Eine gute Entschuldigung Wie ihr richtig um Verzeihung bittet
Ihr habt etwas verbockt und eine Entschuldigung ist angebracht? Wir haben Beispiele und Tipps, wie ihr euch richtig entschuldigt und um Verzeihung bittet - und wann ihr auch selbst Fehler verzeihen solltet.
Zeit für eine Entschuldigung: Wann ihr um Verzeihung bitten solltet
Wann habt ihr euch eigentlich das letzte Mal entschuldigt? Vermutlich ist das gar nicht mal so lange her. Ob nach einem unabsichtlichen Rempler an der Kasse, oder bevor wir jemanden anhalten, um nach dem Weg zu fragen - ein schnelles "Sorry" oder "Entschuldigung" geht uns im Alltag recht leicht von den Lippen, ganz ohne darüber nachzudenken. Je persönlicher, desto schwerer wird das Ganze aber. Die Reue nach einem Wutausbruch. Die Einsicht, einen geliebten Menschen bewusst verletzt zu haben. "Die Funktion der Entschuldigung ist, zu vermitteln: Ich versetze mich in dich hinein. Ich spüre, dass ich etwas getan habe, was dich verletzt hat, was dich gekränkt hat. Ich habe das erkannt und ich bedaure dies", so der Paartherapeut Hans-Georg Lauer, den das Thema beruflich intensiv beschäftigt. Kein Wunder: Manche Entschuldigungen bleiben lange unausgesprochen und können eine Beziehung zwischen zwei Menschen nachhaltig schädigen. Dabei sind Entschuldigungen keine reine Privatsache. Prominente wie Politiker werden an ihrem öffentlichen Umgang mit Fehltritten gemessen. Auch Gerichtsurteile können mitunter milder ausfallen, wenn Angeklagte Reue zeigen.
Audio: Entschuldigung ist nicht gleich Entschuldigung
Die richtigen Worte: Wie ihr eine gute Entschuldigung formuliert
Es tut mir leid. Kommt nicht wieder vor. Sorry, mein Fehler. Ich bitte um Entschuldigung. Kannst du mir verzeihen? Der Ton macht die Musik, aber auch die Worte wollen richtig gewählt sein. Denn es gibt sehr unterschiedliche Nuancen, die - gewollt oder nicht - auf die eigentlichen Intentionen der sie äußernden Person schließen lassen. Laut Hans-Georg Lauer ist eine Entschuldigung dann gut, "wenn sich der Empfänger danach auf den Weg des Vergebens machen kann und eine Versöhnung möglich ist. Dafür sollte sie erstens authentisch und zweitens persönlich auf die kränkende Situation ausgerichtet sein."
Wer es ernst meint, sollte lieber um Entschuldigung oder Verzeihung bitten, denn "sich" entschuldigen kann man im Grunde nicht. Wörtlich würde das bedeuten, dass man sich selbst die Schuld erlässt, was aber nur der Gekränkte tun kann. Auch solltet ihr vermeiden, eine Rechtfertigung als Entschuldigung zu verkaufen. "Es tut mir leid, aber… " - den Trick wird euer Gegenüber schnell durchschauen. Eine rein eigennützig geäußerte Ausrede kann das Vertrauen zwischen zwei Menschen noch mehr schädigen. Und: Auch eine ernst gemeinte Entschuldigung ist kein Allheilmittel, denn nicht alles ist entschuldbar.
Wichtig: Sich ehrlich entschuldigen
"Das Wichtigste ist, eine Entschuldigung nie nur aus taktischen Gründen einzusetzen."
Hans-Georg Lauer, Paartherapeut und Coach
Video: So formuliert ihr eine gute Entschuldigung
Wichtige Bausteine: Die sechs Komponenten für eine gute Entschuldigung
Roy Lewicki, Sozialpsychologe und Professor für Wirtschaftsethik, hat in einer Studie 2016 sechs Komponenten für eine erfolgreiche Entschuldigung identifiziert.
- Ausdruck von Bedauern
- Erklärung, was falsch gemacht wurde
- Aufsichnehmen der Verantwortung
- Bekunden von Reue
- Angebot der Wiedergutmachung
- Bitte um Verzeihung
Das ergaben zwei voneinander unabhängige Experimente mit insgesamt 755 Teilnehmern. Am besten reagierten die Testpersonen auf Entschuldigungen, die alle sechs Punkte beinhalteten. "Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die wichtigste Komponente das Aufsichnehmen der Verantwortung ist. Zu sagen: Es ist meine Schuld, ich habe einen Fehler gemacht", so Lewicki in einer Veröffentlichung der Ohio State University. Nach der Formel wäre ein Beispiel für eine optimale Entschuldigung also: "Entschuldigung. Ich habe da zu wenig auf deine Gefühle geachtet. Das hätte ich als dein Partner müssen, und dass ich das nicht getan habe, bedaure ich. Beim nächsten Mal werde ich dich von Anfang an mit einbeziehen. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen."
