Fakten Die Sprache der Werbung
Es gibt kein Patentrezept zum Verfassen von Werbesprüchen. Nur wer aufmerksam und neugierig das tägliche Leben beobachtet, findet dort verwertbare Einfälle – so ist mancher berühmter Slogan entstanden.
Die Entstehungsbedingungen bekannter Werbesprüche sind so unendlich vielfältig wie das Leben selbst. Dennoch ordnen wir sie grob nach charakteristischen Gesichtspunkten, die – wie der Sprachwitz – tendenziell in jedem Spot eine Rolle spielen, aber in den einzelnen besonders ausgeprägt sind.
Die Beispiele und Geschichten entnehmen wir dem Lexikon der Werbesprüche von Wolfgang Hars.
1. Auf den Mund geschaut: Slogans vom "kleinen Mann", im Alltag geboren
Bitte ein Bit: Dieser geniale Slogan für das Bitburger Bier zeigt, wie eingängig Werbesprüche durch Alliteration und Stabreim werden. Er stammt nicht etwa von den kreativen Köpfen einer Werbeagentur, sondern von einem unbekannten Kellner aus einem kleinen Gartenlokal. Dort bestellte der Geschäftsführer der Bitburger Brauerei, Bertrand Simon, 1955 ein Pils aus eigener Herstellung und er hörte, wie der Kellner die Bestellung an den Wirt weitergab: "Bitte ein Bit!" Der Vertriebsleiter des Familienbetriebs erkannte die Werbewirksamkeit des Slogans, der als hauseigener Slogan noch heute die Anzeigen und Etiketten der Firma schmückt – 86% der Biertrinker kennen ihn, sein Erfinder blieb unbekannt und erhielt nur ein mageres Trinkgeld dafür (vgl. Hars S.45f.).
Neckermann macht's möglich: Dieser Spruch ist zwar einem Mitarbeiter einer von Neckermann beauftragten Werbeagentur eingefallen, aber nicht als Slogan, sondern als Beschwerde. Als er im Jahre 1960 mal wieder Überstunden machen musste, weil der Auftrag für das Versandhausgeschäft noch nicht fertig war, sagte er zu seinen Kollegen: "Ja, ja, Neckermann macht's möglich, dass wir heute wieder einmal länger arbeiten müssen." Auch dieser Spruch entfaltet seine formale Werbewirksamkeit durch die Alliteration, inhaltlich zog er aber erst richtig, als sich Neckermann damit 1963 als Reiseanbieter zu profilieren begann: Neckermann war es, der die Deutschen nach dem Krieg wieder in alle Welt brachte (vgl. Hars S.286).
2. Auf das Produkt geschaut
Ei, Ei, Ei Verpoorten, Verpoorten allerorten: Diesen zum Ohrwurm etablierten Slogan für den "öligen Gaumenschmeichler" (Hars S.116) kreierte die Firma Veerpoorten gemeinsam mit einer Kölner Agentur Mitte der 60er Jahre. Begründung: "Eierlikör wird nun mal aus Eiern gemacht"; die Klanganleihen indes stammten aus einem 50er-Jahre-Schlager: Aye, aye, aye Maria.
Bade der, bade die, bade das: Badedas. Das "erste Markenschaumbad der Welt" (Hars S.35) wurde 1957 vom Uhu-Produzenten Fischer und Fischer entwickelt. Wie der Slogan zustande kam, lässt sich nicht mehr eruieren, aber womit seine Botschaft gewitzt spielt ist klar: "Mit seinen Anklängen an Kinderlallen lädt er dazu ein, im Wannenschaumbad zu regredieren und zu entspannen." (Hars S.35)
3. Auf die Konkurrenz geschaut
Die Creme, die nicht mehr verspricht, als sie hält. Nivea: 1970 entwickelte Henkel Die junge Creme 21 bewarb sie mit flotten Sprüchen wie Stramme Haut ist schöner und machte damit der bislang konkurrenzlosen Nivea-Creme der Beiersdorfwerke erstmals echte Konkurrenz. Beiersdorf besann sich auf die Stärken seines langbewährten Markenartikels und setzte auf Tradition und Understatement, statt das jugendlichen Image der Henkelwerbung nachzuäffen. Es warb nur mit der altbekannten blauen Dose mit weißer Schrift und schrieb den oben genannten Slogan drauf oder auch: "Wenn es eine bessere gäbe, würden wir sie machen." Die Creme 21 hielt diesem Understatement nicht stand, sie verschwand wieder vom Markt (vgl. Hars S.91).
