Folge 12 Orientierung in der Medienwelt
Immer schneller wird uns immer mehr Information verfügbar, immer mehr Reize strömen aus immer mehr Kanälen auf uns ein. Verschwindet das Wissen in dieser Datenflut? Welche Strategien sind nötig, um das zu verhindern?
"Wir leben in einem hochspezialisierten Zeitalter, das gleichzeitig dabei ist, die klassischen Disziplinen aufzulösen. Wir werden an dieser Stelle auch neue Unsicherheiten kriegen, weil keine Grenzziehungen mehr möglich sind. Und wir werden das Zeitalter des Enzyklopädismus, wo sich ein allumfassendes Weltwissen in einer Person konzentriert, endgültig hinter uns lassen", prophezeit Tom Lamberty, Personaltrainer und Coach.
Zuverlässige Informationen sind das A und O jeglicher freier Entscheidungsfindung. Welche Informationen legen z.B. Topmanager ihren Handlungen zugrunde? Auf welche Weise bereiten sie sich auf wichtige Entscheidungen vor? Darüber bestehen laut Lamberty falsche Vorstellungen.
"So als hätte ein Topmanager Heerscharen von Zuliefern – wie früher ein König Berater –, und als würde er seine Entscheidung auf dem Grunde wohl aufbereiteter Informationen gründen. Es scheint aber so zu sein, dass die Entscheidungen anders getroffen werden. Aufgrund einer zufälligen Lektüre im Flugzeug oder durch Gespräche. Die Entscheidungsfindung passiert offenbar weniger nachvollziehbar und weniger steuerbar als man das bisher dachte."
Fest steht aber: Entscheidungen müssen oft schnell getroffen werden, da bleibt nicht immer die Zeit alle Möglichkeiten abzuwägen. Oftmals verlassen sich Unternehmenschefs auch auf ihre Intuition, betont Roman Krulich von der Unternehmensgruppe Krulich.
Orientierunghilfen
Die Redakteure von Presse, Hörfunk und Fernsehen nehmen uns zum großen Teil die Entscheidung ab, welche Neuigkeit wichtig ist, und welche nicht. Von den Agenturmeldungen, die in den Redaktionen täglich eingehen, erreicht uns nur die Spitze:
"Über die Agenturen kommen am Tag so etwa 2000 Meldungen aus ungefähr 100 verschiedenen Themengebieten. Davon bleiben im Nachrichtensender bestenfalls 15 übrig. Das heißt also, die Kunst des Nachrichtenmachens ist auch die des Wegwerfens", erläutert Günter Scharff, Nachrichtenreporter beim Bayerischen Fernsehen. Weil die rapide anwachsende Informationsflut auch jede Menge Infomüll enthält, ist es zunehmend schwieriger geworden, gezielt an die gewünschte, vertiefende Information zu kommen. Da Journalisten und Redakteure von Haus aus im Auswählen und Wegwerfen geübt sind, spannen inzwischen viele Unternehmen Mediendienste ein, um die gewünschten Inhalte zu erhalten. Was den Umgang mit den neuen Medien so erschwert, ist, dass von außen kaum zu erkennen ist, was sie bieten. Walter Reithmayer, Strategieberater und Autor:
"Ein in Leder gebundenes Buch vermittelt uns eine gewisse Wertigkeit. Eine CD, vielleicht sogar eine gebrannte, sagt uns von ihrem Aussehen her nichts: ist da Musik, ist da probehalber eine Demonstration von einem Spiel oder ist da ein wertvolles Lexikon drauf. Wir müssen lernen bei den neuen Medien die Wertigkeit zu erkennen und schnell auszusuchen."
Konzentration auf eine Sache
Wer sich orientieren und gezielt recherchieren will, sollte sich für alle Medien offen halten und von Fall zu Fall entscheiden, was am effektivsten ist. Da Information noch lange nicht Wissen ist, sind Strategien gefragt, die einem helfen, die gefundenen Informationen in Wissen zu transformieren, d.h. zu strukturieren und sich anzueignen. Das Mind-Mapping von Tony Buzan entwickelt, hilft bei der Strukturierung: Das ist eine Gehirnlandkarte, die zunächst recht unübersichtlich wirkt, aber organisch aufgebaut ist: wie ein in der Mitte der Krone durchschnittener Baum, auf den man von oben sieht. Das zentrale Thema bildet dabei den Stamm, fortführende Gedanken werden wie Äste platziert, die aus dem Stamm herauswachsen, sich verzweigen etc. Diese Methode hilft die wichtigen Aspekte auszuwählen. Doch trotzt aller Strategien zur Auswahl, gezielter Suche und Strukturierung der Informationen, stößt unsere Aufnahmefähigkeit an Grenzen:
"Nebenbei Informationen so aufzunehmen, dass sie auch hängen bleiben, das gelingt nur sehr partiell und sehr dürftig. Das heißt, wenn ich mir wirklich Zeit nehme und sage o.k., jetzt lese ich diesen Fachartikel, dann gehe ich da auch aktiv ran. Dann bleibt sicherlich viel mehr hängen, als wenn ich viele Dinge so nebenbei mache, parallel laufen lasse", erklärt Reinhilde Beck, Professorin an der Hochschule München für Sozialmanagment.
Man kann zwar jeden Artikel diagonal lesen, dabei womöglich noch im Radio Nachrichten hören und noch etwas Drittes tun, aber das bringt nichts: "Das Gehirn nimmt auch Informationen viel besser auf, wenn ich entspannt und aufmerksam bin."
Wichtig ist also, ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche Informationen uns unentbehrlich sind. Dazu gehört auch: mal Pause machen, abschalten und Abschied nehmen von der Illusion, dass wir die Informationsflut immer im Griff haben können.