Eine gute Entschuldigung: mehr als eine Floskel?
"Eine Entschuldigung verlangt auch den entsprechenden Mut. Ich muss zu meinem Verhalten stehen. Ich muss für mich erkannt haben, was schief gelaufen ist, und die Verantwortung dafür übernehmen. Den Mut haben, das dann anzusprechen und mich ein Stück weit dadurch verletzlich zu machen. Weshalb der andere dann skeptisch sein sollte, wenn die Entschuldigung zu häufig und vielleicht zu oberflächlich ausgesprochen wird. Und wenn sich dann auch am Verhalten nichts ändert. Es ist auch eine Art Selbstverpflichtung, die mit so einer Entschuldigung einhergeht. Das ist also nichts, was inflationär oder unbedacht gebraucht werden sollte."
Hans-Georg Lauer, Paartherapeut und Coach
Experten-Tipps für Entschuldigungen: So sagt ihr am besten ‚Es tut mir leid‘
Hier die besten Tipps von unserem Experten Hans-Georg Lauer, Paartherapeut und Coach:
- Wartet nicht zu lange mit einer Entschuldigung. Wenn ihr bereit dazu seid, sprecht sie möglichst bald im Anschluss an das kränkende Ereignis aus.
- Formuliert die Entschuldigung so, dass sie auch wirklich den Gesprächspartner in den Blick nimmt.
- Versucht, euch von Rechtfertigungen im Rahmen von Entschuldigungen fern zu halten.
- Verzichtet auf "Aber" und "Wenn".
- Macht einen Ausblick: ein Zugeständnis, dass ihr das kränkende Verhalten nicht nur verstanden habt, sondern auch in Zukunft bereit seid, davon abzulassen.
- Erklärt euch innerlich auch bereit, einen Prozess des Vergebens oder Verzeihens anzuschieben und euch Gedanken zu machen.
- Versucht nie, euren Partner oder eure Partnerin zu einer Entschuldigung oder zum Vergeben zu zwingen. Achtet lieber auf euch selbst: Was könnte euch helfen, falls es länger als erwartet braucht, bis eine entsprechende Entschuldigung kommt?
Nicht nur Kinder: Kann man richtiges Entschuldigen lernen?
Richtiges Entschuldigen will gelernt sein. Schon Kindern sollte man mitgeben: Leere Floskeln reichen nicht.
Bitte, danke, Entschuldigung. Schon für Kleinkinder gehören diese Worte zum Kanon des guten Benehmens, zu den ersten Dingen, die viele lernen. Warum fällt es uns dennoch so schwer, uns zu entschuldigen - auch in späteren Jahren? Hans-Georg Lauer kennt das aus seiner Arbeit mit Paaren. Manchen Menschen falle es demnach besonders schwer, eigenes Fehlverhalten einzugestehen: "Sei es, dass sie das aus der Herkunftsfamilie nie gelernt haben, sei es, dass sie eine gewisse Unsicherheit mit sich tragen, Selbstwertprobleme haben oder umgehrt eine gewisse Selbstwertüberhöhung bis hin zu narzisstischen Zügen. Selbst wenn sie das kognitiv noch so gut verstanden haben, will es ihnen einfach nicht über die Lippen kommen." Lauer sagt aber auch, dass Entschuldigungen zu einem gewissen Grad erlernbar sind: "Es ist eine Frage des Willens, des Alters und auch der Persönlichkeit. Ein gutes Selbstwertgefühl ist die halbe Miete. Dann gelingt es auch leichter, mit Enttäuschungen, Selbstkritik und Ansprüchen an mich umzugehen."
Verzeihen können: Wie man eine Entschuldigung richtig annimmt
Zum Prozess der Versöhnung gehört nicht nur die Entschuldigung, sondern auch die Vergebung. Die gekränkte Person, die eure Entschuldigung annimmt und euch das Fehlverhalten nicht mehr nachträgt. Doch nicht immer ist das möglich. Und nur, weil ihr euch entschuldigt, steht der andere nicht in der Pflicht, zu vergeben. Aus reiner Sturheit nachtragend bleiben nutzt zwar wenig, aber auch verzeihen sollte man ehrlich und authentisch, sagt Paartherapeut Hans-Georg Lauer. "Eine zu schnelle Vergebung kann sich als Bumerang erweisen, und man fühlt sich damit vielleicht innerlich doch nicht wohl. Insoweit ist es glaube ich auch eine Frage der Selbsterkennntnis. Zu spüren: Wann bin ich wirklich so weit? Ich würde auch dazu raten, nur das zu vergeben, wo man selbst spürt, ich kann es loslassen."
