Chemie-Nobelpreis 2021 Ehrung für Benjamin List und David MacMillan
Der Nobelpreis für Chemie des Jahres 2021 geht an den Deutschen Benjamin List und den Amerikaner David MacMillan für die Entwicklung der asymmetrischen Organokatalyse. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften bekannt.
Der Nobelpreis für Chemie 2021 geht an den Deutschen Benjamin List und den US-Forscher David MacMillan für die Entwicklung der asymmetrischen Organokatalyse. Mit diesem Werkzeug lassen sich organische Moleküle für Werkstoffe und Arzneimittel bauen.
"Ein geniales Werkzeug zum Aufbau von Molekülen" nennt die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften die asymmetrische Organokatalyse, für die sie Benjamin List und David MacMillan mit dem Chemie-Nobelpreis des Jahres 2021 auszeichnet. Dieses Werkzeug hat heute große Bedeutung für die pharmazeutische Forschung und die Chemie umweltfreundlicher gemacht.
Benjamin List ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr, David MacMillan ist Professor an der Princeton University in den USA. Geboren sind beide im Jahr 1968.
Nobelpreis-Anruf im Amsterdamer Café
Der frisch gekürte Chemie-Nobelpreisträger List saß in einem Amsterdamer Café, als er die Nachricht bekam, dass er den Preis erhält. Er habe wirklich nicht damit gerechnet, sonst wäre er ja auch kaum nach Amsterdam gefahren.
"Die haben auf meinem Handy angerufen. Als wir gerade bestellen wollten, sah ich auf dem Display so 'Schweden'. Ich guckte meine Frau an, wir lächelten uns ironisch an - 'Haha, das ist der Anruf.' Als Witz. Aber dann war es wirklich der Anruf. Es war echt unglaublich. Ein unglaublicher Moment."
Bejamin List, Chemie-Nobelpreisträger 2021
Chemische Reaktionen steuern und beschleunigen
Chemie-Nobelpreisträher 2021: David MacMillan, Professor an der Princeton University, New Jersey, USA.
Chemiker konstruieren spezielle Moleküle, die zum Beispiel elastische und langlebige Materialien bilden, Energie in Batterien speichern oder das Fortschreiten von Krankheiten hemmen können. Um diese Moleküle zusammenzubauen sind Katalysatoren notwendig. Das sind Substanzen, die chemische Reaktionen steuern und beschleunigen, aber nicht Teil des Endprodukts werden. Katalysatoren in Autos wandeln beispielsweise giftige Stoffe in Abgasen um in harmlose Moleküle. Auch unser Körper enthält Tausende von Katalysatoren in Form von Enzymen, ohne die kein Stoffwechsel möglich wäre.
Die Entdeckung der Organokatalyse
Lange waren Wissenschaftler davon überzeugt, dass es im Prinzip nur zwei Arten von Katalysatoren gäbe: Metalle und Enzyme. Benjamin List und David MacMillan entwickelten jedoch im Jahr 2000 unabhängig voneinander eine dritte Art der Katalyse: Sie wird als asymmetrische Organokatalyse bezeichnet und basiert auf kleinen organischen Molekülen.
"Dieses Konzept für die Katalyse ist so einfach wie genial, und Tatsache ist, dass sich viele Leute gefragt haben, warum wir nicht schon früher daran gedacht haben."
Johan Åqvist, Vorsitzender des Nobelkomitees für Chemie.
Asymmetrische Katalyse verhindert Spiegelbild-Moleküle
Der Erfolg der organischen Katalysatoren liegt in erster Linie daran, dass mit ihr die asymmetrische Katalyse möglich ist. Beim Zusammenbauen von Molekülen kommt es oft vor, dass sich zwei unterschiedliche Moleküle bilden können, bei denen – genau wie bei unseren Händen – das eine das Spiegelbild des anderen ist. Gerade bei der Herstellung von Arzneimitteln wollen Chemiker aber oft nur eines davon. Unterschiedliche Spiegelbilder eines Moleküls, die sogenannten Enantiomere, können nämlich unterschiedliche Wirkungen haben. Sie können etwa unterschiedliche Düfte hervorrufen, zum Beispiel nach Zitrone oder nach Orange. Sie können aber auch Schaden anrichten. Ein Beispiel ist der Wirkstoff Thalidomid, der als Schlaf- und Beruhigungsmittel in den 1960er-Jahren unter dem Namen Contergan verkauft wurde. Das eine Enantiomer löste die erwünschte Müdigkeit aus, das andere schwere Missbildungen bei ungeborenen Kindern.
