FrauenGeschichte - Frauen schreiben Geschichte Maria von Linden wird die erste Professorin Deutschlands
Die Zoologin Maria von Linden war die erste Abiturientin und Studentin in Württemberg. Außerdem die erste Frau mit naturwissenschaftlichem Doktortitel und erste Professorin in Deutschland. Eine Pionierin der Frauenbildung.
Maria Gräfin von Linden wird 1869 auf Schloss Burgberg bei Heidenheim im heutigen Baden-Württemberg geboren. Zunächst bekommt sie Privatunterricht, dann besucht sie eine Höhere Töchterschule. Ihr naturwissenschaftliches Interesse wird früh geweckt, sie möchte studieren, doch schon das Abitur wird ihr damals als Mädchen verwehrt.
Maria von Linden macht trotzdem Abitur
Schon gewusst?
Württemberg war von 1806 bis 1918 ein Königreich. Der letzte württembergische König Wilhelm II. dankte am 9. November 1918 ab. Württemberg war dann bis 1933 Volksstaat, wurde nach 1945 aufgeteilt und ging ab 1952 mit im neuen Bundesland Baden-Württemberg auf.
Maria von Linden lässt sich nicht aufhalten: Weil kein Gymnasium ein Mädchen aufnehmen will, eignet sie sich das nötige Wissen selbst an und wird dank der Fürsprache ihres Großonkels, des zeitweiligen württembergischen Innen- und Außenministers Josef Freiherr von Linden, 1891 als Externe zur Abiturprüfung an einem Jungengymnasium in Stuttgart zugelassen. Damit wird sie zur ersten Württembergerin mit Abitur.
Maria von Linden erhält als erste Frau den Doktor der Naturwissenschaft
Frauen und das Recht zu studieren
Das Recht auf ein ordentliches Universitätsstudium erhalten Frauen in Deutschland allerdings erst nach erbitterten Kämpfen: 1899 in Baden, 1903 in Bayern und 1904 in Württemberg. Die Habilitation wird ihnen erst in der Weimarer Republik gestattet.
Mithilfe des Großonkels und einer Sondererlaubnis des Königs darf Maria von Linden anschließend als erste Frau Württembergs an der Universität in Tübingen studieren, jedoch nur als Gasthörerin. Sie studiert Zoologie, Mineralogie, Physik, Botanik und Mathematik und promoviert 1895 als erste Frau Deutschlands zum Doktor der Naturwissenschaft.
Maria von Linden entdeckt die antiseptische Wirkung von Kupfer
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1899 wird Maria von Linden - wieder als erste Frau - Assistentin am Zoologischen Institut in Bonn. Sie forscht über Tierseuchen, Darmparasiten des Menschen sowie Infektionskrankheiten und sucht vor allem nach Möglichkeiten zur Bekämpfung der Tuberkulose. Dabei entdeckt sie die antiseptische Wirkung von Kupfer. Diese Erkenntnis wird später zur Herstellung von sterilem Verband- und Nahtmaterial genutzt.
Maria von Linden wird die erste Professorin Deutschlands
1908 wird Maria von Linden als "Abteilungsvorsteherin" mit der Neueinrichtung der Parasitologischen Abteilung des Hygiene-Instituts beauftragt. 1910 wird sie wegen ihrer Leistung als erste Frau in Deutschland in Bonn zur Professorin ernannt. Allerdings ist sie nur "Titularprofessorin" - sie trägt den Titel, Habilitation und Lehrbefugnis bleiben ihr verwehrt. Sie darf lediglich nach Vorlesungsende ihrer männlichen Kollegen Übungen zum Erkennen, Konservieren und Züchten tierischer Parasiten sowie Hygienedemonstrationen durchführen.
Maria von Linden wird 1933 zwangspensioniert
1933 wird Maria von Linden unter Berufung auf das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" zwangspensioniert. Eine Frau ist im Hochschulbetrieb nicht mehr erwünscht. Zudem ist Maria von Linden eine entschiedene Gegnerin des Nationalsozialismus. Sie bekennt sich offen zu ihren jüdischen Freunden, zu denen unter anderem die Familie des Physikers Heinrich Hertz gehört, in dessen Haus sie 34 Jahre lang wohnt. Nach ihrer Zwangspensionierung emigriert Maria nach Liechtenstein, wo sie sich bis zu ihrem Tod 1936 vor allem im Bereich der Krebsforschung weiterhin wissenschaftlich betätigt.
Maria von Linden ist anerkannt, aber nie gleichberechtigt
Im Lauf ihres Lebens veröffentlicht Maria von Linden über 100 wissenschaftliche Beiträge. Obwohl ihre Leistung durchaus anerkannt wird, ist sie nie ein gleichberechtigtes Mitglied des Lehrkörpers. Als Frau erhält sie weder die Stellung, noch das Gehalt, das ihrer wissenschaftlichen Qualifikation entspricht.
Maria von Linden wird Vorbild für Wissenschaftlerinnen
Als Vorreiterin für höhere Frauenbildung sieht sie sich selbst nie und engagiert sich - trotz enger Kontakte zur Tübinger Frauenrechtlerin Mathilde Weber - auch nicht aktiv in der Frauenbewegung. Nichtsdestotrotz wird Maria von Linden Vorbild für viele Wissenschaftlerinnen und gilt als Wegbereiterin des Frauenstudiums.
Maria von Linden - Kurzbiografie:
- 1869: Geboren am 18. Juli als Gräfin auf Schloss Burgberg bei Heidenheim.
- 1891: Abitur als erstes Mädchen in Württemberg als Externe an einem Jungengymnasium in Stuttgart.
- 1892: Erste Studentin an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und damit Württembergs erste Studentin. Als Gasthörerin studiert Maria dort unter anderem Zoologie, Mineralogie, Physik, Botanik und Mathematik. Dabei wird sie durch ein Stipendium des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins finanziell unterstützt.
- 1895: Maria wird als erste Frau Deutschlands zum Doktor der Naturwissenschaft promoviert.
- 1899: Assistentin am Zoologischen und Vergleichenden Anatomischen Institut der Universität Bonn. Sie entdeckt die antiseptische Wirkung von Kupfer.
- 1906: Maria stellt ein Habilitationsgesuch, das 1908 endgültig abgelehnt wird.
- 1908: Maria wird "Abteilungsvorsteherin" der Parasitologischen Abteilung des Hygiene-Instituts der Universität Bonn.
- 1910: Erste Professorin in Bonn. Maria ist damit die erste Frau in Deutschland, die den Titel "Professorin" tragen darf. Weil es sich dabei aber um eine "Titularprofessur" handelt, erhält sie weder einen Lehrstuhl, noch eine Lehrbefugnis.
- 1933: Zwangspensionierung zum 1. Oktober unter Berufung auf das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" und Emigration nach Liechtenstein.
- 1936: Maria stirbt am 26. August an den Folgen einer Lungenentzündung.
"FrauenGeschichte" auf Instagram
Viel zu oft standen Frauen, die Großes geleistet haben, im Schatten der Männer. Der BR-Instagram-Kanal "FrauenGeschichte" zeigt die weibliche Perspektive auf die Vergangenheit.