Aktives Zuhören Warum sich gutes Zuhören lohnt
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Schweigen allein reicht aber nicht, um richtig zuzuhören. Es erfordert Aufmerksamkeit, Geduld und Empathie. Aktives Zuhören will gelernt sein. Warum sich das lohnt, und Tipps, wie auch ihr gute Zuhörer werdet.
Definition: Was ist der Unterschied zwischen Hören und Zuhören?
HÖREN
- dient als Sinn der Orientierung in der Umwelt
- erfordert als akustische Verarbeitung von Schallwellen keine bewusste Hinwendung
- Erste Sortierung der Laute nach Tonhöhe und Rhythmus (Sprache, Musik, Geräusche)
- Weg vom Signal zur Reaktion ist direkt (zum Beispiel Erschrecken)
Quelle: Margarete Imhof, Professorin Emerita der Psychologie
ZUHÖREN
- erfordert zur Informationsverarbeitung eine aktive kognitive Hinwendung
- selektiert Informationen nicht nur aus akustischen Signalen, sondern auch Mimik, Gestik, Kontext
- ist geprägt von persönlichen Erfahrungen, Erwartungshaltung, Kontext, spezifischem Wissen
- erfordert eine Zuhörabsicht
Zitat: Zuhören geschieht nicht nebenbei
"Zuhören erfordert, dass ich eine irgendwie geartete absichtliche Hinwendung habe, dass sich irgendwie mein Fokus auf das, was mir auf die Ohren kommt, auch ganz gezielt lege. Ich will etwas wissen über den Menschen, über den Sachverhalt, über die Situation. Zuhören braucht ein Zuhörziel. Und dann gilt es aus der akustischen Umgebung die Information rauszuziehen, die für mich relevant ist. Das kann das gesprochene Wort sein, es kann aber noch eine ganze Menge dazukommen. Der Tonfall, die Stimmlage, die emotionale Erregung, die da mitgeht, die enthält ja auch Information. Die Zwischentöne, die Pausen. Ich kann auch zusätzlich auf die ganze Gestik und Mimik achten."
Prof. em. Margarete Imhof, Psychologin in den Bildungswissenschaften, Universität Mainz
Audio: Gut zuhören, besser verstehen
Grundlagen und Techniken: Was ist aktives Zuhören nach Carl Rogers?
Carl Rogers gilt als Begründer der personenzentrierten Psychotherapie. Auf ihn beziehen sich noch heute die meisten Ansätze zur therapeutischen Gesprächsführung. Aber auch für alltägliche Gespräche kann man viel von seinem Konzept des aktiven Zuhörens lernen. Denn auch Zuhören kommuniziert: Es zeigt der anderen Person, dass man sich für sie interessiert, ihre Gefühle und Gedanken respektiert, selbst wenn man sie nicht teilt. Ziel ist es, den anderen zu verstehen - ohne dabei eigene Meinungen oder Ratschläge durchzusetzen. Entscheidend für gutes Zuhören ist, schon mit der richtigen Haltung in ein Gespräch zu gehen. Sie folgt laut Rogers drei Leitlinien:
- Empathische und offene Grundhaltung
- Authentisches und ehrliches Auftreten
- Akzeptanz und Werschätzung der anderen Person
Carl Rogers: Das solltet ihr beim Zuhören beachten
Do's
- Versucht, euch in den Sprechenden wirklich hineinzuversetzen.
- Überlegt, was das Gesagte noch übermitteln könnte: Welche Gefühle oder Bedürfnisse stehen dahinter?
- Geht vor allem auf die Gefühlsebene ein und nicht nur auf den Inhalt.
- Achtet auch auf nonverbale Signale: Zögert die Person bei manchen Punkten, wird sie lauter, schaut sie weg?
Dont's
- Vermeidet es, Lösungen, Ratschläge oder andere Perspektiven zu liefern. Damit geht ihr mehr auf eigene Bedürfnisse ein, als auf jene des Gesprächspartners.
- Seid vorurteilsfrei und versucht, das Gehörte nicht zu bewerten - auch nicht positiv.
