Fledermäuse Frühlingsgefühle im Herbst
Menschen und Fledermäuse haben nicht viel gemeinsam, manches aber doch: Zum Beispiel vergehen zwischen Paarung und Geburt bei beiden neun Monate. Doch das heißt nicht, dass Fledermäuse auch so lange trächtig sind.
Menschen, Menschenaffen, Affen, Halbaffen - und Fledermäuse. Was haben sie miteinander gemein? Für den schwedischen Naturforscher Carl von Linné gab es im 18. Jahrhundert eine so deutliche Gemeinsamkeit zwischen uns und den Fledermäusen, dass er sie in seiner Ordnung zu den Primaten rechnete: Fledermausdamen haben ein "brustständiges Zitzenpaar", Fledermausherren einen "freihängenden Penis" (Penis pendulum). Doch Linné ließ sich da täuschen: Primaten sind Fledermäuse dennoch nicht.
Einzigartige Scheinschwangerschaft
Es gibt noch eine Ähnlichkeit zwischen Mensch und Fledermaus: Zwischen der Paarung der Fledermäuse und der Geburt eines Fledermauskindes vergehen ganze neun Monate - für ein so kleines Tier erstaunlich lange. Doch Fledermausweibchen sind keineswegs neun Monate lang trächtig. Aber als einziges Säugetier schaffen sie es, den Samen des Männchens nach dem Sexualakt viele Monate lang in ihrem Körper am Leben zu erhalten, bis sie ihren Eisprung haben und trächtig werden.
Ausgeschlafen und abgemagert
Der Grund: Fledermäuse halten ein halbes Jahr Winterschlaf, in dem sie bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts verlieren. Die Paarung der Fledermäuse findet schon vorher statt. Wenn sie im Frühjahr wieder erwachen, sind sie regelrecht ausgemergelt. Jetzt wird erst mal gefuttert, was das Zeug hält. Schließlich gilt es vorzusorgen für den nächsten Winter, Mücke für Mücke.
Keine Zeit und Kraft für die Fortpflanzung also. Doch Fledermausjunge müssen möglichst zeitig im Jahr zur Welt kommen, damit sie selbst fliegen lernen und sich einen Winterspeck anfuttern können. Deshalb werden Fledermäuse spätestens im Juni geboren. Damit das geht, konservieren die Weibchen die Spermien des Herbstes bis zum Eisprung im Frühjahr und sind dann ein bis drei Monate lang trächtig.
In den Wochenstuben
Fledermausweibchen bleiben gerne unter sich, wenn sie ihre Jungen großziehen: Ab Mai ziehen sie sich gemeinsam in Wochenstuben zurück, wo sie dicht an dicht nebeneinander hängen. Die Väter sind hier nicht gern gesehen, weil sie zur Aufzucht der Jungen nichts beizutragen haben.
Fledermaus-Geburt in der Hängematte
Die Fledermausmutter hakt sich - zusätzlich zu ihren Hinterbeinen - auch mit ihren freistehenden Daumenkrallen ein, so dass ihr Körper mit den Flügeln eine Art Hängematte bildet. Hier hinein gebiert sie ihr meist einziges Junges, das durch die Nabelschnur noch zusätzlich wie an einer Sicherheitsleine gesichert ist. Sobald sich das Junge an den Zitzen des Muttertiers festsaugt, wird die Nabelschnur durchgebissen. Ab jetzt muss das Kleine alleine zurecht kommen. Denn schon in der ersten Nacht wird es allein gelassen, wenn die Mutter zur Jagd ausfliegt.
Geräusche und Geruch als Erkennungsmerkmal
Doch ihr Junges wiederzufinden, ist manchmal nicht leicht für die Fledermausmutter, wenn Hunderte, in manchen Höhlen Südamerikas gar Tausende Fledermausbabys und -mütter gemeinsam in einer Höhle leben. Die Mutter merkt sich den Schlafplatz, erkennt ihr Kind aus der Ferne an seinem spezifischen Verlassenslaut und aus der Nähe am Geruch.
