Telekolleg - Deutsch


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Telekolleg Deutsch - Folge 1 Rhetorik – die Kunst der Rede

Bei einer Rede kommt es nicht nur darauf an, was man sagt, sondern vor allem wie man es sagt. Die Rede als Meisterstück des mündlichen Vortrags hat eine lange und umstrittene Tradition.

Stand: 31.10.2016 | Archiv

Dalai Lama hält eine Rede  | Bild: picture-alliance/dpa

Rhetorik (gr., die Redekunst) ist die Theorie und Praxis der wirkungsmächtigen Beredsamkeit. So dünn ist der Minimalkonsens dessen, was an Definitionen über Rhetorik zu finden ist. Strittig ist seit ihrer Entstehung (zur Zeit der Konsolidierung der Demokratie in Athen, im 5. Jahrhundert v. Chr.):

• Ist Rhetorik überhaupt eine Kunst (gr. techne), wie der erste große Rhetoriklehrer Athens und Sophist Gorgias meint, oder bloß Schmeichelei und Manipulation, wie Platon sagt.

• Handelt es sich bei der Rhetorik nur um die auf Wirkung bedachte mündliche Rede (Gorgias, Aristoteles), oder ist Rhetorik die "Königin aller Künste und Wissenschaften" (Quintilian) und umfasst als Lehre des effektiven Sprachgebrauchs und der menschlichen Kommunikation sämtliche, heute auch massenmediale Formen der Vermittlung von Wissen, Politik und Ethos (Nietzsche, Ueding/Tübinger Rhetorik).

• Zielt die kunstvolle Rede darauf ab, andere zu überreden, sie gar zu entmündigen, "zu narkotisieren" und durch die überwältigende Macht der Sprache zu beherrschen und zu bekehren (Gorgias, Platon; als Massenspektakel: Hitler und Goebbels), oder will sie gleichberechtigte andere überzeugen durch plausible, rational nachvollziehbare Argumente (Aristoteles, Cicero).

• Lehrt die Rhetorik einen, wie man am besten den eigenen Standpunkt, sein Sinnen, Wollen und Trachten durchsetzt, sich wirkungsvoll inszeniert/verkauft (Strategie so mancher Trainingsprogramme der Populär-Rhetorik und im Extrem die "deutsche Rhetorik" von 1900-1945), oder lehrt sie die Redner, ausgehend vom jeweiligen Publikum und im Blick auf die jeweilige Situation und Stimmung, das für alle Überzeugendste hervorzubringen (Aristoteles).

• Verhilft Rhetorik zu wahrer Kunst, so dass ihre Regeln, Stilfiguren und Einsichten auch z.B. für die Dichtung gelten (Gorgias, Aristoteles), oder verleitet sie zur hohlen Nachahmerei und Künstlichkeit? Letzteres suggeriert die Genieästhetik und kommt exemplarisch im Faust zum Tragen.

In all den genannten Punkten ist bis heute strittig, was Rhetorik ist. Jede nähere Definition von Rhetorik hängt entscheidend davon ab, was die Definierenden von der Rhetorik halten.

Ganz gleich, was man von Rhetorik hält. Fest steht: Mit Reden lassen sich seit je Kriege beginnen, Richter, Volksmeinungen, Kunden, Gesinnungsgenossen, Freunde und Vertragspartner gewinnen, und Throne und Reiche ergattern. Mit Rhetorik lassen sich Weltanschauungen, Ideologien und Religionen verbreiten und instrumentalisieren, lässt sich Werbung für alles machen. All dies in Zeiten der Massenmedien in verstärkter Form. Wer selber der Sprache mächtig werden will, ihre Tücken vermeiden und ihre Chancen ergreifen will, und vor allem, wer der Macht der Sprache anderer nicht auf den Leim gehen will, tut gut daran, rhetorische Techniken kennen zu lernen. Schaden kann das nie. Wer sich dem aber verschließt, läuft Gefahr, der Sprachgewalt von Verführern zu erliegen. Wie hellsichtig man durch bloße Sprachkritik ruinöse Verführer erkennen und entlarven kann, das hat wohl niemand so deutlich gezeigt wie Karl Kraus in seiner "Walpurgisnacht".


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