- Auch Ermutigungen wie "Das wird schon werden" können leicht als Verharmlosung oder Abwinken rüberkommen
Aufmerksamkeit: Voraussetzung für aktives Zuhören
Gutes Zuhören gilt vor allem als zwischenmenschliche Fähigkeit. Ein guter Zuhörer, darunter verstehen viele einen empathischen, geduldigen und rücksichtsvollen Menschen. Aber Zuhören erfordert auch eine Ressource, die manchmal nur begrenzt vorhanden ist: Aufmerksamkeit. Laut dem Kognitionswissenschaftler Malte Wöstmann besteht auditive Aufmerksamkeit aus zwei Mechanismen: "Der eine ist die Verstärkung von Zielreizen: Also ich fokussiere meine Aufmerksamkeit auf das, was gerade wichtig ist. Und der zweite Prozess, das ist die Abschwächung von Störreizen, also das Herausfiltern von all dem, was gerade nicht wichtig ist oder stört." Entscheidend dafür ist vor allem die Motivation. Den Wunsch und das Interesse, sich bei mehreren Menschen im Raum zum Beispiel auf den eigenen Gesprächspartner zu konzentrieren. Das können wir meist selbst steuern. Aber je älter wir werden, desto schwieriger wird es für das Gehirn, die Aufmerksamkeit laufend anzupassen und umzuverteilen. 2015 war Wöstmann an einer Studie beteiligt, wonach Zuhören bei älteren Menschen eher an der Aufmerksamkeit als am Gehör selbst scheitert. Vereinfacht gesagt ist Aufmerksamkeit das, was Hören von Zuhören unterscheidet. Das zeigt sich auch auf neuronaler Ebene, also in der Gehirnaktivität. Ein Forschungsteam der Universität Basel konnte bei Mäusen beobachten, dass sie unterschiedlich aufmerksam auf Geräusche achteten, je nachdem, ob sie eine Belohnung dafür erwarteten oder nicht. Im ersten Fall hörten sie richtig zu, im zweiten Fall nahmen sie die Geräusche nur akustisch wahr.
Audio: Kommt uns die Aufmerksamkeit abhanden?
Aneinander vorbeireden: Wem und warum wir oft nicht zuhören
Alle wollen sprechen, niemand zuhören. Das hat auch mit bestimmten gesellschaftlichen Zuschreibungen zu tun. Sprechen gilt als aktiv, Zuhören als passiv. Wer laut ist, setzt sich durch. Er oder sie "sagt an" oder "hat das Sagen". Warum also Zuhören und sich in die schwächere Position bringen? Vor allem in Streitgesprächen reden wir oft übereinander hinweg, und selbst wenn wir still sind, arbeiten wir im Kopf eher an unserem eigenen nächsten Argument, als aufmerksam zuzuhören. Aber auch wenn wir es gut mit Leuten meinen, hören wir manchmal nicht richtig hin. Das zeigt der "Closeness Communication Bias", erforscht an der University of Chicago. Demnach hören wir gerade Menschen, die wir besonders gut kennen, oft weniger gut zu - weil wir meinen zu wissen, wie sie denken und was sie sagen werden.
Kommunikation: Warum sich aktives Zuhören lohnt
Je weiter die Meinungen auseinandergehen, desto schwerer fällt das Zuhören. Die Fronten sind verhärtet, zum Dialog kommt es kaum, zum Zuhören erst recht nicht. Dabei könnte gerade das helfen, Konflikte zu entschärfen - und den anderen womöglich sogar zu überzeugen. Das hat eine internationale Studie aus dem Jahr 2023 untersucht. Wer zuhört, hat demnach bessere Chancen, seine eigenen Argumente erfolgreich zu vermitteln, weil die andere Person eine offenere Haltung entwickelt. Sie lässt sich auf andere Perspektiven ein und wird auch ihre eigene Position gemäßigter vertreten, weil sie nicht mehr in der Defensive ist.
Gutes Zuhören hat einen nachweislich positiven Effekt, ob in engen Beziehungen oder im Beruf. Einander zuhören fördert die zwischenmenschliche Bindung und das Vertrauen. Kinder, denen erwachsene Bezugspersonen gut zuhören, entwickeln nicht nur bessere sprachliche Fähigkeiten sondern auch ein höheres Selbstwertgefühl. Ärzte, die ihren Patienten empathisch zuhören, wirken sich positiv auf deren Heilungsprozess aus. Welche Effekte gutes Zuhören im beruflichen Umfeld hat, das haben die Kommunikations- und Verhaltensforscher Guy Itzchakov und Avi Kluger 2022 anhand einer Metaanalyse von 664 Studien herausgefunden: Die Mitarbeitenden sind entspannter, Produktivität und Arbeitsmoral steigen.
