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Neozoen Tierarten in fremden Gebieten

Waschbären, Grauhörnchen, Minks und Flohkrebse haben eines gemeinsam: Sie sind Neozoen, also nicht heimische Tierarten. Inzwischen sind sie in Deutschland weit verbreitet - und können unsere Artenvielfalt bereichern oder bedrohen.

Stand: 02.11.2022

Video: Riesige Schäden durch invasive Pflanzen und Tiere

Häufig sind Neozoen nicht auf eigenen Pfoten zu uns gewandert, sondern gewollt oder ungewollt aus Aquarien, Terrarien oder Tierfarmen geflüchtet. Der aus Nordamerika stammende Mink etwa wurde in Europa aus Pelztierfarmen befreit, die Bisamratte in Deutschland von Pelzhändlern ausgesetzt. Nicht selten wandern ausländische Tier- und Pflanzenarten auf Transportwegen oder über Kanäle ein. Bislang sind bereits 150 solcher Arten in deutschen Gewässern bekannt. Die Wollhandkrabbe zum Beispiel wurde aus Asien eingeschleppt. Genauso die Körbchenmuschel, die es mittlerweile bis in den Bodensee geschafft hat. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) hat 2023 erneut vor der Ausbreitung invasiver Arten gewarnt, die heimischen Ökosysteme schaden können.

Video: Wie sich invasive Arten ausbreiten

Exotische Neozoen: Bunte Papageien in Stuttgart

Die Papageienart Gelbkopfamazone ist seit den 1960er-Jahren auch in deutschen Städten heimisch. Die invasiven Tiere stammen aus Zentralamerika.

So haben sich in verschiedenen deutschen Städten seit den 1960er-Jahren stabile Populationen verwilderter Papageienarten gebildet: exotische Gelbkopfamazonen in Stuttgart zum Beispiel. Die aus Zentralamerika stammenden farbenfrohen Vögel waren ursprünglich entflogen oder wurden ausgewildert. In ihrer neuen Heimat scheinen sie sich durchaus wohlzufühlen: Sie halten sich ausschließlich im städtischen Raum auf und überstehen somit die kalten Temperaturen im Winter. In ihrer Heimat sind Gelbkopfamazonen vom Aussterben bedroht.

Tierischer Einwanderer: Wie der Waschbär fremde Gebiete erobert

"Waschbären werden immer mehr in München. Eine Arbeitskollegin hat mich angerufen: 'Ich hab da ein Tier auf dem Giebel gesehen, mit dem ich absolut nichts anfangen kann. Ich weiß nicht, was es ist.' Dann hat sie's beschrieben: einwandfrei Waschbär", berichtet Wolfgang Schreyer, Stadtjäger aus München. Ursprünglich war der Waschbär in Nord- und Mittelamerika zu Hause. In den 1920er-Jahren wurde er zur Pelzzucht nach Deutschland eingeführt. 1934 hat ein Forstmeister in Hessen zwei Pärchen ausgewildert, seither verbreiten sich die Tiere in Deutschland. In Bayern sind die ersten um 1962 aufgetaucht. 30 Jahre später haben sie bereits alle Landkreise erobert.

Waschbär und Marderhund: Wirt für Viren wie Corona?

Waschbären und Marderhunde bringen unliebsame Begleiter mit in ihre neuen Verbreitungsgebiete: Sie können Wirte von Krankheitserregern sein. Diese Parasiten und Viren können dann auch teils auf den Menschen übergehen. Dann spricht man von sogenannten Zoonosen. Waschbären können unter anderem das West-Nil-Virus einschleppen. Marderhunde beherbergen Erreger, die Tollwut verursachen. Darüber hinaus stehen sie im Verdacht, Corona-Viren übertragen zu können, auch SARS-CoV-2.

Invasive Art: Warum der Marderhund eingewandert ist

Im Schiffsbauch nach Bayern eingewanderte Neozoen

Schwarzmundgrundel - vom Schwarzen Meer nach Bayern

Kam ursprünglich unter anderem aus dem Schwarzen Meer und erobert neue Lebensräume in der Donau: Die Schwarzmundgrundel gehört zu den Neozoen.

