Telekolleg Deutsch Folge 13 Faszination Literatur
Wichtige Aspekte aus den einzelnen Folgen werden hier wiederholt und zusammengefasst.
Übungen I
1. Frage
1. Literatur im weiten Sinne bedeutet die Summe alles Geschriebenen, also jede Form von schriftlicher Aufzeichnung. Welche Kriterien aber muss die Literatur im engeren Sinn von "Schöner Literatur" erfüllen?
1. Lösung
Dr. Martin Hielscher nannte folgende Kriterien der Belletristik: "Also das Element der Schönheit und der Unterhaltsamkeit, der Sinnlichkeit ist ein Element der Literatur und gehört ganz wesentlich zu ihr dazu und das kann man ihr auch gar nicht nehmen, dann ist die Literatur tot. Das Einzige, worum es geht, ist wirklich die Durchdringung, der Grad der Reflektiertheit, der sprachlichen Durcharbeitung, auch das Wissen darüber, dass man in einer Geschichte steht. Also es ist immer schlecht, wenn ein Autor selber nicht liest, wenn er die Literaturgeschichte nicht kennt und nicht weiß, dass er immer schon eine Vorgeschichte hat. Und das merkt man den Texten an, ob Schriftsteller Leser sind."
2. Frage
2. Wie sollte man sich die Entstehung von Literatur nach Professor Dr. Frühwald auf keinen Fall vorstellen?
2. Lösung
Der renommierte Literaturwissenschaftler, Professor Dr. Wolfgang Frühwald stellte in der ersten Folge klar, dass das Lesen seit dem 18. Jahrhundert zur entscheidenden Bedingung des Schreibens wurde: "Dass Literatur, zumindest seit dem 18. Jahrhundert, nicht aus natürlichem Material entsteht, also der Dichter stellt sich auf den Berg, schaut den Sternenhimmel und fängt an zu singen. So entsteht Literatur nicht. Sondern Literatur entsteht aus Literatur seit dem 18. Jahrhundert. Und ein Autor, der nicht gelesen hat, kann heute in der Moderne kein Autor oder keine Autorin sein."
3. Frage
3. Welche beiden Dichter prägten die deutschsprachige Lyrik nach 1945?
3. Lösung
3. Gottfried Benn und Paul Celan prägten entscheidend die Nachkriegslyrik, wobei sie sehr unterschiedliche Wege einschlugen. Benn, der anfangs selbst begeisterter Nazi war, flüchtete nach dem Krieg noch entschiedener in den Raum zweckfreier, reiner Poesie. "Für Benn ist die ästhetische Form, die ganz für sich selbst steht und nicht vereinnahmt werden kann, die einzige Rettung nach Auschwitz", erklärte Prof. Braungart, siehe neunte Folge. Für Celan und auch für Nelly Sachs hingegen waren die Konzentrationslager und der Holocaust die einzig bestimmende Wirklichkeit, die aber kaum mehr in Worten zu fassen war. "Die Koordinaten seiner Lyrik sind die Traumata von Auschwitz. Celan hat dort seine Familie fast komplett verloren. Ausdrucksnot – für diese beispiellosen Gräuel Worte zu finden – und Ausdruckszwang – diesen Zivilisationsbruch festzuhalten, zu erinnern, die Wunde offen zu halten – erwachsen aus dem Thema und bedingen die komplizierte Kommunikationsstruktur dieser Dichtung", erläuterte Prof. Georg Braungart.
4. Frage
4. Worin liegt der Reiz der Lyrik?
4. Lösung
4. Es ist der Anreiz, hinter die manchmal rätselhaften Bedeutungen der Metaphern und Bilder zu kommen, die Bedeutungsebenen der Worte zu fassen, was den Reiz der Lyrik ausmacht. So fokussiert sie auf einzigartige Weise Augenblicke und komprimiert sie. Das macht auch für den Dichter Raoul Schrott, siehe neunte Folge, den Reiz der Poesie aus: "Erzählen heißt von A nach B und B nach C zu kommen, aber ein Gedicht heißt Augenblicke festzuhalten und irgendwie Sinn aus einem winzigen Anlass zu machen, um darin die ganze Welt zu fangen und das ist eine ganz bestimmte Haltung, die mir eigentlich am nächsten liegt, das ist irgendwie Zeit einzufangen, Augenblicke einzufangen."