Zuhören: Zeigt, dass ihr verstanden habt
"Leute überschätzen oft, wie gut sie den anderen verstehen. Jeder kennt den Satz: Ich weiß, was du meinst. Der Satz ist problematisch, weil direkt nachdem ich ihn ausgeprochen habe, beginne ich meist, selbst zu sprechen. Oder höre zumindest auf, dem anderen zuzuhören. Diesen Impuls müssen wir erst lernen, zu überwinden. Unser subjektives Erleben ist sehr unterschiedlich, wir verstehen nicht immer sofort, wie der andere denkt oder fühlt. Wenn wir wirklich versuchen, den anderen zu verstehen, reicht es nicht, das zu sagen. Es gibt bessere Wege, Verständnis zu signalisieren."
Guy Itzchakov, Kommunikationsforscher und Coach
Zuhör-Techniken: So zeigt ihr, dass ihr aktiv zuhört
Verbal signalisieren, dass ihr zuhört
- Reflektieren: Paraphrasiert, was die andere Person gesagt hat, um zu zeigen, dass ihr verstanden hat.
- Offene Fragen: Stellt Fragen, die das Gespräch weiter anregen (keine Ja-/Nein-Fragen).
- Validierung: Bekräftigt, was ihr von dem Gesagten nachvollziehen könnt.
- Äußerungen: Werft ab und zu Dinge wie "mhm" oder "okay" ein, um die Person zu ermutigen, weiterzusprechen.
- Namen nennen: Sprecht die andere Person im Gespräch direkt beim Namen an, um ihr zu zeigen, dass sie eure Aufmerksamkeit und Wertschätzung hat.
Nonverbale Zeichen für Aufmerksamkeit
- Gesichtsausdruck: Eure Mimik sollte Interesse, Empathie oder Neugierde widerspiegeln.
- Kopfnicken: Signalisiert, dass ihr wichtigen Punkten folgt, ohne zu unterbrechen
- Körperhaltung: Ihr solltet der anderen Person auch körperlich zugewandt sein
- Blickkontakt: Schaut dem Gesprächspartner in die Augen und nicht abgelenkt durch die Gegend
- Stille: Hört dem anderen zu, ohne zu unterbrechen, auch wenn ihr was zu sagen hättet
Quelle: Guy Itzchakov, Kommunikationsforscher und Coach
Mehr Infos: Quellen und Sendungen zum Thema aktives Zuhören
- Wie Zuhören im Streit Meinungen entschärfen kann, Guy Itzchakov et al., Journal of personality and social psychology, 2023
- Metaanalyse: Effekte des Zuhörens im Berufsleben, Guy Itzchakov/Avi Kluger, Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior, 2022
- Wenn das Hirn von Hören auf Zuhören umschaltet: Brain & Sound Lab, Universität Basel, 2021
- Imhof, Margarete. "Von der gesprochenen Sprache zum mentalen Modell: Zuhören als kognitive Informationsverarbeitung." (2018): 43-56.
- Aufmerksam Zuhören: Woran es im Alter scheitert, Max-Planck-Institut für Kognititions und Neurowissenschaften, Leipzig, 2015
- Der Closeness Communication Bias: Warum Paare sich schlechter zuhören als Fremde, University of Chicago, 2011
- Rogers, Carl Ransom, and Richard Evans Farson. Active listening. Chicago, IL: Industrial Relations Center of the University of Chicago, 1957.
- Stiftung Zuhören
- "Auslaufmodell Zuhören? - Ein philosophischer Exkurs": radioWissen, Bayern 2, 18.07.2024, 09.05 Uhr
- "Gut zuhören, besser verstehen - Wie Kommunikation gelingt": Das Wissen, SWR Kultur, 07.11.2024, 08.30 Uhr
- "Einfach nur Zuhören": Abendschau - der Süden, BR, 26.08.2024, 17.30 Uhr
- "Zuhören - Darum macht es uns erfolgreicher": Quarks Daily, WDR, 13.05.2024
- "Hör' mal hin! - Die Kunst der zugewandten Kommunikation": Religion - Die Dokumentation, Bayern 2, 09.02.2024, 08.05 Uhr
- "Ohren zu und durch - Können wir noch zuhören?": Forum, SWR Kultur, 25.08.2023, 17.05 Uhr
- "Es geht nicht nur um den Ton - Wie wertschätzende Kommunikation gelingt": radioReportage, Bayern 2, 14.08.2023
- "Einfach mal die Klappe halten? Reden ist Silber... #17": Carpe What? Der Sinn-Podcast, WDR, 01.06.2023
- "Zuhören, wie geht das und warum fällt es oft schwer?": SWR2 Tandem, SWR Kultur, 14.01.2020, 10.05 Uhr