Telekolleg - Psychologie


4

Personalauswahl und Rechtspsychologie Aussagefähigkeit

Stand: 02.11.2016 | Archiv

Richterin weist mit dem Finger auf jemanden | Bild: colourbox.com

Bei der Beurteilung der Aussagefähigkeit einer Person wird deren Fähigkeit bewertet, einen Sachverhalt zutreffend wiederzugeben. Auch wenn Zeugenaussagen nach bestem Wissen und Gewissen gemacht werden, stellen sie keine objektiven Abbildungen des beobachteten Geschehens dar, sondern sind individuelle Erinnerungen. Diese können durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst sein:

Wahrnehmungseinflüsse:
Dabei ist zu beurteilen, ob die Wahrnehmungsfähigkeiten des Zeugen ausreichend sind, um die geschilderten Sachverhalte tatsächlich gesehen oder gehört zu haben.
 
Einflüsse des Vorwissens:
Unsere Wahrnehmung ist nicht nur ein reiner "bottom-up"-Prozess der Informationsverarbeitung, der bei den Sinnesrezeptoren anfängt. Wahrnehmung ist auch ein "top-down"-Prozess, welcher durch Vorwissen (Schemata) Einfluss auf die Verarbeitung der Rezeptorinformationen nimmt. Wir haben beispielsweise bestimmte Erwartungen, wie manche Ereignisse ablaufen, und diese Erwartungen nehmen Einfluss auf das, was wir wahrnehmen.
 
Gedächtniseinflüsse:
Das menschliche Gedächtnis ist keine passiver Speicher, aus dem Informationen unverändert immer und immer wieder abgerufen werden können. Im Gegenteil: Unser Gedächtnis geht aktiv mit Informationen um. Es bewertet sie, es strukturiert sie um, es knüpft Verbindungen, es kommt zu Überlagerungen (Interferenzen), es vergisst manches - und vielleicht am schwerwiegendsten: Es kann Erinnerungen konstruieren, die so gar nicht stattgefunden haben.
 
Suggestionen:
Darunter ist ein Vorgang zu verstehen, bei dem einer Person nachträglich Informationen über ein Ereignis vermittelt werden. Wird in einer Zeugenvernehmung beispielsweise die Frage gestellt: "War das Auto rot oder schwarz?", so wird durch diese unvollständige Auswahlmöglichkeit u.U. Einfluss auf die Antwort des Zeugen genommen, der zwar eigentlich ein dunkelblaues Auto gesehen hatte, aber nun schwarz sagt, da dies die am besten passende unter den vorgegebenen Antworten ist.

Wie Gegenüberstellungen manipuliert werden können

Große Zweifel an der Verlässlichkeit von Augenzeugen lässt auch eine Studie von Stadler aus den frühen neunziger Jahren aufkommen. Zeugen sollten in diesem Experiment bei einer Gegenüberstellung den Tatverdächtigen identifizieren. Das Besondere des Experiments bestand darin, dass neben einer Reihe von zivil gekleideten Polizisten ein Tatverdächtiger aus einem anderen Straftatsfall positioniert wurde. Die Zeugen sollten diesen nicht identifizieren können, da sie ihn bei der Gegenüberstellung zum ersten Mal sahen. Trotzdem wurde er überdurchschnittlich häufig als Täter erkannt. Wie konnte das geschehen?

Die Erklärung liegt darin, dass sich eine aktuell tatverdächtige Person anders verhält, als die hinzugestellten Polizisten, für die das möglicherweise eine öfters vorkommende Dienstaufgabe ist. Die Andersartigkeit des Verhaltens zieht die Aufmerksamkeit des Zeugen auf sich, so dass es leicht zu der falschen Beschuldigung kommen kann.


4