In der Donau haben Wissenschaftler beobachtet, wie schnell eine Fischart einen neuen Lebensraum eroberte und ein neuartiges Ökosystem entstand: Die Schwarzmundgrundel kam unter anderem aus dem Schwarzen Meer zu uns. "Vermutlich ist sie als blinder Passagier im Ballastwasser von Schiffen eingereist", sagt Jörg Brandner vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie an der TU München.

Im Herbst 2009 wanderte die Schwarzmundgrundel in die Flussregion bei Bad Abbach ein und bildete dort rasch eine stabile Population. Einzelne Exemplare zogen weiter flussaufwärts. "Bereits im Herbst 2010, also ein Jahr später, haben wir die ersten Grundeln bei Kelheim gesichtet - etwa 15 Kilometer stromaufwärts. Mit einer so schnellen Invasion hätten wir nicht gerechnet", erzählt Brandner. Grundeln sind große und kräftige Tiere, die ein breites Nahrungsangebot nutzen und sich so im Beutewettbewerb gegen andere Arten durchsetzen können. Nach und nach verdrängen die Neuankömmlinge angestammte Fischarten wie Barbe oder Aitel. Stellenweise machen die Grundeln in ihren bevorzugten Habitaten, den Blocksteinufern, bereits über siebzig Prozent des gesamten Fischbestandes aus.

Höckerflohkrebs - umtriebiger Räuber vom Schwarzen Meer

Auch ein Neozoon: der Höckerflohkrebs

Der Höckerflohkrebs ist nur drei Zentimeter groß, aber ein cleverer, umtriebiger und dominanter Räuber. An den Flussläufen des Schwarzen Meeres ist er zu Hause, seit der Eröffnung des Main-Donau-Kanals 1992 erobert er aber die deutschen Gewässer. Für Biologen ist die Geschwindigkeit, mit der sich der Krebs ausbreitet, einmalig.

Im Rhein ist er schon die Nummer eins, weil er andere Krebsarten zurückdrängt und dabei sehr clever vorgeht: Er bereist die Flüsse als blinder Passagier an Booten - auch gegen die Strömung. Oder er klammert sich an den Füßen von Vögeln fest. 2003 wurde der Höckerflohkrebs zum ersten Mal im Bodensee entdeckt. Ein Jahr später hatte sich der kleine Krebs über den gesamten Überlinger See ausgebreitet, 2005 fand man ihn im Obersee, 2007 im Untersee. Einige Experten befürchten, die explosionsartige Vermehrung könnte unvorhersehbare Folgen für die deutschen Gewässer haben. Andere vermuten jedoch, dass sich die Population nach ein paar Jahren des Erfolgs genau wie beim Schlickkrebs wieder selbst reguliert.

Höckerflohkrebs und Schwarzmundgrundel – ein fatales Duo

Richtig gefährlich werden die beiden invasiven Arten aber im Duett. Das ist das Ergebnis einer Studie der Technischen Universität München (TUM), die Anfang September 2016 veröffentlicht wurde. Demnach ist der Höckerflohkrebs – auch Killer-Shrimp genannt – gar kein echter Räuber. Vielmehr spielt er beim massiven Artenschwund der Kleinkrebse in den heimischen Gewässern eher eine indirekte Rolle. Der Höckerflohkrebs verdrängt heimische Flohkrebse aus ihren Verstecken, wodurch diese wiederum leichte Beute für die ebenfalls eingewanderten Schwarzmundgrundeln werden. Diesen Zusammenhang haben die Forscher durch Versuchsreihen in Aquarien im Weihenstephaner Labor herausgefunden.

