pluto in HD - Animation der schönsten Aufnahmen
Das Video zeigt die schärfsten Bilder, die New Horizons am 14. Juli 2015 von Pluto gemacht hat.
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New Horizons’ Best View of Pluto’s Craters, Mountains and Icy Plains
Dieses Foto hat viele Menschen fasziniert, das "Herz", das beim Vorbeiflug von New Horizons gesichtet wurde. Für die Wissenschaft ist das Herz mehr als nur eine schöne Fotografie, es ist nämlich ein riesiger Gletscher, hauptsächlich aus gefrorenem Stickstoff. Die linke Seite des Herzens heißt Sputnik Planitia und ist völlig kraterlos. Sie hat so viel Masse, dass sie die Drehachse des Pluto verändert hat und den Zwergplaneten zu seinem Mond Charon ausgerichtet hat.
Sputnik Planitia ist eine Kältefalle, das Stickstoffeis hat sich dort angesammelt und ist vier Kilometer dick. Das führt zu einem Ungleichgewicht auf der Oberfläche des Pluto. Dazu kommen die Gezeitenkräfte von Charon, der Pluto umkreist und das hat dazu geführt, dass die Achse des Zwergplanets gekippt ist.
"Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es auf der Oberfläche von Pluto so viele gigantische Risse gibt, die sich über den ganzen Zwergplaneten ziehen."
James Tuttle Keane, Planetenwissenschaftler, Jet Propulsion Laboratory (JPL), Kalifornien
Sputnik Planitias Position war ursprünglich weiter nordwestlich. Sollte sich weiterhin Eis ansammeln, wird das die Ausrichtung des Pluto weiter beeinflussen.
Es könnte sein, dass noch andere Faktoren beigetragen haben, um die Orientierung von Sputnik Planitia zu verändern. Messdaten von New Horizons lassen vermuten, dass sich unterhalb des Eisschildes noch eine weitere Masse befindet: ein Ozean voller Wasser.
"Das war eine außergewöhnliche Entdeckung. Das würde aus Pluto eine Meereswelt machen, genau wie die Erde, Enceladus und Titan es sind."
James Tuttle Keane, Planetenwissenschaftler, JPL, Kalifornien
Es gibt noch weitere Hinweise darauf: Sputnik Planitia entstand wahrscheinlich vor rund vier Milliarden Jahren. Damals schlug ein Objekt aus dem Kuipergürtel auf den Pluto ein. Das Objekt muss einen Durchmesser von 50 bis 100 Kilometern gehabt haben. Es sprengte einen großen Teil der vereisten Kruste des Zwergplaneten ab und hinterließ nur eine dünne, schwache Schicht. Ein unterirdisches Meer hätte die Möglichkeit, die Senke von unten her anzuheben und zu füllen. Später bildete sich darüber die dicke Schicht aus Stickstoffeis.
New Horizons hat Berge, Schluchten, kraterzerklüftete Landschaften und ausgedehnte, glatte Eisebenen erspäht. Die von New Horizons fotografierten Berge recken sich bis zu 3.500 Meter in die Höhe - damit können sie es mit den Rocky Mountains aufnehmen.
Hunderte Kilometer lang erstrecken sich Falten in die Oberfläche des Pluto und sie durchschneiden auch die Eisschicht auf dem Zwergplaneten. Wenn Wasser gefriert, nimmt es mehr Raum ein, das kennt man von Eiswürfeln im Tiefkühlschrank. Dasselbe passiert auf Pluto.
Doch es könnte noch mehr passieren: Wenn die Temperatur sehr niedrig ist und der Druck dagegen sehr hoch, formen die Wassermoleküle sehr dicht gepackte Kristalle, das bedeutet: Das Eis zieht sich wieder zusammen. Modellberechnungen aus den New Horizons Daten haben gezeigt, dass genau solche Umstände auf dem Pluto herrschen könnten.
Aber: Es gibt nicht die entsprechenden geologischen Funde, dass dieses Zusammenziehen stattgefunden hat. Die Forscher gehen darum davon aus, dass der Ozean unter der Oberfläche noch immer dabei ist, zu gefrieren, also noch flüssig ist. So könnten sich die Platten immer noch bewegen.
"Wenn Pluto eine aktive Ozeanwelt ist, könnte es bedeuten, dass es im Kuipergürtel noch andere solcher Welten auf Zwergplaneten geben könnte. Und das würde die Anzahl an Welten in unserem Sonnensystem, auf denen Leben möglich ist, stark erhöhen."
