People Pleaser Stoppt eure Harmoniesucht
Wollt ihr es anderen immer recht machen? Wenn euch Harmonie über alles geht, geht ihr selbst unter. Wir haben Tipps, woran ihr erkennt, ob ihr People Pleaser seid und wie ihr eure Harmoniesucht stoppt.
Definition und Übersetzung: Was der Begriff People Pleaser auf Deutsch bedeutet
Wer ist ein People Pleaser? Der Begriff People Pleasing stammt aus dem anglo-amerikanischen Raum und bedeutet auf Deutsch "Menschen gefallen". Ein People Pleaser ist also jemand, der anderen Menschen gefallen und es ihnen deshalb möglichst recht machen will. People Pleaser können sich nicht gut von anderen abgrenzen und scheuen den Konflikt.
Video: Wie People Pleaser aus der Harmoniefalle kommen
People Pleaser und Harmoniesucht: Harmonie im Job und privat im Mittelpunkt
People Pleaser sind häufig harmoniesüchtig und können im Arbeitskontext nicht Nein sagen. Das kann zu einem Burn-out führen.
Thomas Bachmann, Privatdozent für Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, unterscheidet im Arbeitskontext drei verschiedene Typen von Harmoniebedürftigkeit: Vermeidung, Beschwichtigung und Fassade. Bei der Vermeidung versucht man, Konflikte zu umschiffen. Bei der Beschwichtigung werden die eigenen Bedürfnisse an andere angepasst. Beim dritten Typus, der Fassade, ist man nett und zugänglich, aber schafft es trotzdem, seine Interessen durchzusetzen. People Pleaser zählen vor allem zu den ersten beiden Typen.
Im Arbeitskontext fällt es oft doppelt so schwer, Grenzen zu ziehen: Ein Nein kann Konflikte und im schlimmsten Fall Konsequenzen nach sich ziehen. Bei People Pleasern kann das Jasagen jedoch extreme Formen annehmen. Euer Chef überträgt euch eine arbeitsintensive und unbeliebte Aufgabe und ihr lächelt die Belastung weg? Eure Kollegin fragt euch, ob ihr mal wieder für sie einspringt? Nicht nur im Job, auch in engen Beziehungen wie in Partnerschaften, innerhalb der Familie oder in Freundschaften sind People Pleaser oft darum bemüht, sich nach anderen zu richten. Sie tun das aber nicht aus Altruismus oder Freundlichkeit. Dahinter steckt die Befürchtung, von anderen nicht mehr gemocht zu werden, wenn sie sich nicht anpassen: People Pleaser haben Angst, sich unbeliebt zu machen, wenn sie widersprechen.
Zugunsten der Harmonie unterdrücken Betroffene ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche: Zum Beispiel eine Mutter, die immer nach dem Prinzip handelt 'Geht es euch gut, geht es mir gut' und ihr Wohlbefinden dabei vergisst. Manche People Pleaser machen mit ihrem Partner oder Partnerin immer den gleichen Strandurlaub und trauen sich nicht zu sagen, dass sie auch gerne mal eine Rundreise machen würden. Andere treffen sich immer im Lieblingsrestaurant ihrer Freunde, obwohl sie das Essen oder das Ambiente gar nicht mögen. Aus Angst, sich unbeliebt zu machen, verschweigen People Pleaser oft ihre eigene Meinung.
Audio: Das solltet ihr über People Pleasing wissen
Zitat: People Pleaser sagen reflexartig Ja und selten Nein
"People Pleaser neigen oft zu dem automatischen Reflex, Ja zu sagen. Etwa im 5. und 6. Lebensjahr erlernen wir unseren Umgang mit Konflikten. Im Erwachsenenalter wissen Betroffene oft nicht, was sie wollen und orientieren sich deshalb an anderen. Außerdem fürchten sie negative Reaktionen und Zurückweisungen, wenn sie sich abgrenzen. Im Arbeitskontext kann das dazu führen, dass Mitarbeiter immer mehr Aufgaben übernehmen, weil sie zu allem immer Ja sagen. Diese Menschen sind dann häufig Burn-out-Kandidaten. Sie müssen erst lernen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und sich abzugrenzen."
Thomas Bachmann, Privatdozent für Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin
Audio: Deshalb sollten People Pleaser Grenzen setzen
KENNZEICHEN: Bist du ein People Pleaser?
