Telekolleg Deutsch - Folge 8 Die Sprache der Werbung
"Bitte, bitte – kauf mich!". Dieser Appell steht hinter allen Werbesprüchen, aber natürlich getarnt und gut verpackt. Werbeagenturen müssen sich immer wieder Neues einfallen lassen, damit die Botschaft "Kauf mich" auch ankommt. Welche sprachlichen und gestalterischen Tricks stecken dahinter?
1. Die Rhetorik der Bilder
In zwei Wochen Drehzeit entstanden drei Spots zu je 20 Sekunden für eine Teppichfirma. Die beauftragte Werbeagentur hat sich dazu einiges einfallen lassen:
"Dieser Teppich hält selbst dem Einbruch der Wildnis in die heimischen vier Wände stand" - soll dieser Spot wohl suggerieren. Ein echter Tiger wird für diese Botschaft herangeschafft. Aber es wird noch besser: Der Tiger kabbelt sich zärtlich mit einem künstlichen weißen Aufziehmäuschen und kratzt bei seinem Spielchen ganz schön auf dem Teppich herum
Die rhetorische Figur, die diese heitere Bildersprache einsetzt, ist die Antithese: wilde, ursprüngliche, robuste kraftvolle Natur versus verspielte Leichtigkeit wohl funktionierender Technik. Beides scheint das Qualitätsprodukt zu vereinen.
2. Wie Werbung mit der Zeit geht
"Werbung ist an sich ein altes Phänomen. Wir finden es schon in Pompeji, wo Hauswände genutzt wurden, um das Angebot an Getränken publik zu machen; auch was sie kosten stand dort schon", erläutert Dr. Nina Janich, Professorin für Germanistische Linguistik an der TU Darmstadt:
"Eine größere Rolle begann die Werbung aber erst zu spielen, als die Zeitungswerbung möglich wurde, also durch das Aufkommen der Massenmedien im 17. und 18. Jahrhundert. Von Werbung im heutigen Sinne würde ich aber erst sprechen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, seit dem Aufkommen des Markenartikels." Vorreiter in der Werbebranche war die USA; dort haben sich bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Werbeagenturen etabliert. In Deutschland ging das erst nach dem Zweiten Weltkrieg richtig los, betont Dr. Nina Janich.
Rama, Sarotti, Asbach Uralt, Ariel, Bärenmarke, Afri Cola, Meister Proper,: Werbespots der 50er, 60er, 70er und 80er Jahre führen uns in vergangene Zeiten zurück und demonstrieren, wie die Werbung mit ihrer Zeit geht. Weil Werbung so mit der Zeit geht, gehen einige der alten Spots heute eindeutig nicht mehr:
- der Rama-Spot z.B. Denn er knüpft direkt an die Kriegs- und Nachkriegserfahrung an, wo es diese Margarine – unter anderem – nicht gegeben hat. Er begrüßt das endlich wieder erhältliche Produkt quasi als Symptom des Neuanfangs, der wieder eintretenden Normalität des Alltags nach langer turbulenter Zeit der Entbehrung.
- der Klementinespot. "Weder der belehrende Ton, noch das Frauenbild dieser Waschmittelwerbung könnten heute noch akzeptiert werden", erklärt Dr. Nina Janich.
Andererseits sieht man auch Konstanten in der Werbewelt, wie die Sprachwissenschaftlerin weiter ausführt: Den Meister Proper und den Weißen Riesen gibt es als Figuren immer noch. Konstanten gibt es auch in der Art, wie die Sprache der Werbung auf die Alltagssprache zurückgreift, sich als eine Kunstsprache aus ihr generiert:
"Die Werbesprache ist eine Sondersprache gegenüber der Alltagssprache. Sie nutzt das, was in der Alltagssprache da ist, in einer anderen Frequenz. Sie greift sich bestimmte Aspekte heraus, isoliert sie, wiederholt sie und vermittelt dadurch den werbespezifischen Eindruck des Künstlichen, des Inszenierten. Die Sprache der Werbung besitzt jenseits der Inszenierung, die allein dem Verkauf dient, keine Sprechwirklichkeit", erläutert Prof. Nina Janich.
Umgekehrt werden erfolgreiche Werbeslogans als "geflügelte Worte" auch wieder zu Bestandteilen der Alltagssprache. So der Spruch von "Deutschlands beliebtestem Choleriker" ,dem HB-Männchen: "Halt, wer wird denn gleich in die Luft gehen ...?" Oder der Slogan von AOL: "Bin ich schon drin?"
3. Analyse unterschiedlicher Werbespots
Der Slogan hat eine elementare Bedeutung in jeder Werbung: Er weckt durch Sprachwitz und/oder Originalität die Aufmerksamkeit und sorgt zugleich für einen gesteigerten Wiedererkennungswert des Produktnamens. Er erscheint auf allen Anzeigen des Produkts und rundet als abschließendes Element den Werbespot ab, wie Dr. Nina Janich erklärt. Er kann aufgesagt oder auch gesungen werden, bei manchen Spots wird er ganz in Bilder umgesetzt, so dass er zuweilen nur noch als Schrift auftaucht:
Beispiel Milka: Ein älterer Werbespot für diese Schokolade im lila Papier baut alle Bilder rund um den zentralen, gesprochenen Slogan auf. Ein anderer setzt ganz auf die Sprache der Bilder: Es erscheint ein grundgütig ausschauender Pfarrer vor vertrauter Almkulisse, ein Mann also, dessen Amt es ist, zu predigen, dass wir der Versuchung widerstehen müssen. Aber selbst der erliegt ihr: der zartesten Versuchung, seit es Schokolade gibt. Die Bilder sind so sprechend, dass der Slogan lautlos bleiben kann, nur noch im Hintergrund als Schrift erscheint.
Die "Wissenschaft" wird gern bemüht in der Werbung. Mit der Autorität, die sie genießt, soll sie den Produkten gleich mehr Vertrauen verleihen. Was "klinisch getestet" ist, muss schließlich helfen. Inszenierte Experimente und Beweisführungen untermalen die angebliche Qualität. Das grenzt oftmals an reine Vorgaukelei, ist "pseudowissenschaft". Aber klar ist auch, wie Dr. Janich erläutert, dass die Kosmetikindustrie gar nicht ohne Wissenschaft auskommt. Die Werbung nutzt das aus und verflacht es; so entstehen diese pseudowissenschaftlichen Spots.
"Hochwertwörter", d.h. Wörter, die sehr positive Werte transportieren (frisch, jung, zart. schön, knusprig, gesund), sind nach wie vor bewährte Bestandteile aller Werbung. Ihre volle Macht entfalten Sie aber erst eingesetzt in gewitzte Sprachspiele und als Bestandteil gebrochener Komparative:
Soft - Softer -Softies oder auch Gesund - Schmackhaft - Verlockend - Broiler
Der erste Slogan für Papiertaschentücher stammt aus der BRD, der zweite aus der ehemaligen DDR. Beide arbeiten mit dem verfremdeten Komparativ, der Steigerung von "Hochwertworten", die ihren Witz durch den Bruch entfalten.
Wenn die Werbung heute ein Hähnchen in der Regionalsprache Broiler nennt, wird ganz klar der Nostalgiewert – die Erinnerung an die DDR-Küche vor 1989 – genutzt. Andererseits birgt das, wie Dr. Janich erläutert, die Gefahr, dass diese Werbung auch nur regional verstanden wird, weshalb man doch besser Hähnchen sagen sollte.
Aber ist Broiler nicht viel schöner?