FrauenGeschichte - Frauen schreiben Geschichte Stephanie Shirley wird Softwarepionierin ohne eigenen Computer
Als Software-Pionierin gründet Stephanie Shirley eine milliardenschwere Firma. Ihr Lebensweg ist außergewöhnlich und alles andere als einfach: Sie flüchtet vor den Nazis, wird von den Eltern verstoßen und muss sich als Mann ausgeben.
In den 1960er-Jahren gründet die 1933 geborene Stephanie Shirley ein Software-Unternehmen - mit einem Startkapital von sechs britischen Pfund und einem geteilten Telefonanschluss. Mit ihrer "F International Group" will sie Software verkaufen, doch niemand reagiert auf ihre Angebote. Dann kommt ihr die Idee, ihre Briefe mit "Steve" zu unterschreiben. Und siehe da: Nach und nach erhält sie gewinnbringende Aufträge, wie zum Beispiel die Programmierung der Blackbox für die Concorde. Sie baut ihre Firma aus - mit Frauen. Eine ganze Generation Programmiererinnen bringt sie in die damals noch reine Männerdomäne.
"Ich hatte eine Entschlossenheit aufgebaut, dass ich mich nicht von anderen Leuten definieren lassen wollte."
Stephanie Shirley
Stephanie Shirley wird als Vera Stephanie Buchthal in Dortmund geboren
Es ist ein steiniger Weg bis dahin, doch Stephanie Shirley ist es gewohnt, nichts geschenkt zu bekommen: Sie wird als Vera Stephanie Buchthal in Dortmund geboren. Ihr Vater ist deutsch-jüdischer Abstammung. Im Zweiten Weltkrieg wird sie im Alter von fünf Jahren mit einem Kindertransport nach England zu einer Pflegefamilie gebracht. Obwohl die Eltern kurze Zeit später nachkommen können, wird Stephanie Shirleys Familie nie mehr eine heile sein: Die Ehe der Eltern scheitert, der Kontakt zum Kind bricht ab. Die Mutter streicht sie sogar aus ihrem Testament. Shirley bleibt bei ihren Pflegeeltern und nimmt einen anderen Namen an, um sich von ihrer Herkunft zu distanzieren.
Stephanie Shirley verliert ihren Sohn
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Ihre schwere Kindheit ist nicht das einzige Schicksal, dass Stephanie Shirley zu meistern hat: 1963 kommt ihr Sohn Giles zur Welt. Bei ihm wird Autismus diagnostiziert. Giles stirbt mit 35 Jahren und Stephanie Shirley muss einmal mehr einen harten Verlust verkraften. Später wird sie regelmäßig etwas von ihrem Vermögen spenden - für Menschen, die von Autismus und vom Asperger-Syndrom betroffen sind.
Flexible Arbeitszeiten ermöglicht Shirley schon in den 1960er-Jahren
Möglich ist das durch ihren herausragenden beruflichen Erfolg. Und der beruht auch auf ihrer Kreativität und ihrem Mut, neue Wege zu gehen: Lange bevor Begriffe wie "Female Empowerment" in aller Munde waren, setzt Stephanie Shirley diese Werte in einer männerdominierten Wirtschaft um. Arbeiten im Homeoffice ist damals unüblich. Doch Shirley legt bereits in den 1960er-Jahren den Grundstein für flexible Arbeitsbedingungen. Sie unterstützt vor allem Frauen, die gerade Kinder bekommen haben und oft keine Arbeit mehr finden. Mit ihrer flexiblen Arbeitspolitik gibt sie schon damals diesen Frauen eine Chance.
"Das Wichtigste im Geschäftsleben ist: Richte dich nicht daran aus, wo die Gesellschaft steht, sondern daran, wohin sie möchte."
Stephanie Shirley
Ab 1975 muss Stephanie Shirley auch Männer einstellen
1975 muss sie ihre Einstellungspolitik ändern: Durch das britische Gleichstellungsgesetz wird ihr Unternehmen gesetzeswidrig. Shirley muss ab jetzt auch Männer einstellen - aber nur welche, so erzählt sie mit einem Augenzwinkern, die auch gut ausgebildet sind.
Die Multimillionärin wird noch immer "Steve" genannt
Buchtipp
Wer mehr über Stephanie Shirleys ungewöhnliches Leben erfahren möchte: Ihre Biographie "Ein unmögliches Leben" ist im Goldmann-Verlag erschienen.
1993 zieht sie sich schließlich aus dem operativen Geschäft zurück, später verkauft sie ihre Firma. Heute widmet sie sich verstärkt wohltätigen Zwecken und gibt ihre Erfahrungen und Motivation als Rednerin weiter. "Steve" wird die Multimillionärin, die heute zu den reichsten Frauen Englands gehört, übrigens noch immer genannt.
"FrauenGeschichte" auf Instagram
Viel zu oft standen Frauen, die Großes geleistet haben, im Schatten der Männer. Der BR-Instagram-Kanal "FrauenGeschichte" zeigt die weibliche Perspektive auf die Vergangenheit.