Fakten Die Textanalyse
Bei der Textanalyse geht es darum, zu zeigen, dass man den Text gedanklich nachvollziehen kann, das Thema verstanden hat und eigenständig beurteilen kann. Wie kann das am besten gelingen?
Während der Arbeit am Text werden Sie merken: Je intensiver Sie den Text und seine Intention analysieren, d.h. in seine Faktoren zerlegen, desto konkreter wird das Verständnis der Inhalte.
Folgende Fragestellungen helfen den Text noch besser zu verstehen:
Fragen zum Erschließen von Sachtexten
1. Fragen nach dem ersten Überfliegen des Textes
• Was ist Thema des Textes, worum geht es hier? (Wenn sie Glück haben, steht das in der Überschrift, sonst formulieren Sie selbst einen knappen Kernsatz über den Gegenstand des Textes.)
• Was beabsichtigt der Autor mit dem Text? Will er:
1. über etwas informieren, einen Sachverhalt, einen Beschluss, oder ein Ereignis möglichst objektiv darstellen?
2. über etwas seine Meinung darlegen, argumentieren und belehren?
3. an etwas appellieren (an Sie direkt oder die Politiker oder sonst eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe), um Leute zu etwas zu bewegen?
• Aus welchem Anlass ist der Text entstanden, wo erschienen, und an wen wendet er sich?
Wenn Sie sich über die Textart – es kann sich ja auch um eine Mischform handeln – klar geworden sind, können Sie den Text bereits grob einordnen: Bei (1) handelt es sich um einen (Zeitungs-)Bericht, eine sachbezogene Problemanalyse oder eine wissenschaftliche Abhandlung; bei (2) um eine Form des Kommentars, wozu auch Essay, Kritik etc. gehören, bei (3) um eine Rede. Diese Einordnung ist auch nützlich, wenn Sie sie – wie etwa bei der Inhaltsangabe in Thesenform – nicht explizit vornehmen müssen. Denn mit diesem ersten Verständnis, worum es geht und was die Intention des Ganzen ist, können Sie die erste Hauptthese über den Inhalt des Gesagten bereits formulieren und, was noch wichtiger ist, weiterfragen. Dabei wenden Sie sich zwangsläufig wieder dem Text zu, lesen ihn genau, notieren sich oder unterstreichen sich die Hauptgedanken und auffälligsten Formulierungen.
2. Fragen bei der genauen Lektüre des Textes
• Wie vermittelt der Autor seine spezifische Intention/Aussageabsicht?
• Wie ist der Text gedanklich aufgebaut? (Bei vielen Texten kann man sich an die Absätze halten, um die einzelnen Sinnabschnitte zu erkennen, bei Zeitungsartikeln auch zuweilen an Zwischenüberschriften.)
• Was macht und sagt der Autor konkret in jedem Absatz: Informiert er eher, oder argumentiert bzw. kritisiert er, oder appelliert er und wenn, worüber/zu was?
• Ist die Darstellung – falls er informiert – folgerichtig?
• Sind die Argumente und Schlussfolgerungen – falls er eher kommentiert – schlüssig? Wenn ja, warum – wenn nein, warum und wo nicht?
• Ist sein Appell überzeugend und eingängig? Wenn Sie all das Abschnitt für Abschnitt untersucht haben, ist es wichtig zu fragen:
• Welche Funktion haben die einzelnen Abschnitte im Textganzen?
• Welche gedanklichen Beziehungen haben die Textabschnitte zueinander?
• Handelt es sich z.B. um eine sich steigernde Argumentationsfolge oder um eine objektive Darstellung eines Sachverhalts, die immer mehr in die Tiefe geht, oder um einen begründenden Wechsel zwischen Information und Meinung? Wird der Appell am Schluss durch die Darstellung vorher begründet?
• Welche sprachlichen Mittel fallen auf?
• Benutzt der Autor zur Steigerung der Aufmerksamkeit und zur Betonung seiner Thesen rhetorische Figuren? (Das "große Wir", blumige Metaphern und Vergleiche, Wiederholungen der gleichen Worte oder Satzteile etc.)
• Argumentiert er eher emotional oder eher rational, und wie schlägt sich das im Satzbau und in der Wortwahl nieder?
• Ist der Text in der Umgangssprache, in einer Fachsprache oder einem Jargon verfasst – und welche Intention verfolgt er damit, wen will der Text ansprechen?
• Benutzt der Autor extrem viele Nominative oder substantivierte Infinitive (üblich bei vielen wissenschaftlichen Texten) oder viele Adjektive (gern bei Kommentaren und in der Boulevardpresse zur "Meinungsbildung" gebraucht) oder den anschaulichen Verbalstil?
• Gibt es Schlüsselwörter oder immer wieder auftauchende Kernbegriffe?
• Zitiert der Autor viel? Und wenn ja, wen und zu welchem Zweck? Um seinem Gesagten Autorität zu verleihen oder um etwas authentisch zu berichten oder um eine Gegenposition zur Sprache kommen zu lassen, oder zitiert er verkürzt, etwa um eine Gegenposition zu "verreißen"?
• Setzt der Autor auch Bildmaterial ein und wenn ja, wozu dient das? Zur Illustration des Sachverhalts, oder zur emotionalen Manipulation der Leser?
Wenn Sie die fett hervorgehobenen Fragen an Ihren Text gestellt und mit eigenen Worten beantwortet haben, dürfte Ihnen die Inhaltsangabe nicht mehr schwer fallen. Aber auch die jetzt fällige Stellungnahme nicht. Denn Sie haben längst entdeckt, wo Ihnen etwas nicht einleuchtet, wo der Autor etwas verzerrt, einseitig darstellt, wo faule Argumentationstricks lauern, wo eine gedankliche Lücke klafft, wo ein entscheidender Aspekt des Themas unberücksichtigt gelassen wird. Oder Sie haben entdeckt, dass der Text sehr umsichtig und geschickt ein Thema/einen Sachverhalt erschließt, eine sehr einleuchtende Meinung vertritt, die Sie auch mit eigenen Argumenten stützen und vertreten wollen. Nehmen Sie mutig Stellung und begründen Sie mit konkretem Bezug auf den Text oder die dort angesprochene Problem- /Sachlage ihre Stellungnahme: Pro oder Kontra, ganz egal, Hauptsache durch schlüssige Argumente gestützt.