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Doppelsterne und Mehrfachsysteme Wenn Sterne gemeinsam kreisen

Schon mit einem einfachen Fernglas entpuppt sich mancher Stern plötzlich als Doppelstern oder Mehrfachsystem: Zwei oder mehr Sterne, die so dicht stehen, dass sie für das bloße Auge wie ein Stern erscheinen. Aber nicht immer sind es echte Doppelsterne.

Stand: 17.10.2022 | Archiv

Der Doppelstern Alpha Capricorni Algiedi im Sternbild Steinbock. Algiedi ist kein echter Doppelstern, sondern nur ein optischer Doppelstern. Die beiden Sterne umkreisen sich nicht wirklich, sondern sind nur aus unserer Sicht nahe beieinander. Schon mit bloßem Auge erkennbar.  | Bild: SDSS/CC 4.0

In manchen Fällen könnt ihr Doppelsterne auch mit dem bloßen Auge erkennen. Seht euch doch einmal den dritten Deichselstern im Großen Wagen an, den Stern Mizar.

Mizar und Alkor

Knapp über ihm, 12 Bogenminuten entfernt, könnt ihr einen weiteren Stern finden: Alkor, das Reiterlein. Er wird auch "der Augenprüfer" genannt, denn nicht jeder kann ihn als Einzelstern erkennen.

Echte und scheinbare - optisch oder physisch

Doppelstern Mizar Alkor

Mizar und Alkor bilden einen scheinbaren oder optischen Doppelstern: Sie scheinen aus unserem Blickwinkel dicht nebeneinander zu stehen, sind in Wirklichkeit aber drei Lichtjahre voneinander entfernt - so weit, wie unsere Sonne vom nächsten Stern. Echte oder physische Doppelsterne stehen dagegen in einer engen gravitativen Beziehung - sie umkreisen einen gemeinsamen Schwerpunkt, wie Erde und Mond. Und sie sind auch gemeinsam entstanden, sind also gleich alt.

Doppelsterne im Video erklärt

Doppelsterne: Ein Stern kommt selten allein!

Die überwiegende Mehrheit aller Sterne gehören zu einem Doppel- oder Mehrfachsystem. Die Gaswolken, in denen neue Sterne entstehen, begünstigen durch ihre Eigendrehung eher die Entstehung von zwei oder mehr Sternen. Einzeln entstandene Sterne wie unsere Sonne sind weitaus seltener. Und auch Alkor und Mizar gehören zu Doppel- bzw. Mehrfachsystemen, wenn auch zu verschiedenen: Alkor ist ein Dreifachsystem, Mizar sogar ein Vierfachsystem.

Visuelle, spektroskopische oder photometrische Doppelsterne

Zwei Komponenten des echten Mehrfachsystems Mizar könnt ihr mit einem einfachen Fernglas entdecken. Die beiden sind 14,4 Bogensekunden voneinander entfernt. Weil man sie optisch voneinander trennen kann, heißen sie auch visuelle Doppelsterne.

Doppelstern (Illustration)

Doch alle vier Einzelsterne im Vierfachsystem Mizar werden erst spektroskopisch offenbar: Über die individuellen Lichtspektren der Einzelsterne, die durch die Rotation in typischer Weise verändert werden, können solche spektroskopischen Doppelsterne festgestellt werden, optisch sind sie aufgrund des geringen Abstands nicht mehr zu trennen.

Durch eine dritte Methode werden photometrische Doppelsterne erkannt: Über Lichtmessung wird die Helligkeitsentwicklung eines Sterns genau beobachtet. Bei gegenseitiger Bedeckung zweier sich umkreisender Sterne kommt es zu regelmäßigen Veränderungen in der Helligkeitskurve. Photometrische Doppelsterne sind dasselbe wie Bedeckungsveränderliche Sterne, etwa Algol im Sternbild Perseus.

Ein Mehrfachsystem im Sternbild Leier

Die Einzelsterne eines Mehrfachsystems werden mit zusätzlichen Buchstaben A, B, C usw. bezeichnet, wobei mit A immer die hellste Komponente, mit B die zweithellste usw. benannt werden.

Doppelsterne in der Leier

Ein schönes Beispiel für ein visuelles Mehrfachsystem findet ihr im Sternbild Leier, das in Sommernächten sehr gut zu beobachten ist. Sucht ε Lyrae, einen etwas schwächeren Stern über der sehr hellen Wega. Bei sehr guten Sichtbedingungen könnt ihr vielleicht schon mit bloßem Auge zwei Komponenten von ε Lyrae auflösen, sonst reicht ein kleineres Fernglas. Die zwei Komponenten sind etwa vier Bogenminuten voneinander entfernt und nahezu gleich hell. Sie werden als AB und CD bezeichnet, denn jede lässt sich mit einem guten Fernglas oder kleinem Teleskop wieder in zwei Einzelsterne aufteilen. Obwohl C und D einen kleineren Abstand zueinander haben, werdet ihr diese beiden leichter trennen können als A und B: Der Helligkeitsunterschied zwischen A und B ist mit mehr als einem mag recht groß - das erschwert die Auflösung der Einzelkomponenten, da der hellere Stern den dunkleren überstrahlt.