James Tuttle Keane, Planetenwissenschaftler, JPL, Kalifornien
Auf der Erde ist Vulkanismus heiß, geschmolzene Lava dringt aus dem Erdinneren hinauf an die Oberfläche. Auf dem Pluto ist Vulkanismus ganz anders. Es gibt viele Hinweise darauf, dass zu verschiedenen Zeiten seiner Entwicklung kalte "Cryolava" über seine Oberfläche geflossen ist. Das nennt man auch "Cryovulkanismus", also Wasser aus dem Inneren wird an die Oberfläche gedrückt und gefriert dort.
Das könnte zum Beispiel westlich von Sputnik Planitia geschehen sein, in einer Region, die Virgil Vossae heißt. Dort scheint eiskaltes Wasser ausgebrochen zu sein, angereichert mit Ammoniak. Die Cryolava hat die ganze Region bedeckt und rot eingefärbt, vor rund einer Milliarde Jahre.
Plutos Farbenvielfalt hat die Forscher insgesamt verblüfft. Es gibt weiße Eisebenen, aber auch rötliche und leicht bläuliche Landschaften.
Es gibt nur wenige Himmelskörper in unserem Sonnensystem, die Gletscher haben: die Erde, der Mars, ein paar Monde – und Pluto. Östlich von Sputnik Planitia finden sich dutzende Gletscher, meist Stickstoffgletscher, die sich von höher gelegenen Regionen in die Ebene erstrecken und tiefe Täler in die Oberfläche graben.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie sich saisonal verändern: Das Eis verwandelt sich in Gas und umgibt den Zwergplaneten und friert später wieder auf dem Gletscher fest. Darüber hinaus verhält sich Stickstoffeis noch anders als Wassereis. Flüssiger Stickstoff ist leichter als fester, wenn der Gletscher schmilzt, fließt der Stickstoff also nicht nach unten ab, sondern könnte sogar an der höchsten Stelle als Geysir ausbrechen.
Ein großer Teil der Gletscher besteht aber aus Wassereis – und das ist leichter als Stickstoffeis. Das Wassereis "schwimmt" dann auf dem Stickstoffeis, wie ein Eisberg auf der Erde im Meer. Solche "Eisberge" kann man auf einigen Bildern von New Horizons sehen, zum Beispiel auf dem Eispanzer auf Sputnik Planitia.
Wenn man sich die Oberfläche der Ebene Sputnik Planitia in der Vergrößerung ansieht, erkennt man etwas Ungewöhnliches. Ein Netzwerk aus vieleckigen Zellen, jede einzelne mindestens 10 Kilometer im Durchmesser. Sie sind der Beweis, dass der Pluto in seinem Inneren heiß ist.
Die Hitze entweicht über die Oberfläche und erhitzt das Stickstoffeis. Warmes Eis steigt im Zentrum der Zellen auf, während das kühlere Eis an seinen Rändern wieder herabsinkt. Dieses Phänomen ist in unserem Sonnensystem einzigartig.
Auf der Erde haben die Antarktis oder auch Grönland einen großen Einfluss auf das Klima des Planeten. Ebenso ist es auf dem Pluto, hier gibt es einen ausgeprägten täglichen Rhythmus. Das Stickstoffeis auf der Tombaugh Region zum Beispiel liegt innerhalb der markanten Herzform.
Es verwandelt sich im Sonnenlicht von Eis zu Gas und kondensiert in der eiskalten Nacht wieder auf der Oberfläche. Die Windströmungen voller Stickstoff umrunden den Zwergplaneten.
"Plutos Herz kontrolliert diesen Atmosphärenkreislauf."
Tanguy Bertrand, Planetenwissenschaftler, NASA Ames Research Center, Kalifornien
Die Winde bewegen sich überraschenderweise westwärts und damit entgegen der Drehrichtung des Pluto. Sie stoßen auf die bergige Oberfläche an den Rändern von Plutos Herz und führen dort zu Erosion, trotz des sehr geringen Atmosphärendrucks auf dem Zwergplaneten.
Hunderte Dünen erstrecken sich auf über 75 Kilometern westlich von Sputnik Planitia. Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass sie vor relativ kurzer Zeit erst entstanden sind. Damit Dünen entstehen können, benötigt man kleine Teilchen und dauerhaften Wind, der diese Teilchen, zum Beispiel Sand, weitertragen kann.
Wind und Partikel: An dieser Grenzfläche entstehen Wind und Partikel, die die Dünen auf Plutos Oberfläche bilden.
Es ist überraschend, dass das auf Pluto geklappt hat, denn der Zwergplanet hat nur eine geringe Schwerkraft, eine dünne Atmosphäre (nur ein Hundertstel der Erde), ist sehr kalt und mit Eis überdeckt. Die Wassereis-Berge könnten die Teilchen bereitstellen und die Stickstoff-Winde den Transport.