"Invasive Kernschmelze"

In den Uferbereichen mancher Flüsse machen die Schwarzmundgrundeln stellenweise bereits mehr als 70 Prozent des gesamten Fischbestandes aus. "Der Große Höckerflohkrebs und die Schwarzmundgrundel kommen in großer Anzahl in der bayerischen Donau vor, was zu einem vollkommen neuen Nahrungsnetz mit veränderten Lebensgemeinschaften führt", so der Systembiologe Sebastian Beggel. Seine Studie sieht er als Beleg dafür, dass eine sogenannte invasive Kernschmelze, wie sie in der systembiologischen Theorie postuliert wird, in manchen großen Fließgewässern schon längst stattfindet.

Bodensee - begehrte Heimat blinder Passagiere

Gehören auch zu den Neozoen: die Körbchenmuscheln

Neben dem Höckerflohkrebs haben bereits hunderte fremder Tierarten ihren Weg in den Bodensee gefunden. Würde man einen Quadratmeter Seeboden an die Oberfläche holen und alle Tiere darauf sortieren und wiegen, kämen die gebietsfremden Arten auf zwei Drittel des Gewichts. Auffälligster Neuankömmling ist vielleicht der Kaulbarsch, der eigentlich in mittel- und osteuropäischen Flüssen sowie der Ostsee zuhause ist: Der bunt schillernde Fisch mit seinem Zackenkamm wurde 1987 zum ersten Mal beobachtet. Wenige Jahre später galt er schon als häufigster Fisch in der Flachwasserzone. Seit 2003 ist im Bodensee auch die aus Asien stammende Körbchenmuschel heimisch, seit 2006 die Schwebegarnele, die in allen Weltmeeren zuhause ist. Die meisten Tiere wurden vom Menschen eingeschleppt: im Kühlwasser der Segelboote schwimmend, am Taucheranzug oder am Schiffsbauch klebend. Die ausgebauten Schiffswege bieten verschiedensten Arten eine Art Autobahn zwischen den ursprünglich getrennten Wassersystemen.

Im Bodensee verlief die tierische Zuwanderung bislang glimpflich. "Aber irgendwann kann auch mal was passieren, mit dem der Bodensee Schwierigkeiten hat", meint Herbert Löffler vom Institut für Seenforschung in Langenargen (Bodenseekreis). "Das ist ein bisschen wie Roulette. Man weiß einfach nicht, was noch kommt."

Blinde Passagiere auf Reisen

Aus Osteuropa eingewanderte Art und bei uns Neozoen: die Zebramuscheln

Auch mit den rund zehn Milliarden Tonnen Ballastwasser, die jährlich über die Weltmeere bewegt und ausgetauscht werden, dringen fremde Meeresarten in neue ökologische Systeme ein. Bei Schiffen mit geringer oder ohne Ladung werden Tanks mit Wasser gefüllt, damit sie auch mit weniger Gewicht tief genug im Wasser liegen. Oft haben sie dann jedoch nicht nur Wasser im Bauch, sondern auch blinde Passagiere. Prominentes Beispiel ist die Zebramuschel, die von Osteuropa kommend das Ökosystem im nordamerikanischen Eriesee massiv verändert hat.

Ballastwasser desinfizieren

Um die Einreise blinder Passagiere zu verhindern, suchen Wissenschaftler nach Methoden, Organismen im Ballastwasser abzutöten. Eine Möglichkeit ist die Desinfektion mit Mikrowellen, allerdings ist diese Hitze-Methode kostenintensiv.

Nagetier aus Südamerika: Nutria breitet sich rasant aus

Sie sehen aus wie Biber, haben aber einen Rattenschwanz: Nutria sind südamerikanische Nagetiere, die über Pelzfarmen seit den 1920er-Jahren in europäische Gewässer gelangt sind. Nutria zerwühlen Flussufer oder fressen seltene Röhrichtarten und Großmuscheln. Und sie stellen eine Konkurrenz zum heimischen Biber dar.

Der Nutria ist inzwischen in allen Bundesländern zu finden. Jägerinnen und Jäger haben in der Jagdsaison 2020/21 101.108 Nutrias erbeutet. Dieser Wert hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verfünfzigfacht.

