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Fakten Kommentar, Leitartikel und Glosse

Der Leser muss einem Kommentar folgen können, auch wenn er anderer Meinung ist. Die Stichhaltigkeit der Argumente ist dabei besonders wichtig. Wie geht man da im Einzelnen vor?

Stand: 23.09.2012 | Archiv

zwei junge Männer sitzen auf einer Bank, einer mit Laptop schreibend | Bild: picture-alliance/dpa

Jetzt versuchen Sie doch einmal selbst einen Kommentar zu schreiben, mit maximal 25 Zeilen à 40 Anschlägen.

Tipps zum Verfassen eines Kommentars:

• Suchen Sie sich z.B. aus den Nachrichten der Tagesschau oder von BR 5 ein Thema aus, das Sie interessiert. Denn Sie wissen ja, alles, was eine Nachricht wert ist (besonders "Hard-News"), ist auch potenzieller Stoff für einen Kommentar (vgl. La Roche S.151).

• Überlegen Sie sich, ob der Stoff eine Stellungnahme herausfordert, die von allgemeinerem Interesse ist, oder eher beschränktem ist. Auf allgemeines Interesse stößt gewiss die geplante Einführung des Betreuungsgeldes: Familien, die ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr nur zu Hause betreuen, sollten bezuschusst werden.

• Entscheiden Sie sich, ob Sie einen "Geradeheraus-Kommentar", einen "Argumentations-Kommentar" oder einen "Einerseits-Andererseitskommentar" (La Roche S.152) schreiben wollen. Das hängt 1. von Ihrem Temperament und 2. vom Medium ab, in dem Sie ihn veröffentlichen wollen. Beim Betreuungsgeldthema würde Ersterer, in dem Sie den Vorschlag loben oder verwerfen, ohne das weiter zu begründen, sich vielleicht für eine Kirchenzeitung oder ein Familienmagazin anbieten. Der zweite, in dem Sie mit guten Gründen für oder gegen den Vorschlag votieren für eine Tageszeitung; der dritte, in dem Sie abwägen, ohne sich für das Pro oder Contra zu entscheiden, für eine Wochenzeitung, die allgemeine Orientierung und Problembewusstsein liefert.

• Je nach dem, was Sie für einen Kommentar für welches Medium schreiben, sollten Sie nun recherchieren: Denken Sie aber von Anfang an daran, dass Sie nur wenige Zeilen zur Verfügung haben und für welches Publikum Sie schreiben wollen. Danach richtet sich der Tiefgang der Recherche ebenso wie die Frage, ob Detailkenntnisse erwünscht und welche voraussetzbar sind.

• In Frage kommen alle Hintergrundinformationen im Umkreis der Nachricht sowie grundsätzliche Überlegungen/Beobachtungen: Bei unserem Thema Genaueres über den Gesetzesentwurf, Bewilligungsverfahren, Folgen für Staat, Familien, Kinder und Betreuungseinrichtungen – z.B. für einen Geradeheraus-Kommentar: Erfahrungsberichte von Familien, die arbeiten oder Mütter die zu Hause bleiben.

• Diskutieren Sie den Fall kurz mit Freunden, Bekannten oder Verwandten, dabei können Sie schon die Überzeugungskraft und Resonanz Ihrer Meinung prüfen.

• Überlegen Sie sich, welch grundsätzlicher Konflikt der Debatte, zu der Sie beitragen wollen, zugrunde liegt. Hüten Sie sich vor Scharmützeln am Rande oder auf Nebenschauplätzen,

• Ordnen Sie nun ihre Gedanken zu einem logisch nachvollziehbaren Ganzen so, dass Ihre Meinung bzw. Ihr Für und Wider dem Publikum schmackhaft werden kann. Wenn Sie argumentieren wollen, dann entscheiden Sie sich, ob Sie mit dem überzeugendsten Argument anfangen wollen und dies nach und nach untermauern wollen, oder aber, ob sie mit einer Reihe von sich steigernder Argumente den Gipfel samt Forderung am Schluss erreichen wollen.

• Suchen Sie einen ansprechenden Einstieg: aussagekräftige Zitate, (belegte) haarsträubende Ungerechtigkeiten, Allgemeinplätze, die Sie im zweiten Satz schlagend widerlegen oder Erfahrungen Betroffener.

• Sparen Sie beim Schreiben nicht mit farbigen Adjektiven – kürzen können Sie immer noch – und platzieren Sie Ihre Urteile gezielt.

• Vermeiden Sie unbedingt persönliche Beleidigungen und Taktlosigkeiten. Denken Sie immer daran, dass die Meinung der anderen so frei und so zu respektieren ist wie Ihre eigene.

• Verweisen Sie im Laufe des Kommentars zurück auf die Nachricht, auf die Sie sich beziehen, ganz zu wiederholen brauchen Sie sie in der Regel nicht.

• Suchen Sie einen Schluss, der zur Art Ihres Kommentar passt: Bei einem Geradeaus-Kommentar z.B. eine strikte subjektive Forderung, was endlich zu tun ist, bei einem Argumentationskommentar eine Folgerung aus dem Gesagten, bei einem Für-und-Wider-Kommentar z.B. eine versöhnliche rhetorische Frage, die in der Schwebe lässt, was zu tun und zu denken ist. Schön ist auch ein Schluss, der den Einstieg wieder aufnimmt und das Ganze abrundet.

Literatur:

Walther von La Roche: Einführung in den praktischen Journalismus. Econ, Berlin 18. Aufl. 2008.


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