Harmoniesucht kann euch schaden: People Pleaser sagen häufig reflexartig Ja und müssen erst lernen, Grenzen zu setzen.
Wenn ihr aufeinanderzugeht und Kompromisse eingeht, ist das für ein funktionierendes Miteinander wichtig. Empathie ist eine wichtige Stärke. Anstrengend und vor allem auch kritisch für euch wird es, wenn ihr euch zu stark nach anderen richtet. Wo liegt hier die Grenze und woran erkennt ihr, ob ihr People Pleaser seid? Die Psychologin Dr. Ulrike Bossmann ist Autorin des 2023 erschienenen Buches "People Pleasing. Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen". Ihr zufolge leiden People Pleaser vor allem unter einer entscheidenden Belastung: Betroffene achten bei ihren Mitmenschen besonders stark auf Signale, die ihre gemeinsame Beziehung oder den eigenen Selbstwert gefährden könnten.
Solche Situationen und Gedanken kennzeichnen People Pleaser: Macht ihr euch oft Gedanken, was andere über euch denken? Schaut ihr ständig darauf, ob jemand anderes verärgert aussieht? Denkt ihr noch länger darüber nach, ob ihr im Meeting etwas Blödes gesagt habt? Habt ihr bei euren Entscheidungen Angst, wie andere darauf reagieren? Macht ihr euch Sorgen, dass jemand mit euch unzufrieden sein könnte? Habt ihr ein schlechtes Gewissen, wenn ihr mal eine Pause macht? Entschuldigt ihr euch sogar, wenn euch jemand anrempelt?
Um zu erkennen, ob ihr ein People Pleaser seid, empfiehlt Ulrike Bossmann, das eigene Verhalten zu beobachten: In welchen Situationen entschuldigt ihr euch, wenn es nicht angebracht ist? Wann widersprecht ihr nicht, obwohl ihr anderer Meinung seid? Ihr solltet euch außerdem genauer anschauen, welche Lebensbereiche das People Pleasing betrifft und wie intensiv ihr Gefühle wie ein schlechtes Gewissen und Besorgnis wahrnehmt. Entscheidend ist auch, welche Auswirkungen euer Verhalten auf euer Wohlbefinden hat.
Folgen von Harmoniesucht: Woran People Pleaser leiden
People Pleasing ist zwar keine Störung, dennoch können die Verhaltensweisen zu Mental Load und Stress führen. Weil sie die Erwartungen anderer erfüllen wollen, neigen People Pleaser zu Multitasking, Perfektionismus und grübeln häufig über ihr Verhalten. Das wiederum kann zu Depressionen und Erschöpfung führen. People Pleaser haben auch ein höheres Risiko für ein Burn-out.
Ursachen für Harmoniesucht: Wie und warum wird man People Pleaser?
People Pleasing und unser Umgang mit Konflikten geht häufig auf Erlebnisse in der Kindheit zurück. Wird den Emotionen und Bedürfnissen von Kindern kein oder viel zu wenig Raum gegeben, lernen Kinder fälschlicherweise, dass ihre Gefühle nicht relevant sind. Im Erwachsenenalter fürchten Betroffene deshalb, sie könnten sich anderen nicht "zumuten". Der Psychologin Ulrike Bossmann zufolge spielt in diesem Zusammenhang die Beschämung von Kindern eine große Rolle: Werden beispielsweise Meinungen, Fähigkeiten oder Berufswünsche kleingeredet und abgewertet, wirkt das häufig noch bis ins Erwachsenenalter nach und hat ein niedriges Selbstwertgefühl zur Folge. Ein weiterer Aspekt, der zu People Pleasing im Erwachsenenalter führen kann, nennt sich Parentifizierung: Kinder müssen die Erwachsenenrolle übernehmen. Das passiert beispielsweise, wenn Kinder schon früh auf kleine Geschwister aufpassen mussten oder zum Vertrauten eines Elternteils gemacht werden. Kindern kann das schaden: Sie müssen zu viel Verantwortung für ihr Alter übernehmen und sind überfordert. Als Erwachsene haben Betroffene dann Probleme, für sich einzustehen und Grenzen zu setzen.