Invasive Arten: Mit den Neuen kommen die Probleme

In der Natur herrscht ein stetes Fressen und Gefressen werden. Normalerweise kennen die Tiere jedoch ihre Feinde und haben gelernt, sich vor ihnen in Acht zu nehmen. Die neuen Beutegreifer wie den Marderhund kennen sie jedoch noch nicht. "Das hat die Konsequenz, dass es zu sehr hohen Verlusten, etwa bei Niederwildarten und Bodenbrütern, kommt", erzählt Stadtjäger Wolfgang Schreyer. "Kiebitz, Brachvogel, Rebhuhn und Fasan müssen ihn erst kennenlernen. Und bis das soweit ist, da ist es schon zu spät." In bereits durch den Menschen geschädigten Lebensräumen können eingewanderte Arten zum Problem werden. Sie können auch Krankheiten einschleppen: Der Amsel macht das von einer afrikanischen Mücke mitgebrachte Usutu-Virus zu schaffen, dem Edelkrebs die Krebspest, die vom nordamerikanischen Signalkrebs übertragen wird.

"Jede Veränderung einer in Jahrmillionen gewachsenen Artenzusammensetzung, die in einer komplexen Abhängigkeit voneinander steht, die ich als Mensch mache, bringt insgesamt Veränderungen, die ich überhaupt nicht absehen kann. Darum sollte man überhaupt keine neuen Arten irgendwo aus- oder einbringen. Auch nicht aus wirtschaftlicher Sicht."

Christine Margraf, Artenschutzreferentin für Südbayern beim Bund Naturschutz

Forschungsdiskussion: Stärken neue Tiere und Pflanzen die Natur?

Ressentiments durch Rhetorik von "invasiven" Arten

In verbauten Flüssen wie dem Main-Donau-Kanal bei Kelheim fühlen sich Neophyten und Neozoen besonders wohl.

Für viele Naturschützer das Horrorszenario: fremde Arten, die einheimische verdrängen. Doch die Forschungsdiskussion der letzten Jahre zeigt, dass die Meinungen diesbezüglich auseinandergehen. Denn viele Neuankömmlinge haben entweder keinen oder sogar einen positiven Einfluss auf die heimische Natur.

Immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist heute die Stärkung des gesamten Lebensraums und seiner Entwicklungsdynamik wichtiger als die Wiederherstellung eines früheren "Urzustands". So ist sogar die Rede davon, dass die Rhetorik um "invasive" Arten fremdenfeindliche Ressentiments schüre.

Hilft den Einheimischen: der Afrikanische Tulpenbaum

Nicht heimisch auf Puerto Rico: der Afrikanische Tulpenbaum. Auf landwirtschaftlichen Brachflächen half er bei der Rückkehr einheimischer Arten.

Ein Beispiel für eine fruchtbare Neubelebung durch nicht-einheimische Arten lässt sich auf Puerto Rico nachvollziehen. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde dort Wald massiv abgeholzt, um Platz für die Landwirtschaft zu schaffen. Heimische Arten, darunter unter anderem der Höhlen-Pfeiffrosch, verschwanden zusehends. Nach einiger Zeit aber brachen die Preise für landwirtschaftliche Produkte ein, die Bauern verließen ihr Land und zogen in die Städte.

Zurück blieben Brachflächen, die Natur eroberte sich die Insel zurück. Doch das war - zumindest am Anfang - nicht die ursprüngliche Flora und Fauna, sondern vor allem der Afrikanische Tulpenbaum. Er bildete die Grundlage für die Rückkehr des Höhlen-Pfeiffroschs, der jetzt im Tulpenbaum pfeift. Das Beispiel zeigt: Neophyten können auch als Helfer dienen - für Einheimische.

Invasive Insekten: schädlich für Mensch und Landwirtschaft?

