FrauenGeschichte - Frauen schreiben Geschichte Sofja Kowaleskaja wird erste Mathematik-Professorin
Mathematik galt - noch - als unweiblich, doch davon ließ sich Sofja Kowaleskaja nicht beirren. Die Russin erkämpfte sich den Weg zum Studium sogar mit einer Scheinehe. 1884 wurde sie die erste Professorin für Mathematik weltweit.
Sofja Kowaleskaja interessierte sich bereits als junges Mädchen für Mathematik - erst Recht, nachdem sie ein ganz besonderes Kinderzimmer bekam. Die Tochter eines russischen Artillerieoffiziers wurde 1850 in Moskau geboren. Kinderfrauen, Gouvernanten und Hauslehrer kümmerten sich zunächst um Sofjas Erziehung und Bildung. Als Sofja etwa acht Jahre alt war, verabschiedete sich ihr Vater aus der Armee. Die Familie zog auf ein Landgut. Als es renoviert wurde, reichte die Tapete für das Kinderzimmer nicht mehr aus. Die Wände des Zimmers wurden deshalb mit Papier beklebt, das man auf dem Dachboden des Hauses gefunden hatte. Es war vollgeschrieben mit mathematischen Formeln.
Sofja Kowaleskaja findet zur Mathematik
Fortan hing in Sofjas Kinderzimmer das Skript einer mathematischen Vorlesung über Differential- und Integralrechnung. Sie vertiefte sich in die mathematischen Studien und wurde von Sofjas Onkel, der sich ebenfalls sehr für Mathematik interessierte, weiter gefördert.
Sofja Kowaleskaja mogelt sich mit einer Scheinehe nach Heidelberg
Sofja träumte davon, Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren, doch um 1868 durften Frauen in Russland weder studieren noch als Gasthörerinnen an Vorlesungen teilnehmen. Sofja wollte das Problem mit einem Studium im europäischen Ausland lösen, was ihr Vater jedoch ablehnte. Sofjas letzter Ausweg: eine Scheinehe. Als verheiratete Frau durfte sie schließlich auch ohne väterliche Erlaubnis reisen. Mit 18 Jahren heiratete sie deshalb Wladimir Kowalewski. Zusammen gingen sie nach Heidelberg, um dort Mathematik zu studieren. Sofjas Immatrikulation wurde jedoch abgelehnt: Keine Frauen an der Uni, hieß es. Sofja durfte nur einzelne Vorlesungen als Gasthörerin besuchen - das war der Russin zu wenig.
Sofja Kowaleskaja wird von der Universität abgelehnt und privat unterrichtet
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Man riet Sofja, Karl Weierstraß in Berlin aufzusuchen, einen der damals bekanntesten deutschen Mathematiker. Er war zwar auch kein Befürworter des Frauenstudiums, doch von Sofjas mathematischem Talent beeindruckt. Weierstraß setzte sich für die 20-Jährige an der Berliner Universität ein, aber selbst seine Fürsprache half nicht: Die konservativen Professoren erlaubten keine Frauen an der Universität. So wurde Sofja kurzerhand Weierstraß’ Privatstudentin. Vier Jahre lang unterrichtete er seine Schülerin und unterstützte sie bei dem Wunsch zu promovieren. Ohne je eine Klausur geschrieben zu haben, legte Sofja der Uni Göttingen drei Dissertationen vor. Ihr Fleiß, ihre Hartnäckigkeit und ihr Mut wurden belohnt: 1874 erhielt sie den Doktortitel.
Öffnung der Universitäten für Frauen in Europa
- 1860er-Jahre: Schweiz, Frankreich
- 1870er-Jahre: England, Russland, Schweden, Finnland, Dänemark, Italien
- 1880er-Jahre: Spanien, Belgien, Norwegen, Serbien, Rumänien
- 1900: Universitäten Heidelberg und Freiburg
- 1903: Bayern
- 1908: Preußen
Sofja Kowaleskaja wird die erste Professorin für Mathematik weltweit
Kowaleskajas preisgekrönte Entdeckung
Sofja Kowaleskaja beschäftigte sich auch mit Kreiseltheorie. 1888 veröffentlichte sie ihre preisgekrönte Arbeit zum Kowaleskaja-Kreisel.
Trotz Doktortitel benötigte Sofja weitere Unterstützung. Der Mathematiker Gösta Mittag-Leffler überzeugte die Universität Stockholm, sie einzustellen. Erst als Dozentin, wenig später erhielt sie eine Professur.
"Habe heute meine erste Vorlesung gehalten. Weiß nicht, ob es gut oder schlecht war, weiß bloß, sehr traurig war’s nach Hause zu kommen und sich so einsam in der weiten Welt zu fühlen."
Das schrieb Sofja Kowaleskaja am 30. Januar 1884 in ihr Tagebuch
Sofja Kowaleskaja bleibt in Stockholm
14. März: Tag der Mathematik
Am 14. März findet jedes Jahr der Internationale Tag der Mathematik statt. Zusammen mit der Internationalen Mathematischen Union hat die UNESCO den weltweiten Tag 2019 initiiert, um auf die Bedeutung der Mathematik hinzuweisen. In vielen Ländern wird am 14. März auch der Pi-Tag gefeiert.
Mit 34 Jahren war sie am Höhepunkt ihrer Karriere, doch sie vermisste ihre Heimat Russland. Als Frau blieb ihr eine akademische Karriere dort jedoch zeitlebens verwehrt. In Stockholm bot man ihr die Professur auf Lebenszeit an. Nur sieben Jahre später starb Sofja im Alter von 41 Jahren an einer Lungenentzündung.
"FrauenGeschichte" auf Instagram
Viel zu oft standen Frauen, die Großes geleistet haben, im Schatten der Männer. Der BR-Instagram-Kanal "FrauenGeschichte" zeigt die weibliche Perspektive auf die Vergangenheit.