FrauenGeschichte - Frauen schreiben Geschichte Amelie Melli Beese wird die erste deutsche Pilotin
Amelie Melli Beese wird 1911 die erste Pilotin Deutschlands. Nur durch ihre Hartnäckigkeit erreicht sie, was Frauen damals verwehrt blieb: Fliegen lernen. Die Fliegerei ist nicht nur ihre Leidenschaft - sie wird ihr auch zum Verhängnis.
Als Amelie Hedwig Beese (1886 bis 1925), genannt Melli, in der Zeitung von den ersten motorisierten Flugversuchen der Gebrüder Wright liest, ist sie fasziniert und erkennt: "Fliegen. Ich wollte fliegen lernen. Das war aber auch alles, von dem ich wusste, dass ich es wollte."
Melli Beese kämpft gegen Vorurteile
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Also besucht sie 1910 am Technikum in Dresden Gastvorlesungen in Flugzeugmechanik und -technik, Mathematik und Schiffsbau. Bei den Albatros-Werken bewirbt sie sich als Flugschülerin, wird aber "mangels Erfahrung mit weiblichen Schülern" abgelehnt. Dass Frauen "ungeeignet" zum Fliegen seien, finden seinerzeit viele Fluglehrer. Doch Melli Beese bleibt hartnäckig und findet nach mehreren Absagen schließlich eine Flugschule, die sich 1910 bereit erklärt, sie zur Pilotin auszubilden.
Melli Beese startet das Fliegen 1910 - und stürzt folgenschwer ab
Der Pilot der Ad Astra Fluggesellschaft und Luftfahrtpionier Robert Thelen wird ihr erster Fluglehrer. Doch schon bei ihrem zweiten Übungsflug im Dezember 1910 setzt der Flugzeugmotor aus und Melli Beese stürzt aus 20 Metern Höhe ab. Sie bricht sich dabei den Knöchel und bekommt gegen die Schmerzen Morphin. Eine lebenslange Sucht beginnt. Für ihren Fluglehrer ist die Bruchlandung der Beweis dafür, dass Frauen in Flugzeugen nichts verloren haben. Er weigert sich, sie weiter zu unterrichten.
Melli Beese startet 1911 bei den Rumpler-Werken und wird sabotiert
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Von diesem Rückschlag lässt sich Melli Beese aber nicht entmutigen. Sie sucht sich eine neue Flugschule und unterschreibt 1911 einen Schulungsvertrag bei den Rumpler-Werken. Doch auch hier bekommt sie als Frau, die in eine bis dato Männerdomäne eindringt, die frauenfeindlichen Vorurteile und die Missgunst des Fluglehrers und der anderen Flugschüler zu spüren: Oft genug darf sie gar nicht starten und sogar ihr Flugzeug wird mutwillig sabotiert - Zündkerzen werden gegen verrußte ausgetauscht, das Benzin bis auf einen kleinen Rest abgelassen.
13. September 1911: Zum 25. Geburtstag bekommt Melli Beese ihre Fluglizenz
Melli Beese erfüllt sich den Traum vom Fliegen trotz aller Widrigkeiten: Sie besteht ihre Flugprüfung und bekommt am 13. September 1911 - ihrem 25. Geburtstag - als erste deutsche Frau ihre Flugzeugführerlizenz mit der Nummer 115 ausgehändigt. Kurz darauf stellt sie einen neuen Dauer- und einen Höhenflug-Weltrekord für Frauen auf. Im Jahr 1912 gründet sie ihre eigene Flugschule "Melli Beese" in Berlin-Johannisthal. Außerdem arbeitet sie als Flugzeugkonstrukteurin und meldet mehrere Patente an, zum Beispiel für ein zerlegbares Flugzeug, ein Leichtflugzeug und ein Wasserflugzeug.
Melli Beese heiratet einen Franzosen und wird zur Staatsfeindin
Weitere Flugpionierin
1913 heiratet sie den französischen Piloten Charles Boutard und nimmt die französische Staatsbürgerschaft an. Doch damit gilt sie im Ersten Weltkrieg plötzlich als Staatsfeindin und ist zahlreichen Repressalien ausgesetzt: Ihr wird die Lehr- und Geschäftserlaubnis entzogen, die Flugschule und -fabrik werden beschlagnahmt und die Flugzeuge für Kriegszwecke eingesetzt. Ihr Mann wird interniert und auch Melli Beese wird unter Arrest gestellt.
Nach erneutem Flugzeugabsturz zerbricht die Welt von Melli Beese
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Nach dem Krieg ist das Ehepaar finanziell ruiniert. Der Bau und Betrieb von Flugzeugen ist in Deutschland nach dem Versailler Vertrag von 1919 verboten. Das Fliegen geben die beiden trotzdem nicht auf und planen einen Flug um die Welt - zu dem es nie kommen wird: Als Melli Beese 1925 ihre Flugprüfung erneut ablegen muss, weil ihre Pilotenlizenz abgelaufen ist, stürzt sie ab, überlebt aber unverletzt. Doch danach zerbricht ihre Ehe, Melli Beese leidet an Depressionen und ist abhängig von Morphium. Am 21. Dezember 1925 nimmt sich die einst so mutige und kämpferische Flugpionierin mit 39 Jahren das Leben. Zuvor soll sie die Worte "Fliegen ist notwendig, Leben nicht!" niedergeschrieben haben.
Melli Beese auf einen Blick
- 1886: Geboren am 13. September in Laubegast bei Dresden.
- 1906 - 1909: Melli Beese studiert Bildhauerei an der Königlichen Akademie der freien Künste in Stockholm.
- 1910: Gasthörerin am Technikum Dresden. Sie besucht Vorlesungen in Flugzeugmechanik und -technik, Mathematik und Schiffsbau.
- 1910: Erfolglose Bewerbung bei mehreren Flugschulen, bis sie bei der Ad Astra Fluggesellschaft ihren ersten Schulungsvertrag unterschreibt.
- 1910: Am 12. Dezember Absturz beim Übungsflug.
- 1911: Schulungsvertrag bei den Rumpler-Werken.
- 1911: Flugprüfung und Aushändigung der Flugzeugführerlizenz am 13. September. Kurz darauf stellt sie einen neuen Dauer- und einen Höhenflug-Weltrekord für Frauen auf.
- 1912: Gründung der "Flugschule Melli Beese GmbH" in Berlin-Johannisthal.
- 1912 - 1914: Anmeldung mehrerer Patente für unterschiedliche Flugzeugtypen.
- 1913: Melli Beese heiratet den Franzosen Charles Boutard.
- 1914: Im Ersten Weltkrieg Entzug der Lehr- und Geschäftserlaubnis, Schließung von Fabrik und Flugschule, Beschlagnahmung der Flugzeuge, Internierung.
- 1925: Absturz beim Versuch, die Pilotenlizenz zu erneuern.
- 1925: Melli Beese nimmt sich am 21. Dezember das Leben.
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Viel zu oft standen Frauen, die Großes geleistet haben, im Schatten der Männer. Der BR-Instagram-Kanal "FrauenGeschichte" zeigt die weibliche Perspektive auf die Vergangenheit.
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