Tropische Stechmücken wie die Asiatische Tigermücke oder die Asiatische Buschmücke tauchen immer häufiger auch in Deutschland auf. Die Asiatische Tigermücke gilt als besonders gefährlich, da sie mehr als 20 Krankheitserreger übertragen kann, darunter das Dengue-, Gelbfieber- und West-Nil-Virus, aber auch das berüchtigte Zika-Virus. Auch die tropische Hyalomma-Zecke, die 2018 gehäuft und auch 2019 in Deutschland beobachtet wurde, könnte zum Beispiel das Krim-Kongo Hämorrhagische Fieber übertragen. Die Riesenzecke hat sich aber in unseren Breiten noch nicht fest eingenistet, wie Forschende der Universität Hohenheim berichten.

Die Auwaldzecke, die sich ab den 1970er-Jahren aus Südosteuropa auch nach Deutschland ausgebreitet hat, kann neben den für Hunde gefährlichen Babesien-Bakterien auch das FSME-Virus übertragen. Eine weitere, wohl aus dem Mittelmeerraum zu uns eingewanderte Zecke, ist Ixodes inopinatus. Sie ähnelt dem Gemeinen Holzbock und kann FSME- und Borreliose-Erreger übertragen.

Neue Arten: Dieses Insekt kann ganze Ernten vernichten

Insekten wie die aus Südostasien eingewanderte Kirschessigfliege stellen zwar für den Menschen keine gesundheitliche Bedrohung dar, können aber ganze Ernten vernichten. Die Beute der Kirschessigfliege sind Weichobstarten wie Süßkirschen, aber auch Himbeeren, Brombeeren, Pfirsiche, Pflaumen, etc. Sie "sägt" die fast reifen Früchte an und legt dort Eier ab. Die geschlüpften Larven fressen die Früchte von innen her kaputt.

Die Raupen der Baumwoll-Kapseleule sind eingewanderte Schädlinge, die sich in Pflanzen hineinfressen.

Auch ein Schmetterling namens Baumwoll-Kapseleule (Helicoverpa armigera) könnte bei steigenden Temperaturen für die Landwirte hierzulande zum Problem werden. Das natürliche Verbreitungsgebiet des Insekts reicht von den Tropen bis in den Nahen Osten. Im extrem heißen Sommer des Jahres 2003 kam der Falter, der bis zu 1.000 Kilometer weit fliegen kann, jedoch bis nach Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Raupen des Schmetterlings sind Schädlinge. Sie fressen sich in die Pflanzen von Mais, Tomaten und Obstsorten hinein, sodass diese nicht mehr wachsen. Ernteeinbußen oder gar Ernteausfälle für die Bauern sind die Folge.

Invasive Arten: Wenn Tiere auf Wanderschaft sind

Artenvielfalt: Tierische Einwanderer kritisch beobachten

Das Bundesamt für Naturschutz legt für die in der freien Natur etablierten neuen Arten Datenblätter an, um auf wissenschaftlicher Basis eine Bewertung vornehmen zu können. "Wir brauchen genaue Untersuchungen: Wo sind die Arten überhaupt verbreitet, welche Ernährungsweise haben sie? Und dann muss man schauen, welche Auswirkungen das auf andere Arten hat. Wenn man dann harte Daten hat, muss man gegebenenfalls mit Steuergeldern im Rahmen von Managementplänen eingreifen", meint Christian Magerl, Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt- und Verbraucherschutz im Bayerischen Landtag.

Der Ochsenfrosch, ein Eindringling aus Nordamerika, fiel erstmals vor 15 Jahren in süddeutschen Baggerseen auf.

Christine Margraf, Artenschutzreferentin für Südbayern beim Bund Naturschutz, warnt vor übertriebenem Aktionismus: "Der Ochsenfrosch wird massiv bekämpft, auch zu Recht, weil klar ist, dass er heimische Arten verdrängt. Aber überall, wo das nicht nachgewiesen ist, nur zu sagen, weil sie fremd sind, müssen sie weg, das ist übertrieben." Wenn sich fremde Arten an die neue Flora oder Fauna anpassen, können sie die heimische Artenvielfalt auch bereichern.