4. Auf existenzielle Bedürfnisse geschaut
... hoffentlich Allianz versichert: Ein bis dato völlig unbekannter Grafiker schickte seine lustigen Strichmännchen, die einen mit Beute beladenen Dieb oder einen Unfallverletzten darstellten, 1957 an den Werbeleiter der Allianz. Besagter Slogan: hoffentlich... kommentierte seine geschädigten Männchen. Damit fand er das richtige Outfit und den Ton, der trefflich an das Sicherheitsbedürfnis der gerade angebrochenen Zeit des Wirtschaftswunders appellierte. Zuvor hatte die Allianz meist auf drastische Katastrophenwerbung gesetzt, die auf nichts als die pure Existenzangst zielte: Wenn jede Frau wüßte, was jede Witwe weiß, lautete der Slogan der Rentenversicherung in Anspielung auf die Nöte der Kriegerwitwen nach dem Zweiten Weltkrieg. Davor warb noch drastischer ein Slogan für die Lebensversicherung: Sicher ist der Tod, unsicher nur die Stunde (vgl. Hars S.190).
5. Auf die Flaute geschaut
Kleb Dir eine. Jeder hat das Recht auf seine Tapete. So lautete der Slogan, den sich 1969 gemeinsam verschiedene Tapetenhersteller auf die Fahnen schrieben, um durch eine einheitliche Gemeinschaftskampagne die beängstigend wachsende Anzahl von Tapetenverweigerern zu bekämpfen.
Mit Brille wär' das nicht passiert: Betont durch einen "Eye-Catcher", der ein halbblindes Missgeschick karikiert, steigerte dieser Slogan für die Fördergemeinschaft der deutschen Augenoptiker den Absatz ihrer Sehhilfen. Die Optiker hatten sich gegen Ende der 50er Jahre zu einer gemeinsamen Werbeaktion zusammengetan, da – wie eine Allensbacher Studie ergab – die Deutschen, trotz schlechter Sicht die Brille scheuten (vgl. Hars S. 266).
6. Auf die Menschheit geschaut
Ich bin ein Ausländer. Mit diesem Slogan starteten allerlei Prominente angefangen von Peter Maffay bis Götz George eine große Initiative gegen Ausländerfeindlichkeit. Der Auslöser war der Brandanschlag auf ein Asylbewohnerheim in Hoyerswerda. Natürlich geht's in diesen „social spots“ hier nicht darum, sich oder ein Produkt zu verkaufen, sondern gesellschaftliche Veränderungen zu verstärken Die großangelegte Demonstration der Ausländerfreundlichkeit kam im Ausland bestens an. (vgl. Hars S.193?
Keine Macht den Drogen. Mit diesem markigen Spruch unterstützen vor allem deutsche Sportler seit 1991 eine großangelegte Anti-Drogen-Kampagne. Ausgedacht u.a. von K.H. Rummenigge, H. Neuberger und W. Schäuble, sollte sie ein "soziales Klima schaffen, das Drogenkonsum ablehnt" (Rummenigge, zitiert nach Hars S.230).
7. Auf die Tierwelt geschaut
Nichts ist unmöglich: Toyota. Echt "japanischer Unternehmensgeist" spricht aus diesem Slogan, der 1992 binnen 14 Tagen den Bekanntheitsgrad der Marke Toyota um 176 Prozent steigerte. Aber natürlich ist es nicht allein der Spruch gewesen, sondern seine Kombination mit der sprechenden Tierwelt. Die Idee dazu bekam Thomas Wulfes – Kreativdirektor der zuständigen Agentur – als er mit seinen Kindern in Frankreich Urlaub machte. Er entdeckte mit seinen Kindern die französische Fernsehserie Das Privatleben der Tiere, mit Sprache unterlegte, witzige dokumentarische Tierfilme, besorgte sich ein Video davon und schnitt daraus den ersten Probefilm für Toyota zusammen (siehe Hars S.306).
8. Auf den Zeitgeist geschaut
Der Duft der großen weiten Welt: Peter Stuyvesant. Der Schweizer Fritz Bühler kreierte 1958 für die Firma Reemtsma diesen Slogan und zwar für eine Zigarette, die zuerst nur in Norddeutschland eingeführt wurde. Erstmals wurde in Deutschland mit ideellen Werten wie Weltoffenheit, Internationalität und Erfolg geworben. Mit Erfolg: Binnen kürzester Zeit ergatterte die neue, bald allerorts geforderte Marke einen Marktanteil von 10 Prozent. Stuyvesant wurde zum Markenzeichen der jungen weltoffenen Deutschen. Ein Reemtsma-Mann kommentierte: "Der Mensch raucht immer noch seine Träume. Wir verkaufen ein Stück Illusion." Hellmuth Karasek beschrieb den Erfolg so: "Raucher, selbst in der tristesten Sozialwohnung, wurden mit jedem Zug an große Fluggesellschaften angeschlossen." (Beide zitiert nach Hars S.76). Der Marktanteil der Zigarette sank in dem Ausmaß, in dem sich immer mehr Bundesbürger den echten Trip in die Ferne leisten konnten. Erst in den 90er Jahren gelang der Marke wieder ein Comeback mit dem Slogan Come together – share the taste. Von nun ab setzten die Werbesprüche konsequent auf den Zeitgeist: 1996 kultivierte der Stuyvesant-Raucher den angesagten Ego-Trip mit dem Slogan: Find your World.
Literatur:
Lexikon der Werbesprüche von Wolfgang Hars, Eichborn Verlag 1999