Zitat: People Pleaser sind eher Frauen als Männer
"Frauen sind historisch gesehen geübt darin, die Bedürfnisse anderer vor ihre eigenen zu stellen und sich mit ihren Meinungen und Wünschen zurückzuhalten. Nicht zuletzt, da sie häufig finanziell abhängig und damit dem Wohlwollen ihrer Väter, Ehepartner oder anderer Männer in ihrem Leben ausgesetzt waren - und teils bis heute noch sind. Diese Muster verschwinden nicht einfach, wenn allerorts Gleichstellungsbeauftragte benannt oder einzelne Gesetze angepasst werden. Genauso wenig wie verinnerlichte gesellschaftliche Erwartungen und Normen darüber, wie sich Frauen zu verhalten, auszusehen und zu sein haben, mal eben so abgestellt werden können."
Dr. Ulrike Bossmann in: 'People Pleasing. Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen'
Narzissten: Das Gegenteil von People Pleasern
Narzissten sind das Gegenteil von People Pleasern. "Narzissten haben ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl und füllen ihre innere Leere durch Bewunderung von außen. Deshalb sind sie häufig von Bewunderern abhängig", erklärt der Psychologe Thomas Bachmann. Narzissten würden außerdem kein negatives Feedback dulden und seien leicht kränkbar. Treffe ein Narzisst auf einen People Pleaser, der zu allem Ja sagt und Angst hat, zu widersprechen, verstärkten sich diese Effekte. Menschen mit diesen Persönlichkeiten ziehen einander oft in einer toxischen Verbindung an.
People Pleaser meiden den Konflikt. Grenzen zu setzen und Nein zu sagen, ist aber wichtig für das eigene Wohlbefinden.
Tipps für People Pleaser: So stoppt ihr People Pleasing und eure Harmoniesucht
- Reflektiert eure Werte in Beziehungen, im Umgang mit anderen und im Beruf: Überlegt euch dafür in Ruhe, wie ihr sein wollt und wie nicht. Was wollt ihr erreichen und was sind eure Grenzen?
- Euer Einfluss darauf, wie Menschen reagieren, ist begrenzt. Ihr könnt jedoch etwas dafür tun, wie ihr sein wollt.
- Wendet die sogenannte Spotlight-Methode an: Stellt euch vor, ihr seid in einem Raum mit vielen anderen. Plötzlich erscheint ein Spotlight auf euch und rückt euch in den Mittelpunkt. Dadurch macht ihr euch bewusst, dass ihr genauso wichtig seid wie andere.
- Horcht in euch hinein und fragt euch: Möchte ich das jetzt wirklich? Habe ich Kapazitäten dafür? Ist das in Ordnung oder übergeht das meine Grenze?
- Führt einen Warum-Tag im Monat ein: An diesem Tag könnt ihr hinterfragen, ob das, was ihr tut, euren Bedürfnissen entspricht.
- Versucht auszuhalten, dass jemand traurig, wütend oder enttäuscht ist. Ihr könnt euer Nein auch nett formulieren. Falls ihr es für nötig haltet, könnt ihr es begründen. Ihr müsst euch aber nicht rechtfertigen. Auch ein Nein ohne Erklärung wie "Nein, das möchte ich nicht" steht euch zu. Auch das lässt sich freundlich, aber bestimmt formulieren. Setzt dabei auch eure Körpersprache ein: Eine stabile Haltung kann ein klares Nein unterstreichen.
- Ihr könnt ein Nein auch positiv formulieren. Statt ein "Nein" könnt ihr positiv besetzte Worte wie "mehr Freiraum" verwenden.
- Wendet das INGA-Prinzip an. Das Konzept setzt sich aus den Anfangsbuchstaben folgender Handlungen zusammen: Interesse signalisieren, Nein sagen, einen Grund nennen und eine Alternative aufzeigen.
- Mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg lassen sich Bedürfnisse formulieren und Konflikte in der Partnerschaft oder im Arbeitsleben konstruktiv lösen. Auch in der Kindererziehung könnt ihr Methoden der Gewaltfreien Kommunikation anwenden.
Quelle: Dr. Ulrike Bossmann in: 'People Pleasing. Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen'
Zitat: Grenzen zu setzen und Nein zu sagen, kann man lernen
"Wenn ich nur an mich selbst denke, bin ich ein Egoist. Wenn ich nur an andere denke, verliere ich mich selbst. Es geht darum, eine Balance zu finden. Fangen People Pleaser plötzlich im Job an, Grenzen zu setzen, kann das in ihrem Umfeld zunächst für Irritationen sorgen. Anfangs sagen sie vielleicht zu stark und zu allem Nein und verwirren damit andere. Im Arbeitskontext Grenzen zu setzen, ist aber ein Prozess, den man lernen kann."