Gottesanbeterin - Invasion durch Klimawandel?

Tiere des Südens

"Mantis religiosa" lautet der wissenschaftliche Name der Gottesanbeterin. Denn wenn sie die Beine anwinkelt, sieht sie aus, als ob sie beten würde. In Wirklichkeit lauert sie auf Beute. Die Fangschrecke schnappt blitzschnell zu und frisst Insekten wie Bienen, Fliegen, Milben, Heuschrecken. Das zarte grüne Flügelwesen mit den kräftigen Beinen, deren Schenkel einer Säge gleichen, ist eigentlich im warmen Mittelmeerraum zu Hause.

Reisende per Zug

Auf dem ehemaligen Güterbahnhof in Berlin-Schöneberg wurde schon 1998 eine Mantiden-Population entdeckt. Dieser Bestand ist genetisch verwandt mit den Mantiden in Tschechien. Wie sind die Tiere dorthin gekommen? Mit einem Zug aus dem Süden oder haben "Naturfreunde" sie ausgesetzt? Jedenfalls können sich die Schrecken auf dem Berliner Güterbahnhof ungestört entwickeln und außerdem ist es dort schön warm.

Einwanderer aus Osten

Auch in anderen östlichen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen breiten sich die Insekten aus, vor allem an den Rändern von Tagebaugebieten oder auch auf Truppenübungsplätzen. Von insgesamt vierzehn Fundorten ist die Rede, die Hälfte davon wurde erst im Jahr 2014 entdeckt. Bei den sächsischen Gottesanbeterinnen vermuten Forscher, dass sie aus Polen durch das warme Elbtal eingewandert sind. Laut dem Naturschutzbund NABU sind die Insekten mittlerweile auch in Thüringen heimisch - vor allem werden Sichtungen aus dem Kyffhäuserkreis gemeldet. Erste Exemplare wurden 2018 gemeldet.

Routen von Westen

Einwanderungen sind auch aus dem südlichen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bekannt. Fundmeldungen aus dem Moseltal bei Trier deuten auf eine Einwanderungsroute über Luxemburg hin. Möglicherweise begünstigt der Klimawandel die Ausbreitung des wärmeliebenden Insekts nach Norden hin. In den Eigelegen (Oothek) sind die Eier geschützt und können Temperaturen bis zu minus 40 Grad überstehen. Aus einem Gelege kriechen durchschnittlich 150 Jungtiere. Die Männchen sind kleiner - und werden so manches Mal nach der Paarung von den Weibchen verspeist.

Grauhörnchen gegen Eichhörnchen - Folgen der Invasion

Folge eingewanderter, invasiver Tierarten: Das einheimische Eichhörnchen wird in England vom Grauhörnchen vertrieben.

Vor gut einem Jahrhundert wurden ein paar Exemplare des nordamerikanischen Grauhörnchens Sciurus carolinensis in England ausgesetzt. Seither haben sie sich ungehemmt vermehrt und ausgebreitet - zum Schaden des einheimischen Eichhörnchens, das wohl bald aus den britischen Wäldern und Parkanlagen verschwunden sein wird. Um das zu verhindern, wurden in Großbritannien mittlerweile drei Eichhörnchen-Reservate eingerichtet.

Im Gegensatz zum europäischen Hörnchen sind Grauhörnchen große Waldschädlinge und Nahrungskonkurrenten der heimischen Vogelwelt. Da sie beim Futtern lange nicht so wählerisch sind, konnten sie die Eichhörnchen schnell aus den heimischen Parks vertreiben. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das erste Grauhörnchen - absichtlich oder versehentlich - über den Kanal geschmuggelt wird und seinen Siegeszug in Europa fortsetzt.

Kalikokrebse vernichten einheimische Amphibien und Wasserinsekten

Kalikokrebse breiten sich rasant aus. Sie fressen alles und hinterlassen nur braune Brühe.