Übungen II
5. Frage
5. Welche Dichter empfahl Raoul Schrott den Telekollegiaten und warum?
5. Lösung
5. Raoul Schrott hat den Telekollegiaten vier Dichter empfohlen: "Der erste ist Artmann. Da ist der poetische Gestus in aller Frische drin und wenn nichts von Poesie übrig bleiben würde, nur Artmann, könnte man sie perfekt rekonstruieren. Die nächsten beiden, die muss man mal gelesen haben, um zu wissen, was so an Möglichkeit vorhanden ist. Das ist Benn, der aber nachgemacht diese ganze poeta doctorale Feuilleton-Lyrik ergibt. Und dann auf der andern Seite Celan, der schlecht nachgemacht zu einem großen Obskurantismus führt, wo dann drei Worte auf die Seite verteilt schon für ein Gedicht stehen. Und dann als vierten Enzensberger, der mit ganz schlichten Mitteln das Schwierigste meistert, einfach zu schreiben und die Dinge dennoch auf den Punkt zu bringen. Das ist also etwas, was Enzensberger gut beherrscht, und mit diesen vier Dichtern, glaub ich, kann man sehr sehr viel machen", so der Rat aus fachkundigem Mund in der neunten Folge.
6. Frage
6. Was kennzeichnet den "modernen Roman" im Allgemeinen?
6. Lösung
6. Kennzeichen des modernen Romans ist der Zweifel. Er zweifelt an der Verlässlichkeit der Wirklichkeit, an dem Wert etablierter Verhaltensmuster und er überträgt diese Zweifel auf die Gestaltung seiner Figuren. Prof. Wimmer, siehe dritte Folge erläuterte: "Der Roman gilt ja seit der großen Romantheorie von Georg Lukacs im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts als eine Gattung, die die Problematik der Wirklichkeit, also die nicht mehr vorhandene Deutbarkeit der Wirklichkeit, nachvollzieht und widerspiegelt."
7. Frage
7. Warum nannte Thomas Mann Hans Castorp, den "Helden" in seinem Jahrhundertroman "Der Zauberberg", "Wilhelm Meisterchen"?
7. Lösung
7. Wie Thomas Mann dazu kam, seinen Helden "Wilhelm Meisterchen" zu nennen, das erklärte Dr. Thomas Wimmer. "Hans Castorp ist nicht der große Held des Bildungsromans wie Goethes Wilhelm Meister, sondern er ist eine verkleinerte Form. Er ist im Grunde gar kein Held, sondern er ist ein personaler Zufall, ein farbloses Hamburger Patriziersöhnchen, das in ein Sanatorium verschlagen wird und dort eigentlich dann eine Steigerung erfährt, eine Steigerung durch die TBC, eine Steigerung durch die Höhenluft und dieser Ersatzheld wird zu einer Art Schwamm. Ein Schwamm, der die modernen Tendenzen, die Zeittendenzen in sich aufsaugt und auch zwischen den verschiedenen Prinzipien, Settembrini und Naphta etwa, hin- und hergerissen wird. Das ist ganz bestimmt moderner als Thomas Mann zu hoffen wagte. Er selbst war immer ein bisschen enttäuscht über sich, das er mit Proust und Joyce nicht so Schritt halten kann, wie er das gern getan hätte."
8. Frage
8. Lassen sich klare Entwicklungslinien beim Roman nach 1945 erkennen?
8. Lösung
8. Schwer, denn seit den 50er Jahren gibt es die verschiedensten Tendenzen im Roman. Dennoch versucht Prof. Wimmer ein paar Linien zu ziehen: "Die erzählerische Prozedur verkompliziert sich seit den 50er Jahren, wird immer facettenreicher, immer spiegelungsreicher. Darauf gibt es natürlich dann eine Reaktion, die sehr bald einsetzt. Man fällt trotzig zurück ins herkömmliche Erzählen, wenn sie Patrik Süßkinds Parfum nehmen, haben sie diese Gegen-Tendenz. Dann haben sie natürlich auch einen Zeit-Roman, der sich das gar nicht leisten kann, also kompliziert zu erzählen, und sie haben schließlich die große Herausforderung durch die Wiedervereinigung."
Übungen III
9. Frage
9. Mitte der 90er Jahre scheint die deutschsprachige Literatur das Erzählen wiederentdeckt zu haben. Nennen Sie ein paar Interessensschwerpunkte dieser neuen Gegenwartsliteratur.
