FrauenGeschichte - Frauen schreiben Geschichte Anna Maria van Schurmann erkämpft Gleichberechtigung
Anna Maria van Schurmann hat im 17. Jahrhundert dafür gekämpft, zu studieren. Sie galt als gelehrteste Frau Europas - bis sie sich von der Welt der Wissenschaft abwandte. Was bleibt, ist ihr Beitrag zur Gleichberechtigung.
Anna Maria van Schurmann gehört zu den ersten Studentinnen Europas. 1607 wurde sie in Köln geboren, 1615 zog sie mit ihrer Familie nach Utrecht. Einige Jahre später war sie an der dortigen Universität die erste und lange Zeit einzige Frau, die an Vorlesungen teilnahm. Aber nicht etwa inmitten ihrer männlichen Kommilitonen, sondern in einer vergitterten Zelle oberhalb der Aula, damit sie den anderen Studenten verborgen blieb. Klingt ungeheuerlich, war jedoch ein großer Erfolg für Anna Maria van Schurmann, den sie sich mit harten Argumenten erkämpft hat.
Anna Maria van Schurmann verspricht: Wissenschaft vor Familie
Anna Maria van Schurmann
Weitere Schreibweisen ihres Namens sind "Anna Maria von Schürmann" oder "Anna Maria van Schuurmann".
In der Zeit der Religionskriege war die Kindheit von Anna Maria van Schurmann von Flucht geprägt. Ihr Vater erkannte das große Potenzial seiner Tochter und ließ sie am Hausunterricht der Brüder teilnehmen. Ihm, der so von ihrer Genialität überzeugt war, versprach sie, sich ganz der Wissenschaft statt einem Gatten und Kindern zu widmen. Sie hielt sich daran: Anna Maria van Schurmann blieb zeitlebens unverheiratet und kinderlos.
Anna Maria van Schurmann, die Universalgelehrte des Barock
Anna Maria van Schurmann galt als schlaueste Frau Europas. Sie war eine vielfach begabte und gebildete Universalgelehrte, der man zwar zugestand, 1636 das lateinische Festgedicht zur Eröffnung der Universität in Utrecht zu schreiben - ein Studium dort hielt man für sie als Frau jedoch für undenkbar. Daraufhin verfasste Anna Maria van Schurmann um 1638 ihre mächtige Denkschrift "Dissertatio" und pochte auf ihr theologisch begründetes Recht: Frauen seien, wie im Schöpfungsbericht beschrieben, Ebenbilder Gottes wie die Männer und hätten daher denselben Auftrag, nach der Erkenntnis Gottes zu streben.
"Denn wenn Weisheit tatsächlich eine so große Zierde für das Menschengeschlecht ist, […] dann kann ich nicht einsehen, warum man einem Mädchen, […] gerade diesen bei Weitem schönsten Schmuck nicht zugestehen sollte."
Anna Maria van Schurmann
Anna Maria van Schurmann sieht Wissenschaft als fromme Pflicht der Frau
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Wissenschaft war für die lebenslang streng gläubige Anna Maria van Schurmann kein emanzipatorisches Recht, sondern die fromme Pflicht der Frauen. An den messerscharfen Argumentationsketten der reformiert geprägten Protestantin kam man in Utrecht nicht mehr vorbei und ließ sie also in der sogenannten "loge grillé" oberhalb der Aula Vorlesungen hören. Mit ihrer Schrift stieß Anna Maria van Schurmann eine frühe Frauendebatte an, die sie weit über die Niederlande hinaus bekannt machte.
"Daher kommt es, dass bei der Lektüre historiographischer Werke über weite Zeitläufe hinweg von den Spuren der Frauen nicht mehr erscheint als von den Spuren eines Schiffes im Meer […]."
Anna Maria van Schurmann
Anna Maria van Schurmann ist vielseitig begabt
Überflüssige Fächer für Anna Maria van Schurmann
Da Frauenbildung für Anna Maria van Schurmann kein emanzipatorisches Anliegen, keine Frage der Gleichberechtigung war, sondern Gottesdienst, hielt sie Fächer wie die Jurisprudenz, das Militärwesen oder die Kunst der öffentlichen Rede für Frauen für nutzlos.
Anna Maria van Schurmann beherrschte mindestens zehn Fremdsprachen, darunter zum Beispiel Äthiopisch, worin sie sogar eine Grammatik verfasste. Sie war fit in Philosophie, Geographie, Geschichte, Astronomie, Mathematik, Biologie und Medizin. Und sie war begabt in Musik und Malerei. Anna Maria van Schurmann korrespondierte mit vielen Gelehrten in Europa. Sie wurde zur "Mindmakerin" des Barock und konnte allen das Wasser reichen. Der Naturforscher Adolph Vorstius schrieb ihr: "Ich bitte Sie inständig, liebe Frau, lassen Sie meinem Geschlecht auch noch etwas übrig […]."
Anna Maria van Schurmann kehrt der Wissenschaft den Rücken
In den späten 1660er-Jahren nahm ihr Leben jedoch eine entscheidende Wendung: Nachdem sie dem frühpietistischen Separatisten Jean de Labadie in Genf begegnet war, ließ sie ihr bisheriges Leben und ihre Besitztümer zurück und folgte ihm in ein asketisches Leben auf Wanderschaft. Sie schloss sich seinen "Labadisten" an, die nur von eigener Handarbeit und Ackerbau lebten, und widerrief ihre früheren Schriften: Deren eitle Motivation sei falscher Ehrgeiz gewesen. Die wissenschaftliche Welt schüttelte den Kopf über diesen Sinneswandel. Die "Labadisten" hielt man für Schwärmer und "verzückte Weiber". Anna Maria van Schurmann erklärte und rechtfertigte sich in ihrer letzten Schrift "Eukleria": Für sie sei das einfache Leben in Gemeinschaft der bessere Weg zu Gott. Sie starb 1678 in Westfriesland.
Das Vermächtnis von Anna Maria van Schurmann
Was nach ihrem Tod von Anna Maria van Schurmann blieb, sind ihre Schriften, der Beweis, dass Frauen ihrem geistigen Potenzial nach den Männern nicht nachstehen, und die Debatte, die sie in Europa angestoßen hat. All das lässt sich auch durch ihren Widerruf nicht ungeschehen machen. Wie auch immer Anna Maria van Schurmann an ihrem Lebensende zu ihren Erfolgen in der Welt der Wissenschaft selbst stand: Durch ihre Schriften und ihre Biografie hat sie die barocke Lebenswirklichkeit einen kleinen Schritt Richtung Gleichberechtigung vorangebracht.
"FrauenGeschichte" auf Instagram
Viel zu oft standen Frauen, die Großes geleistet haben, im Schatten der Männer. Der BR-Instagram-Kanal "FrauenGeschichte" zeigt die weibliche Perspektive auf die Vergangenheit.