Die Organokatalyse hat sich seit dem Jahr 2000 mit erstaunlicher Geschwindigkeit entwickelt. Benjamin List und David MacMillan sind nach Ansicht des Nobelpreis-Komitees weiterhin führend auf diesem Gebiet und haben gezeigt, dass organische Katalysatoren für eine Vielzahl chemischer Reaktionen verwendet werden können. Mithilfe dieser Reaktionen könnten Forscher nun vieles effizienter konstruieren, von neuen Pharmazeutika bis hin zu Molekülen, die Licht in Solarzellen einfangen. Auf diese Weise hätten die Organokatalysatoren der Menschheit den größten Nutzen gebracht.
Deutsche Chemie-Nobelpreisträger
Chronik: Chemie-Preisträger der vergangenen Jahre
- 2021: Benjamin List (Deutschland) und David MacMillan (USA) für die Entwicklung der asymmetrischen Organokatalyse.
- 2020: Emmanuelle Charpentier (Frankreich) und Jennifer Doudna (USA) für die Entdeckung der Genschere Crispr/Cas9
- 2019: John B. Goodenough (USA), M. Stanley Whittingham (UK) und Akira Yoshino (Japan) für ihre Forschung zu Lithium-Ionen-Batterien
- 2018: Frances Arnold, George Smith (beide USA) und der Brite Sir Gregory Winter für ihre Entwicklung von Enzymen und Viren im Einsatz umweltfreundlicher Chemikalien oder Medikamente
- 2017: Jacques Dubochet (Schweiz), Joachim Frank (USA) und Richard Henderson (Großbritannien) für die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie
- 2016: Jean-Pierre Sauvage (Frankreich), Sir James Fraser Stoddart (Großbritannien) und Bernard L. Feringa (Niederlande) für die Entwicklng extrem kleiner molekularer Maschinen, die wie künstliche Muskeln funktionieren
- 2015: Tomas Lindahl (Schweden), Paul Modrich (USA) und Aziz Sancar (USA/Türkei) für ihre Untersuchungen zu den Werkzeugen, mit deren Hilfe Zellen DNA reparieren
- 2014: Stefan Hell (Deutschland), Eric Betzig und William Moerner (beide USA) für ihre Entwicklungen in der hochauflösenden Lichtmikroskopie
- 2013: Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel (alle USA) für ihre Entwicklung von Computer-Modellen komplexer chemischer Systeme
- 2012: Robert J. Lefkowitz (USA) und Brian K. Kobilka (USA) für die Entdeckung der Wirkungsweise G-Protein-gekoppelter Rezeptoren in Zellen
- 2011: Dan Shechtman (Israel) für die Entdeckung der Quasikristalle
- 2010: Richard F. Heck (USA), Ei-ichi Negishi (Japan) und Akira Suzuki (Japan) für die Verbindung von Kohlenstoffatomen zu komplexen Molekülen
- 2009: Venkatraman Ramakrishnan (USA), Thomas A. Steitz (USA) und Ada E. Jonath (Israel) für die Forschung zur Erbinformation in den Proteinen
- 2008: Der in den USA forschende Japaner Osamu Shimomura und die beiden US-Amerikaner Martin Chalfie und Roger Tsien für die Entdeckung des grün fluoreszierenden Proteins GFP
- 2007: Gerhard Ertl (Deutschland) für seine Arbeiten zu chemischen Prozessen auf festen Oberflächen. Damit habe er die Grundlagen für die moderne Oberflächenchemie geschaffen
- 2006: Roger D. Kornberg (USA) für die Erforschung, wie die Zelle aus dem Bauplan in den Genen fertige Proteine herstellt
- 2005: Yves Chauvin (Frankreich), Robert H. Grubbs (USA) und Richard R. Schrock (USA) für die Entwicklung neuer Reaktionswege in der organischen Chemie, unter anderem zur Produktion von Plastik und Arzneien
- 2004: Aaron Ciechanover und Avram Hershko (beide Israel) sowie Irwin Rose (USA) für die Entdeckung eines lebenswichtigen Prozesses zum Abbau von Proteinen im Körper
- 2003: Peter Agre (USA) und Roderick MacKinnon (USA) für die Erforschung von Ionen- und Wasserkanälen der Körperzellen.
- 2002: John B. Fenn (USA), Koichi Tanaka (Japan) und Kurt Wüthrich (Schweiz) für ihre Methoden zum Vermessen von biologischen Molekülen
- 2001: William S. Knowles (USA), Barry Sharpless (USA) und Ryoji Noyori (Japan) für die Beschreibung neuer Katalysatoren