Audio: Von der Entschuldigung zur Vergebung
Versöhnung in der Beziehung: Entschuldigen und Vergeben ist ein Prozess
"Ich erlebe häufiger Paare, da befördert zwar eine gewisse Einsicht eine Entschuldigung. Aber die Paardynamik ist so stark, so festgefahren, dass die entsprechende Verhaltensänderung dann unterbleibt. Weshalb es manchmal auch gar nicht so klar ist, wer denn nun eine Entschuldigung aussprechen sollte. Häufig ist es eine Art von Wechselwirkung, wo sich beide irgendwie ineinander verstrickt haben und eine Entschuldigung oder inneres Vergeben sicherlich helfen würde. Ich habe Paare, bei denen das kränkende Ereignis nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte zurückliegt. Und wo sich beide irgendwann in dieser Kränkung eingerichtet haben. Da ist es dann meistens ein längerer Prozess, der nicht nur durch eine bestimmte Entschuldigung zu einer Veränderung führt. Das reicht dann nicht. Oft sitzen die Kränkungen tiefer und es braucht einen Aufarbeitungsprozess. Darin wird zum einen Verantwortung für das Fehlverhalten übernommen, und zum anderen entsteht die Einsicht: Weshalb hat dieses Thema so stark verletzend gewirkt? Es gilt auch, die individuellen biografischen Voraussetzungen wechselseitig besser zu verstehen, weshalb es überhaupt so weit kommen konnte." Hans-Georg Lauer, Paartherapeut und Coach
Video: Politiker und die große Geste der Entschuldigung
Mehr Infos und Sendungen rund um Entschuldigung, Vergebung und Versöhnung
- Sechs Komponenten für eine gute Entschuldigung: Studie von Roy Lewicki et al., 2016
- "SPEZIAL: Verzeihen - Das bringt es DIR": Quarks Daily, WDR, 17.08.2024
- "#75 Entschuldigung: Wofür noch mal?": Flexikon, N-JOY, 04.06.2024
- "Entschuldigung im Privaten - Von echter Reue zur Versöhnung (2/2)": Das Wissen, SWR Kultur, 28.03.2024, 08.30 Uhr
- "Entschuldigung in der Öffentlichkeit - Vom Kniefall zur Social Media-Floskel (1/2)": Das Wissen, SWR Kultur, 27.03.2024, 08.30 Uhr
- "'Sorry, tut mir Leid' - Die Kunst sich zu entschuldigen": Wie wir ticken - Euer Psychologie-Podcast, BR, 21.02.2024
- "Vergebung als Chance - Ein Prozess der inneren Aussöhnung": radioWissen, Bayern 2, 31.12.2023, 09.05 Uhr
- "Tiefer Graben, ausgestreckte Hand - Wie schwierig ist Versöhnung?": Der Tag, hr2-kultur, 12.12.2023, 18.05 Uhr
- "Nonpology - erklärt von Bernhard Pörksen": SWR2 am Samstagnachmittag, SWR2, 02.12.2023, 14.05 Uhr
- "Ausstellung: It's so hard to say I'm sorry": Abendschau - Der Süden, BR, 30.11.2023, 17.30 Uhr
- "Sorry Leute": Sucht & Süchtig, ARD, 22.11.2023
- "Die Kunst der Versöhnung": Politik und Gesellschaft, 3sat, 10.11.2023, 12.10 Uhr
- "Die Kunst der Entschuldigung: So fällt es uns leichter", Die Ratgeber, hr, 05.10.2023, 18.45 Uhr
- "'Sorry, tut mir leid' - Die Kunst sich zu entschuldigen": radioWissen, Bayern 2, 13.09.2023, 09.05 Uhr
- "Knietzsche und die Entschuldigung · Knietzsche, der kleinste Philosoph der Welt": planet schule, WDR, 03.02.2023, 07.50 Uhr
- "Spiegel, Steinmeier, Lauterbach - Welche Fehler verzeihen Sie?": Tagesgespräch, ARD apha, 11.04.2022, 12.05 Uhr
- "Ich sage Entschuldigung": Meine Challenge, MDR, 25.03.2022
- "Superpower: Vergebung": Freundschaft plus, Bayern 3, 23.02.2022
- "Öffentliche Entschuldigung - Starke Geste oder reine Show?": Quarks Daily, WDR, 19.02.2022
- "Altlasten | Wie man nach Jahren reinen Tisch macht": Die Lösung, PULS, 13.04.2021
- "Die Ausrede - Philosophie des Ausweichens": radioWissen, Bayern 2, 03.03.2021, 09.05 Uhr
- "Versöhnung": MaiLab, funk, 25.02.2021
- "Vergebung? Mein Bruder starb durch den Fehler einer anderen | Wie gehen wir mit Schuld um? Folge 5": Die Frage, funk, 21.07.2020
- "Schuldgefühle - Wenn Selbstvorwürfe zur Qual werden": radioWissen, Bayern 2, 15.07.2020, 09.05 Uhr
- "Die besten Ausreden für die Schule": Bubbles, funk, 28.09.2018
- "Entschuldigungen der Politiker": Panorama, Das Erste, 10.02.2000