Der Kalikokrebs stammt ursprünglich aus Nordamerika. Der gefräßige Flusskrebs vernichtet schützenswerte Amphibien und Insekten, die im oder am Wasser leben. Vermutlich wurde ein Exemplar 1993 in der Nähe von Baden-Baden ausgesetzt. Mittlerweile hat sich der Kalikokrebs im gesamten Oberrhein rasant ausgebreitet. Forscher der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe beobachten das die Zahl der Krebse in Baden-Württemberg explosionsartig steigt. So schätzen sie, dass der Kalikokrebs bereits 80 Prozent der Auengewässer für sich erobert hat. Sie bevorzugen lehmige Gewässer und Auen und fressen nicht nur alles, sondern können dazu noch Erreger wie die Krebspest auf einheimische Flusskrebsarten übertragen. Da sich Kalikokrebse in extrem kurzen Zyklen vermehren, soll verhindert werden, dass sie sich weiter ausbreiten.

Von Europa in die USA eingewandert: der Star

Invasion als Schwarm

Aus Europa in die USA eingewanderte Tierart: der Star

Riesige Schwärme des Sturnus vulgaris, des Europäischen Stars, ziehen in den USA durch die Lüfte und belagern ganze Landstriche. Das berichtet "Natur. Das Magazin für Natur, Umwelt und besseres Leben" in seiner Ausgabe vom November 2013. Zu einer echten Plage geworden, richten die Vögel ungeheuren Schaden an. 2009 ergab eine Studie der Cornell University, dass Stare in der US-amerikanischen Landwirtschaft jedes Jahr einen Schaden von rund 800 Millionen Dollar verursachen. Dabei gab es bis Mitte des 19. Jahrhunderts gar keine europäischen Stare in den USA.

Shakespeare und ein Apotheker sind schuld

Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Vögel dieser Art in die USA. Schuld daran war der amerikanische Apotheker Eugene Schieffelein, der Shakespeare unglaublich liebte. Seine Liebe zu dem Dichter ging so weit, dass er alle 600 Vogelarten, die bei Shakespeare erwähnt wurden, in die USA bringen wollte. So importierte er 1890 auch sechzig Stare aus England nach New York, ein Jahr später kamen 40 weitere Vögel hinzu. Inzwischen wird die Zahl auf 150 bis 200 Millionen geschätzt.

Ökologische Nische besetzt

Bis heute wissen Ornithologen nicht genau, warum sich der Europäische Star in den USA so rasant ausbreiten konnte. Sie vermuten, dass die Allesfresser hier reichlich Nahrung fanden und ihnen das gemäßigte Klima entgegenkam. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Stare keine einheimischen Vögel verdrängten. Offenbar müssen die eingewanderten Europäer eine ökologische Nische gefunden haben.

Von Manhatten über die USA

Forscher wissen mittlerweile, dass die Vögel zunächst nur in Manhattan blieben. Zehn Jahre nachdem sie in die USA einwanderten, waren sie schon im Großraum New York zu finden. Durch den Vogelzug kam der Star auch in den Süden, dann setzte sich die Invasion nach Westen und Norden fort. 1921 kamen die Stare in Ohio an, 1942 landeten sie an der Pazifikküste. Mittlerweile leben sie zwischen Alaska und Baja California.

Abwehrversuche

Mit den unterschiedlichsten Mitteln wurde versucht, den Staren Herr zu werden: Eulenrufe aus Lautsprechern sollten sie abschrecken, genau wie Luftballons, Attrappen oder Juckpulver. Eingesetzt wird DRC-1339, ein Vogelgift, an dem Tiere, die es gefressen haben, sterben. Oder Chemikalien, die an den Federn der Vögel festkleben und die Tiere dadurch erfrieren lassen. Laserstrahlen und Knallkörper sollen die Schwärme vertreiben. Doch bisher war keine Methode wirklich erfolgreich.

Sendungen zum Thema invasive Tierarten (Neozoen):


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