Thomas Bachmann, Privatdozent für Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin
Video: Tipps gegen Harmoniesucht und People Pleasing
Nein sagen lernen: Darum sollten People Pleaser ihre Harmoniesucht stoppen
Es kann sein, dass ihr euer People Pleasing nicht sofort überwinden könnt. Wusstet ihr, dass eine Emotion nur etwa neunzig Sekunden lang ist? Das gibt euch eine Vorstellung davon, wie lange das unangenehme Gefühl andauert, die Reaktion eures Gegenübers auszuhalten. Es ist jedoch durchaus möglich, dass euer Umfeld nicht allzu begeistert ist, wenn plötzlich mal Gegenwind kommt. Das kann dazu führen, dass man versucht, euch zu Dingen zu überreden. Vielleicht wirft man euch auch vor, kompliziert oder zickig zu sein. Der Pychologin Ulrike Bossmann zufolge kann es dann hilfreich sein, sich vorzustellen, dass man mit einem Nein jemand anderem vermutlich nicht das Leben zerstören wird. Sie rät, dennoch bei dem eigenen Nein zu bleiben. Das Aufschieben eines Neins könne die Selbstzweifel sogar noch erhöhen. Dem Psychologen Thomas Bachmann zufolge ist es aber durchaus sinnvoll, die Entscheidung zu verschieben und dann zu sagen: "Ich hab's mir überlegt, ich möchte das jetzt doch nicht." Probiert aus, mit welcher Methode ihr am besten zurechtkommt.
Übrigens neigen People Pleaser dazu, irgendwann richtig sauer zu werden, wenn sie den Ärger lange genug heruntergeschluckt haben. Dann kann das Kitten von Beziehungen schwierig werden. Das könnt ihr vermeiden, indem ihr eurem Gegenüber auch die Möglichkeit gebt, eure Grenzen zu achten. Einige Menschen erahnen eure Gefühle hinter der Fassade vielleicht tatsächlich nicht. Stoppt ihr euer People Pleasing, gebt ihr anderen Menschen die Chance, euch authentisch kennenzulernen. Und: Ihr werdet euer Selbst wegen gemocht.
Quellen und Sendungen: Mehr Infos und Tipps für People Pleaser und gegen Harmoniesucht
- People Pleasing. Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen. Dr. Ulrike Bossmann, Beltz Verlag, 2023
- "The people-pleasing predicament": University of Adelaide, 2023
- Perfektionismus: Mit hohen Ansprüchen selbstbestimmt leben. Christine Altstötter-Gleich, Fay C. M. Geisler, BALANCE Ratgeber, 2018
- "Conflict Management": Patricia Elgoibar, Martin Euwema and Lourdes Munduate, Oxford Research Encyclopedia of Psychology, 2017
- "People Pleaser - Viel zu nett, um wahr zu sein": radioWissen, Bayern 2 Nah dran, 13.09.2024, 09.20 Uhr
- "Selbstbild und Authentizität": radioWissen, Bayern 2, 20.03.2024, 15.05 Uhr
- "Authentisch leben: Die Kunst man selbst zu sein": radioWissen, Bayern 2, 28.02.2024, 09.05 Uhr
- "Bist du harmoniesüchtig?: Terra Xplore, ZDF, 05.02.2024
- "Paula Hartmann über People Pleasing und Essstörungen": Danke, gut. Der Podcast über Pop und Psyche, COSMO, WDR, 25.01.2024
- "People Pleasing - Wenn wir es allen recht machen wollen": Achtsam, Deutschlandfunk Nova, 14.12.2023
- "Mehr Nein, weniger Schaumbad = echte Selbstfürsorge": Die Alltagsfeministinnen, rbbKultur, 05.12.2023
- "PULS People Pleasing (Live mit Fridl Achten) | Warum wir es immer allen recht machen wollen": Die Lösung - der Psychologie-Podcast von PULS, BR, 15.06.2023
- "Arbeitsmedizinerin Dr. Jacob-Niedballa: Grenzen setzen und Nein sagen": Der BR Schlager Treff, BR Schlager, 26.04.2023, 10.05 Uhr
- "Grenzen setzen: Schutz und Selbstbehauptung": radioWissen, Bayern 2, 23.02.2021
- "Howto Neinsagen: 5 Tipps für chronische Jasager": Campus Magazin, ARD alpha, 13.01.2020, 22.45 Uhr