Wenn der Fledermaus-Sommer zu Ende geht
Etwa Ende August müssen die kleinen Fledermäuse selbstständig sein: fliegen, jagen, fressen und sich so auf den kommenden Winter vorbereiten. Denn schon im Oktober geht es auf die Reise in die Winterquartiere - und das manchmal sehr weit: Bis zu 1.000 Kilometer weit fliegen manche Fledermausarten in ihre angestammten Quartiere. Wie sie sich dabei orientieren, ist bislang nicht klar. Das Magnetfeld der Erde spielt dabei wohl eine Rolle. Und vermutlich können sie sich auch Landmarken merken.
Fledermaus-Paradies Mayener Grubenfeld
Jedes Jahr kommen je nach Zählung um die 50.000 bis 100.000 Fledermäuse ins Mayener Grubenfeld im rheinland-pfälzischen Eifel-Vulkanpark, um hier zu überwintern. Es ist damit eines der wichtigsten Überwinterungsquartiere für Fledermäuse in Europa. Das riesige Stollensystem bietet auch seltenen Arten wie der Mops-, der Bechstein- oder der Teichfledermaus Unterschlupf. Da jeder Stollen über ein eigenes Mikroklima verfügt, finden die unterschiedlichen Arten ihre ökologischen Nischen. Bisher wurden 16 der 25 in Deutschland lebenden Fledermausarten hier nachgewiesen. Voll wird es im Herbst, dann treffen sich die Fledermäuse zur Paarung. Danach schwärmen sie wieder aus. Spätestens im November kommen sie zurück, um zu überwintern. Gegen Ende April verlassen sie das Grubenfeld wieder.
Völlig durchgefroren
Besonders gern überwintern Fledermäuse in Kellern, Stollen oder Höhlen. Ihre Köpertemperatur passt sich dabei der Umgebung an, sinkt auf oft nur vier bis fünf Grad. Die Fledermaus wird durch und durch kalt, der Herzschlag geht extrem zurück, der Stoffwechsel verlangsamt sich. Denn die Fettreserven müssen sechs Monate lang reichen. Wenn ihr einmal Fledermäuse im Winterschlaf findet, weckt sie nicht auf. Selbst kurze Wachphasen kosten die Fledermaus viel Energie!
Fledermäuse können kompromisslos sein
Studie
Greifswalder Zoologen haben gemeinsam mit Schweizer Kollegen Konfliktsituationen zwischen Mitgliedern wilder Bechsteinfledermaus-Kolonien untersucht. Dazu simulierten sie eine Streitsituation unter den Fledermäusen: Sie setzten einige Tiere bei der nächtlichen Wahl des nächsten Tagesquartiers Störsignalen aus.
Die Ergebnisse haben sie im August 2013 online im Fachjournal "Current Biology" veröffentlicht.
Experiment
Die Signale, die die Forscher aussetzten, gingen an ausgewählte, mit Transponder ausgestattete Tiere. Sie waren unterschiedlich stark und zeigten den ausgewählten Fledermäusen: Die angesteuerten Fledermauskästen sind nicht oder nur bedingt als Tagesquartier geeignet.
Wurde beim Einflug ein starkes Signal erzeugt, konnte der Interessenskonflikt innerhalb der Fledermauskolonie nicht mehr gelöst werden: Die Kolonie wählte ein anderes Quartier als die Tiere, die sich gestört fühlten, und spaltete sich für ein bis zwei Tage auf.
Bei schwächeren Störsignalen konnten sich die Tiere laut Studie einigen. In einem solchen Fall waren die "leicht gestörten" Versuchstiere zu Kompromissen bereit. Sie zogen in das Quartier mit ein, solange ein Teil der Kolonie den Kasten für geeignet hielt.
Ergebnisse
Erstmals sei mit der Studie für im Freiland lebende Säugetiere gezeigt worden, dass das Ergebnis einer Entscheidung in einer Gruppe davon abhängt, wie stark der Interessenskonflikt zwischen den Tieren ist, so der Greifswalder Zoologe und Studienleiter Gerald Kerth.
Normal sei, dass 15 bis 40 Koloniemitglieder den Tag gemeinsam in einem Quartier verbringen. Dann können sie sich gegenseitig wärmen.
"Wenn die individuellen Nachteile für einen Teil der Kolonie die Gruppenvorteile aber stark überwiegen, kann es zu einer zeitweisen Spaltung der Kolonie kommen", so Kerth.