9. Lösung
9. Dr. Sven Hanuschek, siehe zweite Folge, sieht im Wesentlichen drei Tendenzen und nennt deren herausragende Vertreter: "Es gibt wieder den historischen Roman, der ja eigentlich ein triviales Genre geworden ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es gibt Romane über die deutsche Thematik, deutsch-deutsche Thematik, deutsche Einheit, das 'Dritte Reich'. Und es gibt zum Dritten etwas wie den autobiografischen Gestus, womit ich meine, dass es nicht tatsächlich Autobiografien sein müssen, dass man das nicht überprüfen kann, die Autoren leben ja nun alle noch, also wir haben keine biografischen Quellen. Aber sie sind geschrieben in dieser Haltung des Autobiografischen und wollen dadurch wahrscheinlich auch diese Authentizität erreichen, diesen Effekt. Den historischen Roman gibt es zum Beispiel bei Helmut Krausser mit den Melodien, es gibt den antiken Roman von Raoul Schrott Finis Terrae. Ja, deutsche Geschichte, da haben sie zum Beispiel Jurek Becker mit Amanda herzlos über die deutsche Einheit und die Folgen. Sie haben Marcel Beyer mit den Flughunden über einen Akustiker im 'Dritten Reich'. Und den autobiografischen Gestus, den Zoe Jenny mit dem Blütenstaubzimmer und Christian Kracht mit Faserland vertritt."
10. Frage
10. Mit seinem Konzept des "epischen Theaters" hat Bertolt Brecht Theatergeschichte geschrieben. Was zeichnet das epische Theater im Gegensatz zum traditionellen Theater aus?
10. Lösung
10. Im Unterschied zum traditionellen Theater will das epische Theater die Zuschauer mit Kommentaren, eingeschobenen Erzählungen und Reflexionen aus der fiktiven Wirklichkeit des Spiels herausreißen. Diese Desillusionierung erreicht Brecht durch verschiedene "Verfremdungseffekte": Er arrangierte Szenen in lockerer Reihenfolge, ließ die Schauspieler direkt das Publikum ansprechen und sich distanziert zu ihren Rollen verhalten, fügte Musik- und Gesangseinlagen ein etc. "Brecht hat gelehrt, und das tut die Mutter Courage genauso wie der Puntila, er hat gelehrt, dass man die Wirklichkeit nicht einschichtig nehmen soll. Man kann die Rollen vertauschen. Es ist vielleicht sogar eine besondere Exilerfahrung, dass diejenigen, die früher gesessen haben, jetzt plötzlich stehen müssen, es gibt von Brecht Gedichte in dieser Richtung. Also die Welt ist auf den Kopf gestellt und dadurch wird sie ein bisschen durchsichtig, man nimmt nicht mehr als gegeben hin, was früher gegeben war. Die späten Stücke, Mutter Courage, ich denke vor allem aber auch der Puntila, zeigen, dass man die Welt von zwei Seiten sehen kann. Wer ist der echte Puntila, der betrunkene Puntila oder der nüchterne? Beide sind sie echt und beide sind sie auch wieder nicht echt," erklärte Prof.Dr. Helmut Koopmann.
11. Frage
11. Welche Gedichtsammlung hat dem Weimarer Dichterfürsten den Vorwurf eingebracht, gegen die Urheberrechte zu verstoßen und wie kam es dazu?
11. Lösung
11. Goethe hat im West-östlichen Divan, genauer in dem insgesamt von Marianne von Willemer inspirierten Buch "Suleika", Gedichte von seiner einst geliebten Muse unter eigenem Namen veröffentlicht. Wie es dazu kam, erklärte Dr. Ulrike Landfester in der achten Folge: "Das Buch Suleika ist vielleicht das privateste aus dem ganze Divan. Goethe hat 1814 im Herbst eine Reise nach Frankfurt gemacht, wo er sich im Hause des Bankiers Johann Jakob von Willemer und seiner 30 Jahre jüngeren Frau Marianne aufhielt. Goethe und Marianne lasen gemeinsam Gedichte des persischen Dichters Hafis und verliebten sich dabei. Nachdem Goethe nach Weimar zurückgekehrt war, schrieben sie sich Briefe, in denen sie die Rollen Hatem und Suleika annahmen. Hatem ist ein arabischer Dichter, der besonders für seine Großzügigkeit berühmt war. Suleika eben seine Geliebte, oder die Geliebte, die prototypische Geliebte. Und Goethe hat, was man lange Zeit nicht gewusst hat, die Gedichte, die Marianne ihm geschrieben hat, nur in Sachen Zeichensetzung überarbeitet und dann im Divan auch unter seinem Namen veröffentlicht."