Auf Pluto könnte der "Sand" auch aus Methaneispartikeln bestehen, die mit etwa 30 km/h weiterbewegt werden.
4,5 Milliarden Jahre ist das Sonnensystem alt. Wissenschaftler haben erwartet, dass seit Plutos Entstehung viele größere und kleinere Objekte mit ihm kollidiert sein müssten und Spuren auf seiner Oberfläche hinterlassen hätten. Kleine Einschlagskrater hat New Horizons allerdings nur wenige gefunden, nicht auf Pluto, aber auch nicht auf Charon.
Mittlerweile gehen die Forscherinnen und Forscher auch nicht mehr davon aus, dass frühere Krater durch tektonische Bewegung verschwunden sein könnten. Es gab also einfach wenige kleine Einschläge.
"Das hat uns überrascht, denn das bedeutet, dass es im Kuipergürtel offensichtlich viel weniger kleine Objekte gibt, als bisher angenommen."
Kelsi Singer, Planetenforscherin, Southwest Research Institute, Kalifornien
Auch der Plutomond Charon hat eine überraschende Geologie. Besonders zwei Gebiete haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Blick. Die Ebene Vulcan Planitia, die etwa so groß wie Kalifornien ist und ein hügeliges Gebiet auf der Nordhalbkugel des Charon, Oz Terra.
Beide scheinen durch Cryovulkanismus entstanden zu sein. Ähnliche Phänomene kennt man von anderen eiskalten Monden im Sonnensystem, zum Beispiel von Triton, dem Mond von Neptun, oder den Saturnmonden Tethys, Dione und Enceladus.
Auch die anderen Plutomonde sorgten für Erstaunen. Hydra und Nix reflektieren stark. Die Wissenschaftler nehmen daher an, dass sie mit saubererem Wassereis bedeckt sind als Charon. Wie sie ihre Oberflächen über Milliarden von Jahren so rein halten konnten, das ist ebenfalls noch ein Rätsel.
"Vor New Horizons war Pluto ein unscharfer Fleck im Weltall, heute wissen wir, er ist ein Ort, der sehr komplex aufgebaut ist. Wir waren überrascht von den vielen unterschiedlichen Phänomenen, die wir im Vorbeiflug feststellen konnten."
Hal Waver, Planetenforscher, Johns Hopkins Applied Physics Laboratory, Maryland
New Horizons ist immer noch aktiv, auch nachdem sie Pluto längst hinter sich gelassen hat. Die Sonde ist in den äußeren Regionen unseres Sonnensystems unterwegs, entfernt sich immer weiter von der Sonne und begegnet hin und wieder anderen Himmelskörpern. Am 1. Januar 2019 traf New Horizons auf das Objekt "Ultima Thule", dem die NASA inzwischen den offiziellen Namen Arrokoth gegeben hat. Hier sehen Sie, wo sie sich mittlerweile befindet.
Die Raumsonde New Horizons hat auch Asche des 1997 verstorbenen Pluto-Entdeckers Clyde Tombaugh an Bord.
New Horizons war die erste Raumsonde, die Pluto besucht hat. Da sie bei ihrem Vorbeiflug etwa 13,8 Kilometer pro Sekunde zurücklegte, dauerte die "heiße Phase" der Mission nur wenige Stunden. In dieser Zeit sammelten die sieben wissenschaftlichen Geräte an Bord der klaviergroßen Raumsonde so viele Daten wie möglich über Pluto und seine Monde. Zu den Instrumenten gehören die Teleskopkamera LORRI (Long Range Reconnaissance Imager) und "Ralph". Diese Spezialkamera hatte die Aufgabe, Pluto und Charon im sichtbaren und infraroten Spektrum kartieren.
Ziel der am 19. Januar 2006 gestarteten Mission New Horizons war es, möglichst viele Informationen über den Zwergplaneten Pluto zu gewinnen. Sie sollen zu neuen Erkenntnissen verhelfen, wie unser Sonnensystem entstanden ist und wie es sich entwickelt hat. Die NASA plante schon jahrzehntelang eine Mission an den Rand des Sonnensystems. Am Schluss hatten es die Weltraumforscher sogar etwas eilig: Denn Pluto ist auf seiner stark elliptischen Bahn unterwegs zum sonnenfernsten Punkt seines Orbits.
Diesen erreicht er zwar erst im Jahr 2113, doch je weiter er sich von der Sonne wegbewegt, desto kälter wird er. Womöglich könnte irgendwann seine hauchdünne Atmosphäre ausfrieren und abschneien. Aber gerade die Atmosphäre stand ganz besonders im Interesse der Forschung. Eine Mission zu Pluto sollte daher möglichst dann den Zwergplaneten erreichen, wenn er der Sonne noch vergleichsweise nahe ist.
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