Der lange unbekannte Begleiter von Sirius

Doppelstern Sirius

Noch extremer ist dieser Unterschied bei Sirius, dem hellsten Stern am nördlichen Firmament im Sternbild Großer Hund. Sirius hat eine scheinbare Helligkeit von -1,46 mag. Erst 1862 stellte man fest, dass Sirius ein Doppelstern ist: Um die sehr helle Hauptkomponente A kreist ein Weißer Zwerg mit einer scheinbaren Helligkeit von nur 8,5 mag - zehn Größenklassen schwächer und daher trotz eines Winkelabstands von maximal 11,5 Bogensekunden kaum zu finden.

Ungleiche Zwillinge

Doppelstern Albireo

Obwohl die zwei Komponenten eines Doppelsterns gleichzeitig entstanden und damit gleich alt sind, können sie völlig unterschiedliche Sterntypen sein - etwa ein großer, sehr heller Riesenstern in Begleitung eines lichtschwachen Zwerges. Ein schönes Beispiel ist Albireo, der Kopf im Sommerbild Schwan (β Cygni). Es ist einer der farbenprächtigsten Doppelsterne am Nordhimmel, mit 34 Bogensekunden Abstand schon im Fernglas gut zu trennen. Die hellere Komponente leuchtet gelb-orange, die schwächere ist türkisfarben.

Zu dieser oft unterschiedlichen Entwicklung der Komponenten eines Mehrfachsystems kommt noch die starke Wechselwirkung zwischen den Einzelsternen hinzu. So entzieht oft einer dem anderen große Mengen an Material, Gas strömt vom einen Stern zum anderen und das Massenverhältnis der beiden ändert sich fortlaufend.

Wie schnell sich Doppelsterne umkreisen und wie weit sie voneinander entfernt sind, ist ganz unterschiedlich. Manche Systeme umkreisen sich alle paar Stunden, andere benötigen dafür über tausend Jahre. Über sehr lange Perioden kann dann beobachtet werden, wie sich die Komponenten umkreisen - ihr Winkelabstand ändert sich: Als man 1827 entdeckte, dass der Stern σ CrB im Sternbild Nördliche Krone ein Doppelstern ist, waren seine beiden Komponenten gerade mal 1,3 Bogensekunden voneinander entfernt - aus unserem Blickwinkel. Heute ist der Winkelabstand bereits auf 7,2 Bogensekunden gewachsen. In fünf Jahrhunderten werden die beiden Einzelsterne, die sich in etwa tausend Jahren einmal umrunden, 13 Bogensekunden voneinander entfernt sein. Der Doppelstern ζ Her im Sternbild Herkules hat dagegen eine Umlaufperiode von nur knapp 35 Jahren.

Welches Fernglas für welchen Doppelstern?

Wollt ihr die zwei Komponenten eines Doppelsternsystems trennen, d. h. die einzelnen Sterne sehen, braucht ihr ein Fernglas oder sogar ein Teleskop. Um Doppelsterne mit 11,7 Bogensekunden Abstand zu trennen, reichen euch schon 10 mm Öffnung - ein kleineres Fernglas oder Opernglas. Sind die beiden Doppelstern-Komponenten dagegen nur 1,17'' voneinander entfernt, könnt ihr sie erst ab 100 mm Öffnung auflösen - da reicht auch ein großes Fernglas nicht mehr, ihr braucht ein Teleskop.

Verschiedene Öffnungen
  
bloßes Auge5 mm
Opernglas25 mm
Fernglas50 mm
Großes Fernglas80 mm
Hobby-Teleskop150 mm

Formel zur Auflösung von Doppelsystemen

  • Öffnung x Abstand = 117
  • Abstand = 117 / Öffnung
  • Öffnung = 117 / Abstand

Das Produkt aus Teleskopöffnung (in mm) und dem trennbaren Winkelabstand der Einzelsterne eines Doppelsystems (in '') ergibt immer 117 (''mm). Wollt ihr wissen, welche Teleskopöffnung ihr benötigt, um ein Doppelsternsystem wie σ CrB in der Nördlichen Krone mit 7,2'' (Bogensekunden) Winkelabstand aufzulösen, dividiert die 117 durch den Sternenabstand: 117''mm/7,2'' = 16,25 mm Öffnung - hier genügt schon ein Opernglas. Wenn ihr den genauen Winkelabstand der Einzelkomponenten eines Doppelsterns kennt, könnt ihr also feststellen, welche Öffnung euer Fernglas oder Teleskop hat. Allerdings spielen die Sichtbedingungen sowie die scheinbaren Helligkeiten eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Trennung der Komponenten von Doppelsternen
notwendige Öffnung des TeleskopsWinkelabstand der Einzelsterne
10 mm11,7"
100 mm1,17"
5 mm23,4"
25 mm4,68"
50 mm2,34"
80 mm1,46"
150 mm0,78"

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